Dienstag, 30. Oktober 2018

Nicht nur Geschäftspartner Erdogans: Prozesse, Verfahren und Abschiebungen für Erdogan-Kritiker sind Alltag der politischen Partnerschaft – nicht nur beim Journalisten Adil Yigit


Der DIRTY DEAL: Merkels Pakt und Erdogans BeitragDer türkische Regierungskritiker und Journalist Adil Yigit wird Ende Januar aus Deutschland ausgewiesen. Er habe den Bescheid am Freitag bekommen, sagte Yigit (60). Seit mehr als 35 Jahren lebt er in Deutschland. Jetzt soll der Hamburger Journalist und Erdoğan-Kritiker Adil Yiğit abgeschoben werden – in seine türkische Heimat. Am Freitag erreichte Yiğit die Nachricht, dass der Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis abgelehnt wird und er Deutschland bis zum 22. Januar verlassen muss. Andernfalls würde er auf eigene Kosten abgeschoben werden, heißt es in dem Bescheid, der der taz vorliegt. Die Mitteilung sei für ihn überraschend gekommen, sagt Yiğit. Zwar teilte ihm die Ausländerbehörde im November mit, dass beabsichtigt sei, den Antragt auf Aufenthaltserlaubnis abzulehnen, noch vor Kurzem hätte ihm die Behörde aber in einem Gespräch signalisiert, eine Regelung finden zu wollen. „Der rot-grüne Senat sollte sich schämen“, sagt er. Yiğit vermutet politische Gründe hinter der Ablehnung. Die Behörde erklärt, dass Yiğit die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nicht erfülle. Denn er lebe weder mit seinen Kindern zusammen noch gehe er einer Beschäftigung nach. Zwei seiner Kinder leben zur Zeit mit ihrer Mutter im Ausland. Als Journalist findet er nach eigenen Angaben keinen Job…“ – aus dem Beitrag „Erdoğan-Gegner soll in die Türkei zurück“ von Marthe Ruddat am 28. Oktober 2018 in der taz externer Link über die geplante Abschiebung des Mannes, der mit seinem T-Shirt von einer Pressekonferenz beim Erdogan-Besuch entfernt wurde (ohne dass irgendein Journalist dagegen protestiert hätte, siehe unser Dossier zum Besuch)… Siehe dazu auch zwei Beiträge zu Prozessen und Verfahren, die in Erdogans Sinne inszeniert werden:
  • „Von Saarbrücken bis zur Frontlinie. Wie Rojava in deutsche Gerichtssäle gebracht wird“ von Robert Coppi am 16. Oktober 2018 beim re:volt Magazin externer Link berichtet einleitend:“ Am 17.10.2018 wird mehreren linken Aktivist*innen in Saarbrücken der Prozess gemacht, welche in der dortigen Hauptsparkasse vor über drei Jahren gegen eine Kontoschließung protestierten. Im Oktober 2014, als der sogenannte Islamische Staat (Daesh) begann Kobanê zu überfallen, wurde von der Initiative „Solidarität mit Rojava“ ein Spendenkonto eingerichtet. Dessen Inhalt sollte der Selbstverwaltung Rojavas übergeben werden. Innerhalb weniger Monate wurden über 109.000€ gesammelt. Die Spendenbereitschaft war hoch zu dieser Zeit. Der Kampf gegen Daesh bestimmte die Schlagzeilen. Dessen effektivste Gegner*innen, die kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG und YPJ wurden bis in die Mitte der deutschen Gesellschaft hinein gefeiert. Im August 2014 gelang es den YPJ/YPG und der Guerilla der PKK (HPG) einen Fluchtkorridor aus dem von Daesh besetzten Şengal nach Rojava frei zu kämpften. Daraufhin fanden diese Einheiten und das Projekt Rojava international große Beachtung. Die gesamte Weltöffentlichkeit schaute auf den Kampf um Kôbane, der Sieg der Genoss*innen gegen Daesh wurde von vielen begeistert aufgenommen. (…)Im April 2015 wurde das Spendenkonto dann von der Sparkasse Saarbrücken gesperrt. Zunächst gab sie hierfür keine Gründe an. Später begründete die Sparkasse ihr Vorgehen damit, dass das Geld für PKK-nahe Kämpfer bestimmt sei, diese Organisation sei in Deutschland verboten.  Das PKK Verbot diente hier also, wie in vielen anderen Fällen, als Handhabe zur Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung. Dies geschah in diesem Fall darüber hinaus in Eigeninitiative der Bank – der Staat musste nicht eingreifen. Als Reaktion auf dieses Vorgehen fand am 19.05.2015 eine Sitzblockade in den Geschäftsräumen der Sparkasse statt…
  • „Systematische Kriminalisierung von Anti-IS-Kämpfer*innen“ am 27. Oktober 2018 bei der ANF externer Link über die sich ausbreitende Praxis, jene zu verfolgen, die gegen Isis gekämpft haben, zitiert einen Kommentar auf die Antwort einer parlamentarischen Anfrage: „Dem Bundeskriminalamt sind 32 Ermittlungsverfahren bekannt. Es können weitaus mehr durch die jeweilige Länderpolizei sein. 27 Ermittlungsverfahren wurden nach Paragraph 129b des Strafgesetzbuches – der „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ eingeleitet. 16 der Verfahren wurden wegen „Absehen von der Verfolgung von Auslandstaten“ wieder eingestellt. Weitere Verfahren wurden gegen die übrigen Personen wegen „Verdachts des Vorbereitens einer schweren staatsgefährdenden Straftat“, „Verstoß gegen das Vereinsgesetz“ und des „Anwerbens für einen fremden Wehrdienst“ geführt. 19 der so Kriminalisierten sind im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft, sechs der türkischen, weitere verfügen über irakische, österreichische und polnische Staatsangehörigkeiten oder sind staatenlos. Die genannten Ermittlungsparagraphen ermächtigen die Behörden zur Benutzung des vollen Spektrums der Ausforschung und Kriminalisierung. Ulla Jelpke kommentierte die Antwort der Bundesregierung: „Ich halte aber schon die Aufnahme solcher Ermittlungen für eine ausgemachte Sauerei: Einerseits ist Deutschland Partner in der internationalen Allianz gegen den IS, andererseits wirft es Freiwilligen, die gegen die Terroristen vorgehen, vor, selbst Teil einer Terrorgruppe zu sein. Dahinter steht die alte, unselige Haltung der Kumpanei mit dem türkischen Regime, das den Kampf der kurdischen Selbstverwaltung in Rojava für ‚Terrorismus‘ hält.“…“

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