Sonntag, 28. Oktober 2018

»Feindeslisten« faschistischer Terrorgruppen: Landeskriminalamt NRW schreddert Datensatz.

»Straftaten von rechts werden bagatellisiert«

Ein Gespräch mit Sylvia Gabelmann

Interview: Peter Schaber
Festival_Schild_und_58737453.jpg
Bloß Versagen oder aktive Unterstützung? Gegen Neonazis und Faschisten geht der Staat bestenfalls halbherzig vor
Sylvia Gabelmann ist Abgeordnete für die Partei Die Linke im Deutschen Bundestag und Bundesprecherin der Antikapitalistischen Linken
Sie wollten wissen, ob Sie auf einer der »Feindeslisten« neonazistischer Gruppierungen stehen, die in den vergangenen Jahren unter anderem im Zuge der Ermittlungen gegen den »Nationalsozialistischen Untergrund« und die Gruppe »Nordkreuz« von der Polizei gefunden wurden. Sie haben dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen geschrieben, die Antwort war überraschend.
Im Grunde genommen gab es keine konkrete Antwort, sondern immer wieder Konjunktive. Es wird gesagt, wenn mich die Behörden nicht angesprochen haben, könnte das bedeuten, dass ich nicht auf der Liste war. Eine genaue Antwort bekam ich nicht.
Ich weiß also immer noch nicht, ob ich auf einer dieser Listen war. Der allergrößte Skandal ist aber, dass die Daten gelöscht wurden, wie auch in dem Antwortschreiben des LKA zu lesen ist. Dadurch gibt es ja auch keine Möglichkeit mehr, herauszufinden, ob mein Name da stand. Und das betrifft nicht nur mich, sondern Zehntausende andere Menschen.
Es wird zudem behauptet, die Behörden hätten eine Gefährdungsbewertung vorgenommen, aber ohne je zu sagen, welche Kriterien dieser zugrunde liegen. Es ist doch so: Jede Person, die auf diesen Listen steht, ist schon dadurch gefährdet, dass sie eben auf diesen Listen steht.
Dass Sie nicht angesprochen wurden, könne bedeuten, dass Sie nicht auf den Listen standen, sagt das LKA. Aber wer wurde denn überhaupt angesprochen?
Aus einer früheren kleinen Anfrage der Bundestagsabgeordneten Martina Renner geht hervor, dass drei von 35.000 Personen durch das Bundeskriminalamt kontaktiert wurden. Das bedeutet entweder, dass die Beurteilung falsch ist, oder dass die Listen Quatsch sind. Letzteres kann man kaum zugrundelegen, es wurden ja Leute umgebracht, etwa durch den NSU.
Das BKA hat drei Personen angesprochen, wie viele von den Landesbehörden angesprochen wurden, weiß man nicht. Kennen Sie irgend jemanden, der informiert wurde, auf diesen Listen zu stehen?
Niemand. Weder aus meiner Partei, noch aus den Antifakreisen, die ich kenne.
War die Löschung dieser Daten beim LKA rechtlich zwingend? Oder wäre umgekehrt die Löschung vielleicht sogar verboten gewesen?
Ich kann das juristisch nicht sicher beurteilen, aber ich halte den Vorgang nicht für legal. Es gab mit Sicherheit keinen Zwang, die Daten zu löschen. Das erfolgte ja auch auffällig schnell nach der kleinen Anfrage zum Thema durch Martina Renner. Letztlich handelt es sich ja auch um eine Art von Beweismaterial, das jetzt vernichtet wurde.
Sowohl beim NSU wie bei der Gruppe »Nordkreuz« spielten staatliche Behörden eine dubiose Rolle. Was für einen Eindruck hinterlässt das Schreddern der »Feindeslisten« in diesem Kontext?
Es bestätigt das bisherige Bild, dass Straftaten von rechts mindestens bagatellisiert, wenn nicht vertuscht werden. Wenn man sich zum Vergleich ansieht, wie mit Menschen umgegangen wird, die im Hambacher Forst protestieren, dann fehlt da jede Verhältnismäßigkeit.
Was für ein Gefühl hat diese Auskunft bei Ihnen persönlich hinterlassen?
Ich fühle mich doppelt verunsichert. Einmal dadurch, dass ich nicht weiß, ob ich da drauf war. Die größere Verunsicherung ist aber, dass ich den Eindruck habe, das Landeskriminalamt interessiert diese ganze Sache überhaupt nicht.
Wie wollen Sie weiter vorgehen? Gibt es für Sie eine Möglichkeit, vielleicht über das Bundeskriminalamt doch noch zu erfahren, ob Sie auf einer der Listen standen?
Ich werde mich mit den Innenpolitikerinnen unserer Partei koordinieren, um zu überlegen, welche parlamentarischen Initiativen möglich sind. Denn zum einen bin ich eine von 35.000 Betroffenen. Zum anderen erwarte ich aber von diesem Staat, obwohl ich weiß, wie er arbeitet, dennoch, dass er für seine Bundestagsabgeordneten einen besonderen Schutz gewährleistet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen