Manuela d’Avila von der Kommunistischen Partei Brasiliens (PCdoB) wird als Vizepräsidentschaftskandidatin gemeinsam mit dem Präsidentschaftskandidaten der Arbeiterpartei (PT), Fernando Haddad, am kommenden Sonntag in die Stichwahl gehen. UZ sprach mit ihr über die aktuelle Lage in Brasilien, über Siegchancen und den faschistischen Kandidaten Bolsonaro.
UZ: Liebe Genossin Manuela, wir beglückwünschen dich und den Präsidentschaftskandidaten Fernando Haddad zum Erreichen der Stichwahl. Gegner ist der offen rechtsextreme Jair Bolsonaro. Wer unterstützt ihn, welche Rolle haben dabei Agrarindustrielle, Militär, Rüstungsindustrie und evangelikale Gruppen?
Manuela d’Avila: Die Kandidatur von Jair Bolsonaro drückt die Ideen und Werte der konservativsten Kreise Brasiliens aus. Sie zeigt eine extreme Rechte, die sich bei den letzten Präsidentschaftswahlen nicht getraut hatte, sich so klar zu äußern. Sie versteckte ihre Kampagnen als „Zentrum“ oder maximal „Mitte-Rechts“. Sogar trotz der programmatischen Begrenztheit Bolsonaros, vor allem in der Wirtschaft, haben verschiedene Gruppen ihn unterstützt, als sich seine Kampagne als erfolgversprechend gegen das demokratisch-fortschrittlichen Lager aus dem Erbe von Lula und Dilma Rousseff entwickelte. An der Seite des faschistischen Kandidaten stehen nun die großen Medien, der Finanzmarkt, die Wirtschaftseliten, vor allem des Agrarbusiness, sowie breite Sektoren der Streitkräfte und der Evangelikalen.
Man muss betonen, dass all diese Unterstützungen sehr partikulären Interessen dienen. Die Investoren glauben an das Versprechen Bolsonaros, das Finanzministerium an seinen Wirtschaftsberater Paulo Guedes, einen ultraliberalen Fan von Privatisierungen und wenig Staat, zu geben. Die Großgrundbesitzer setzen auf Entlastung bei den Löhnen, mehr Flexibilisierung von Arbeits- und Umweltvorschriften, die Erleichterung des Tragens von Waffen auf dem Land und eine protektionistischere Politik. Bolsonaro hat es geschafft, die zunächst skeptischen Militärs über eine ultrakonservative Korpsgeistlinie, die an den Kalten Krieg erinnert, für sich zu gewinnen. Nicht zufällig hat die Kampagne klar gesagt, dass eine Reform der Sozialsysteme die Privilegien der Militärs ausklammern würde.
Hinzu kommt ein opportunistischer Diskurs gegen die Korruption und „für die brasilianische Familie“ mittels tausender Fake-News-Botschaften über die Medien. Bolsanaros Kandidatur bringt die Demokratie in Gefahr und zeigt in Richtung Barbarei.
UZ: Wie wirkt sich der Wahlaufruf von Ciro Gomes für euch aus? Ändert sich der Charakter des Wahlbündnisses? Wie gut schätzt du die Siegchancen ein?
Manuela d’Avila: Fernando Haddad und Ciro Gomes haben kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse der ersten Runde telefoniert. Ciro und seine Partei, die PDT, haben angesichts der Risiken für unser Land durch Bolsonaros Kandidatur Unterstützung für uns signalisiert. Das hatte Gewicht für uns, speziell für den Nordosten, wo Ciro großes Prestige hat.
Unser Ideal war der Aufbau einer Linksfront, durch die Koalition von PT, PCdoB und der „Republikanische Partei der sozialen Ordnung“ (Pros). Aber in der zweiten Runde ist Haddad, wegen der faschistischen Bedrohung, nun nicht mehr nur der Kandidat der Linken, sondern eines breiten und historischen demokratischen Lagers, mit unzähligen Parteien, Bewegungen, Institutionen und Persönlichkeiten. Anwälte und Juristen haben ein Manifest mit mehr als 1 500 Unterschriften für unsere Kandidatur herausgebracht.
Unsere Plattform der Verteidigung der Demokratie, der Freiheit und der Wahrheit stärkt sich zusehends; so können wir am 28. Oktober noch gewinnen.
