Faschist an der Macht
Aktienkurse schnellen nach oben
Von Peter Steiniger
Es bleibt nicht bei Drohungen: Bolsonaros Anhänger machen bereits Jagd auf Linke (São Paulo, 28.10.2018)
Foto: Nacho Doce/REUTERS
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Die zweite Runde der Präsidentschaftswahl bescherte Brasilien am Sonntag endgültig die politische Katastrophe: Der Faschismus gelangt an die Macht. Zweieinhalb Jahre nach dem kalten Putsch gegen Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei PT stimmte die Mehrheit für einen Anhänger der 1985 zu Ende gegangenen Militärdiktatur als neuen Staatschef. Auf Jair Bolsonaro entfielen 55,1 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. Am 1. Januar 2019 tritt er als 42. Präsident Brasiliens an. Für Bolsonaro votierten damit fast elf Millionen mehr Menschen als für den PT-Politiker Fernando Haddad, Kandidat einer linken Wahlallianz und in der Stichwahl der Vertreter des demokratischen Spektrums. Wie bereits vor drei Wochen, als Haddad mit 29 Prozent als Zweiter durchs Ziel ging, wählten der Nordosten und Norden rot – in scharfem Kontrast zum Rest des Landes. Es war eine Wahl ohne ihren eigentlichen Favoriten. Um ein Comeback der Arbeiterpartei zu verhindern, war Lula da Silva im April ins Gefängnis gesteckt, von der Öffentlichkeit und schließlich von der Wahl ausgeschlossen worden.
Bolsonaro ist es gelungen, die völlige Entfremdung großer Teile der Gesellschaft vom traditionellen Politikbetrieb für seine Bewegung zu kanalisieren. Der von konservativen Eliten installierte Michel Temer wurde für diese selbst zur Hypothek. Frustration drückt auch die Zahl von 41 Millionen Bürgern aus, die trotz Wahlpflicht den Urnen fernblieben oder ungültig wählten. Der Demagoge konnte an der heuchlerischen Korruptionsdebatte der großen Medien, an der von ihnen entfachten apokalyptischen Hysterie gegen die Linke anknüpfen. Der frühere Hauptmann Bolsonaro, der lange Jahre als Krakeeler auf den Hinterbänken des Kongresses festklebte und dabei neun Parteien durchwechselte, trat nun als Antipolitiker auf. Für seine fanatischen Anhänger macht ihn die Kontinuität, mit der er menschenverachtende autoritäre Positionen vertritt, zum »Mito!«, Mythos. Bolsonaros Sieg ist ein Zeugnis für eine bis heute tief verwurzelte Kultur der Gewalt, für den Rassismus und antisozialen Chauvinismus in der brasilianischen Gesellschaft.
Der »Kandidat der Märkte« und der mächtigen evangelikalen Sekten wurde vom Kapital lanciert: Konzerne steckten Millionen in illegale Wahlkampfhilfe. In gigantischem Umfang wurde mit Fake News in den »sozialen Medien« Massenmanipulation betrieben. Unternehmer forderten ihre Angestellten auf, für Bolsonaro zu stimmen, Supermärkte und Möbelhäuser verbanden ihre Reklame mit der Zahl 17, der des ultrarechten Kandidaten. Als Vize steht der pensionierte General Hamilton Mourão auf seiner Liste. Weitere Militärs werden aus der Reserve kommen und im Kabinett Platz nehmen.
Die Flucht vor Debatten war für Bolsonaros Strategie elementar. Seine Gefolgschaft sollte ihn nicht an der Realität außerhalb ihrer Whats-App-Welt messen können. Bolsonaros Clan, auch die drei Söhne sind im Politikbusiness, lebte stets gut vom Staat, dem er eine radikale Magerkur verabreichen wird. Die Aktienkurse schnellten nach dem Sieg nach oben, und in Hochstimmung ist auch Trumps Exberater Stephen Bannon, der Bolsonaro beriet und der an einer Internationale der neuen Rechten arbeitet. Die Wahl Bolsonaros ist ein Ergebnis des US-gelenkten Rollbacks auf dem Kontinent.
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