Sonntag, 28. Oktober 2018

Zurück zum Geschäft


Türkei-Besuch von Wirtschaftsminister Altmaier im Zeichen der »Normalisierung«. Deutsche Firmen besorgt wegen Lira-Schwäche

Von Jörg Kronauer
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Wirtschaftsminister Altmaier (3.v.r.) bei Sitzung des Deutsch-Türkischen Energieforums am Freitag in Ankara
Business as usual – das war im übertragenen wie im wörtlichen Sinne Ziel des zweitägigen Arbeitsbesuchs von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag und Freitag in der türkischen Hauptstadt Ankara. Die politischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern hatten sich in den vergangenen Jahren immer wieder auch auf die Wirtschaft niedergeschlagen. Einer der Tiefpunkte war aus deutscher Sicht die Liste mit 681 deutschen Unternehmen, unter ihnen zum Beispiel BASF und Daimler, die die türkischen Behörden im Mai 2017 via Interpol nach Berlin geschickt hatte – mit dem Vorwurf, die aufgelisteten Firmen stünden im Verdacht, Terror zu unterstützen.
Solche Eskapaden sollen nun nach dem Willen beider Regierungen der Vergangenheit angehören. Altmaier verkündete schon am Donnerstag, nach all dem Streit gebe es jetzt offenkundig in der Türkei die Bereitschaft, »ein neues Kapitel aufzuschlagen«: »Wir müssen die wirtschaftliche Zusammenarbeit stärker in den Mittelpunkt rücken.«
Gesagt, getan. Altmaier hat sich in Ankara fleißig um Chancen für deutsche Firmen in der Türkei bemüht. Am Donnerstag standen dazu Gespräche mit Finanzminister Berat Albayrak auf dem Programm, bevor er sich mit Handelsministerin Ruhsar Pekcan zur ersten Sitzung der deutsch-türkischen Gemeinsamen Wirtschafts- und Handelskommission (Joint Economic and Trade Commission, Jetco) begab, einer branchenübergreifenden Wirtschaftsplattform, deren Gründung die Wirtschaftsministerien beider Länder schon im August 2013 beschlossen hatten, die aber wegen diverser Konflikte noch nie einberufen worden war. Am Freitag eröffnete Altmaier dann gemeinsam mit Energieminister Fatih Dönmez eine Sitzung des Deutsch-Türkischen Energieforums, bevor er sich mit Industrieminister Mustafa Varank sowie mit Parlamentspräsident Binali Yildirim zu weiteren Gesprächen traf. Begleitet wurde er von 30 Vertretern deutscher Unternehmen, darunter Eon, Metro, BASF, Enercon, Siemens und Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS).
Zu besprechen gab es eine Menge. Den Absturz der türkischen Lira etwa und die Verordnung der Regierung, 80 Prozent der Exporterlöse in Lira zu konvertieren. Das verkompliziert die Lage auch für deutsche Unternehmen, die dort produzieren. BASF zum Beispiel nutzt das Land nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch als Regionalzentrum für die Belieferung des Mittleren Ostens und Nordafrikas. Daimler exportiert die Busse, die die Firma in ihrem Werk in Hosdere am Stadtrand von Istanbul herstellt, in rund 70 Staaten. Andere Unternehmen sind um Aufträge bemüht. Enercon etwa hat es auf eine Beteiligung an dem ersten großen Offshore-Windkraftprojekt dort abgesehen. Die Firma, die mangelnde Perspektiven in Deutschland beklagt, nennt die Türkei als einen ihrer wichtigsten Zielmärkte und hat begonnen, Teile der Produktion dorthin zu verlagern. In zumindest einem Fall steht allerdings wohl auch ein Abschied aus der Türkei bevor. Der Oldenburger Versorger EWE ist seit 2007 in der Erdgasbranche aktiv. Allerdings kriselt das Geschäft seit einiger Zeit, weshalb die Firma im August angekündigt hat, sich aus dem Land zurückziehen zu wollen. Zur Zeit versucht sie noch, den Preis für ihre Anteile an türkischen Firmen in die Höhe zu treiben. Politischer Beistand könnte da hilfreich sein.
Wie nützlich business as usual für deutsche Konzerne am Bosporus sein kann, zeigt vor allem ein Auftrag, den Siemens an Land zu ziehen hofft. Ankara will sein Eisenbahnnetz modernisieren und – teils übrigens auf den Routen der alten deutsch-osmanischen »Bagdad-Bahn« – moderne Hochgeschwindigkeitsstrecken errichten. Das wird teuer. Die Rede ist von 35 Milliarden Euro. Hatte die türkische Regierung eine Zeitlang die Auftragsvergabe an chinesische Firmen im Blick, so hat sie sich wohl umentschieden und will den Deal nun mit einem Konsortium unter Führung von Siemens machen. Im April hat sie bereits zehn Velaro-Hochgeschwindigkeitszüge für insgesamt rund 340 Millionen Euro bei dem Münchner Konzern bestellt. Im Gegenzug hofft sie auf zinsgünstige Kredite aus Berlin.
Die Themen, die die Reise schließlich abrundeten, haben es in sich: Erdgas und Rüstung. Zu beiden sind allerdings noch keine Details bekannt. Man habe über das Vorhaben der Türkei gesprochen, zur »Erdgasdrehscheibe« werden zu wollen, teilte der Bundeswirtschaftsminister mit. Mutmaßlich ging es dabei um künftige Lieferungen aus dem Kaspischen Becken, eventuell auch aus dem Irak, über türkisches Territorium in Richtung EU. Den Wirtschaftsminister begleitete zudem ein Vertreter von TKMS. Der Rüstungskonzern liefert der Türkei U-Boote, die zum Teil von der türkischen Gölcük Naval Shipyard montiert werden. Vergangenes Jahr wurden Pläne bekannt, gemeinsam U-Boote weiterzuverkaufen, etwa nach Indonesien. Ankara wäre gewiss in der Lage, TKMS neue Türen in Teilen der islamischen Welt zu öffnen, etwa in Malaysia oder Katar. Man wird das im Fall von TKMS genauso beobachten müssen wie im Fall der Beteiligung von Rheinmetall am Panzerbau in der Türkei.

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