Manuela d’Avila: Die Kandidatur von Jair Bolsonaro drückt die Ideen und Werte der konservativsten Kreise Brasiliens aus. Sie zeigt eine extreme Rechte, die sich bei den letzten Präsidentschaftswahlen nicht getraut hatte, sich so klar zu äußern. Sie versteckte ihre Kampagnen als „Zentrum“ oder maximal „Mitte-Rechts“. Sogar trotz der programmatischen Begrenztheit Bolsonaros, vor allem in der Wirtschaft, haben verschiedene Gruppen ihn unterstützt, als sich seine Kampagne als erfolgversprechend gegen das demokratisch-fortschrittlichen Lager aus dem Erbe von Lula und Dilma Rousseff entwickelte. An der Seite des faschistischen Kandidaten stehen nun die großen Medien, der Finanzmarkt, die Wirtschaftseliten, vor allem des Agrarbusiness, sowie breite Sektoren der Streitkräfte und der Evangelikalen.
Man muss betonen, dass all diese Unterstützungen sehr partikulären Interessen dienen. Die Investoren glauben an das Versprechen Bolsonaros, das Finanzministerium an seinen Wirtschaftsberater Paulo Guedes, einen ultraliberalen Fan von Privatisierungen und wenig Staat, zu geben. Die Großgrundbesitzer setzen auf Entlastung bei den Löhnen, mehr Flexibilisierung von Arbeits- und Umweltvorschriften, die Erleichterung des Tragens von Waffen auf dem Land und eine protektionistischere Politik. Bolsonaro hat es geschafft, die zunächst skeptischen Militärs über eine ultrakonservative Korpsgeistlinie, die an den Kalten Krieg erinnert, für sich zu gewinnen. Nicht zufällig hat die Kampagne klar gesagt, dass eine Reform der Sozialsysteme die Privilegien der Militärs ausklammern würde.
Hinzu kommt ein opportunistischer Diskurs gegen die Korruption und „für die brasilianische Familie“ mittels tausender Fake-News-Botschaften über die Medien. Bolsanaros Kandidatur bringt die Demokratie in Gefahr und zeigt in Richtung Barbarei.
UZ: Wie wirkt sich der Wahlaufruf von Ciro Gomes für euch aus? Ändert sich der Charakter des Wahlbündnisses? Wie gut schätzt du die Siegchancen ein?
Manuela d’Avila: Fernando Haddad und Ciro Gomes haben kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse der ersten Runde telefoniert. Ciro und seine Partei, die PDT, haben angesichts der Risiken für unser Land durch Bolsonaros Kandidatur Unterstützung für uns signalisiert. Das hatte Gewicht für uns, speziell für den Nordosten, wo Ciro großes Prestige hat.
Unser Ideal war der Aufbau einer Linksfront, durch die Koalition von PT, PCdoB und der „Republikanische Partei der sozialen Ordnung“ (Pros). Aber in der zweiten Runde ist Haddad, wegen der faschistischen Bedrohung, nun nicht mehr nur der Kandidat der Linken, sondern eines breiten und historischen demokratischen Lagers, mit unzähligen Parteien, Bewegungen, Institutionen und Persönlichkeiten. Anwälte und Juristen haben ein Manifest mit mehr als 1 500 Unterschriften für unsere Kandidatur herausgebracht.
Unsere Plattform der Verteidigung der Demokratie, der Freiheit und der Wahrheit stärkt sich zusehends; so können wir am 28. Oktober noch gewinnen.
UZ: Wie ist die derzeitige soziale und wirtschaftliche Lage in Brasilien? Welche Rolle spielt die Korruption tatsächlich?
Manuela d’Avila: Die Korruption ist eine Konstante in der brasilianischen Gesellschaft. Wer nicht untersucht wird, wird nicht bestraft – aber sie dient doch immer als Vorwand für Manöver und Staatsstreiche. So geschehen mit den früheren Präsidenten Getúlio Vargas, João Goulart, Lula da Silva und Dilma, die sich weder an der Politik bereichert hatten noch korrupte Praktiken hatten, aber unerbittlich verfolgt wurden.
Mit der Verfassung von 1988 schuf Brasilien Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung. Danach war es zweifellos die Regierung Lula, die die meisten Maßnahmen gegen illegale Bereicherung an öffentlichen Geldern durchsetzte. Kontrollorgane wurden gestärkt, was ermöglichte, dass noch mehr Verfahren eingeleitet und Verbrechen bestraft wurden. Trotz der Fortschritte hatten wir keinen genügenden Erfolg. Wie Fernando Haddad sagt, sind die staatlichen Betriebe weniger geschützt als die Ministerien – und die Korrumpierenden, vor allem die Unternehmer, genießen offensichtlich mehr Protektion bei ihren dunklen Vereinbarungen mit der Justiz, für die es oft keine Beweise gibt. Als PCdoB sind wir dafür, dass nach allen Beweisen und nach allen Instanzen die Schuldigen bestraft werden müssen, ohne Ausnahme.
Unsere Gegner haben das Thema genutzt, um eine mehr moralische als programmatische Wahlkampagne zu führen. Bolsonaro selbst hat ein Regierungsprogramm vorgestellt und betont, dass er zu keiner Debatte vor der Stichwahl bereit ist. Zur Korruptionsbekämpfung gibt es keinerlei Vorschlag von ihm. Nach etwas mehr als zwei Jahren wirtschaftlicher Rezession und einem Staatsstreich, der eine gewählte Präsidentin aus dem Amt warf, wollen unsere Konkurrenten nicht über einen konkreten Ausweg für unser Land reden. Wir sind in einer tiefen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise, mit über zwölf Millionen Arbeitslosen, steigender Verschuldung der Familien, Deindustrialisierung und Semistagnation des BIP. Wenn es nach Bolsonaro – und auch großen Teilen der Medien – geht, dann wird nichts davon gründlich debattiert.
Manuela d’Avila: Die Korruption ist eine Konstante in der brasilianischen Gesellschaft. Wer nicht untersucht wird, wird nicht bestraft – aber sie dient doch immer als Vorwand für Manöver und Staatsstreiche. So geschehen mit den früheren Präsidenten Getúlio Vargas, João Goulart, Lula da Silva und Dilma, die sich weder an der Politik bereichert hatten noch korrupte Praktiken hatten, aber unerbittlich verfolgt wurden.
Mit der Verfassung von 1988 schuf Brasilien Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung. Danach war es zweifellos die Regierung Lula, die die meisten Maßnahmen gegen illegale Bereicherung an öffentlichen Geldern durchsetzte. Kontrollorgane wurden gestärkt, was ermöglichte, dass noch mehr Verfahren eingeleitet und Verbrechen bestraft wurden. Trotz der Fortschritte hatten wir keinen genügenden Erfolg. Wie Fernando Haddad sagt, sind die staatlichen Betriebe weniger geschützt als die Ministerien – und die Korrumpierenden, vor allem die Unternehmer, genießen offensichtlich mehr Protektion bei ihren dunklen Vereinbarungen mit der Justiz, für die es oft keine Beweise gibt. Als PCdoB sind wir dafür, dass nach allen Beweisen und nach allen Instanzen die Schuldigen bestraft werden müssen, ohne Ausnahme.
Unsere Gegner haben das Thema genutzt, um eine mehr moralische als programmatische Wahlkampagne zu führen. Bolsonaro selbst hat ein Regierungsprogramm vorgestellt und betont, dass er zu keiner Debatte vor der Stichwahl bereit ist. Zur Korruptionsbekämpfung gibt es keinerlei Vorschlag von ihm. Nach etwas mehr als zwei Jahren wirtschaftlicher Rezession und einem Staatsstreich, der eine gewählte Präsidentin aus dem Amt warf, wollen unsere Konkurrenten nicht über einen konkreten Ausweg für unser Land reden. Wir sind in einer tiefen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise, mit über zwölf Millionen Arbeitslosen, steigender Verschuldung der Familien, Deindustrialisierung und Semistagnation des BIP. Wenn es nach Bolsonaro – und auch großen Teilen der Medien – geht, dann wird nichts davon gründlich debattiert.
UZ: Wie bewertest du die vierzehnjährige Regierungszeit der PT?
Manuela d’Avila: Die Regierungen Lula und Dilma Rousseff (2003 bis 2016) waren von einer Reihe historischer Fortschritte gekennzeichnet, vor allem beim Kampf gegen die gesellschaftliche Ungleichheit. Wir haben 20 Millionen Arbeitsplätze generiert, eine Politik der Wertsteigerung des Mindestlohns eingeführt, wir sprangen von drei auf acht Millionen Universitätsstudierender, wir haben die Kindersterblichkeit auf fast Null reduziert.
Bis 2014 war das Wirtschaftswachstum beständig und ermöglichte eine Investitionspolitik bei öffentlichen Bauten der Infrastruktur, der städtischen Mobilität und bei Wohnungen. Die sogenannte „aktive und stolze“ Außenpolitik hat die Rolle Brasiliens in der Geopolitik angehoben. Wir waren Austragungsort der Fußball-WM und der Olympischen Spiele innerhalb von gerade zwei Jahren – bis dato hatte es das nicht gegeben in einem Staat der südlichen Hemisphäre.
Die PCdoB, selbst in der Regierung, unterließ es nie, auf Widersprüche hinzuweisen. Wir waren zum Beispiel gegen die hohen Zinsen und immer haben wir demokratisierende Reformen eingefordert, die nicht kamen. 2018 die Wahlen zu gewinnen wäre eine Gelegenheit, auf den erfolgreichen Weg zurückzukehren, ohne die jetzt noch dringendere Forderung nach strukturellen Änderungen zu vergessen.
UZ: Mit welchen Inhalten tritt die PCdoB im Wahlkampf auf und wo unterscheidet sie sich von der PT?
Manuela d’Avila: Als ich Vorkandidatin zur Präsidentschaft war, stellte die PCdoB ein programmatisches Manifest vor. Aber Anfang August, als wir uns mit der PT zusammentaten, haben wir die Vorschläge von allen Seiten her debattiert und kamen zu einer gemeinsamen Plattform von großem Konsens. Die PCdoB half unter anderem dabei, eine progressivere und gerechtere Steuerreform zu entwerfen, gleichzeitig wurden Frauenrechtsvorschläge gemacht. Zuletzt kündigte Haddad an – mit unserer Zustimmung –, dass es derzeit nicht angemessen sei, eine Verfassunggebende Versammlung einzuberufen.
Manuela d’Avila: Die Regierungen Lula und Dilma Rousseff (2003 bis 2016) waren von einer Reihe historischer Fortschritte gekennzeichnet, vor allem beim Kampf gegen die gesellschaftliche Ungleichheit. Wir haben 20 Millionen Arbeitsplätze generiert, eine Politik der Wertsteigerung des Mindestlohns eingeführt, wir sprangen von drei auf acht Millionen Universitätsstudierender, wir haben die Kindersterblichkeit auf fast Null reduziert.
Bis 2014 war das Wirtschaftswachstum beständig und ermöglichte eine Investitionspolitik bei öffentlichen Bauten der Infrastruktur, der städtischen Mobilität und bei Wohnungen. Die sogenannte „aktive und stolze“ Außenpolitik hat die Rolle Brasiliens in der Geopolitik angehoben. Wir waren Austragungsort der Fußball-WM und der Olympischen Spiele innerhalb von gerade zwei Jahren – bis dato hatte es das nicht gegeben in einem Staat der südlichen Hemisphäre.
Die PCdoB, selbst in der Regierung, unterließ es nie, auf Widersprüche hinzuweisen. Wir waren zum Beispiel gegen die hohen Zinsen und immer haben wir demokratisierende Reformen eingefordert, die nicht kamen. 2018 die Wahlen zu gewinnen wäre eine Gelegenheit, auf den erfolgreichen Weg zurückzukehren, ohne die jetzt noch dringendere Forderung nach strukturellen Änderungen zu vergessen.
UZ: Mit welchen Inhalten tritt die PCdoB im Wahlkampf auf und wo unterscheidet sie sich von der PT?
Manuela d’Avila: Als ich Vorkandidatin zur Präsidentschaft war, stellte die PCdoB ein programmatisches Manifest vor. Aber Anfang August, als wir uns mit der PT zusammentaten, haben wir die Vorschläge von allen Seiten her debattiert und kamen zu einer gemeinsamen Plattform von großem Konsens. Die PCdoB half unter anderem dabei, eine progressivere und gerechtere Steuerreform zu entwerfen, gleichzeitig wurden Frauenrechtsvorschläge gemacht. Zuletzt kündigte Haddad an – mit unserer Zustimmung –, dass es derzeit nicht angemessen sei, eine Verfassunggebende Versammlung einzuberufen.
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