Letzte Direktwahl
Aussichtsreiche Kandidatin: Wahlplakat mit dem Bild von Salome Surabischwili an einer Bushaltestelle in Tbilissi (26.10.2018)
Foto: David Mdzinarishvili /REUTERS
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In Georgien wird am Sonntag der nächste Staatspräsident der südkaukasischen Republik gewählt. Um das höchste Staatsamt in dem 3,7 Millionen Einwohner zählenden Land von der Größe Bayerns bewerben sich insgesamt 25 Kandidaten.
Mit Unterstützung der Regierungspartei »Georgischer Traum« tritt Salome Surabischwili an. Die 66jährige Politikerin wurde in Frankreich geboren, studierte an der Elitehochschule »Sciences Po« und war ursprünglich im diplomatischen Dienst tätig. Anfang des Jahrhunderts als französische Botschafterin nach Georgien entsandt, ließ sie sich vom damaligen Präsidenten Micheil Saakaschwili abwerben und zur Außenministerin machen. Sie amtierte allerdings nur ein halbes Jahr, bevor sie sich mit Saakaschwili zerstritt und eine eigene Partei gründete. Surabischwili gilt der georgischen Rechten als »unpatriotisch«, weil sie Saakaschwili vorwirft, 2008 einer russischen Provokation aufgesessen zu sein und das Land in einen – soviel Realismus hat sie in der Pariser Diplomatenausbildung gelernt – nicht zu gewinnenden Krieg um Südossetien gestürzt zu haben.
Ihr wichtigster Gegenspieler ist Grigol Waschadse von der »Vereinten Nationalbewegung« Saakaschwilis. Er gilt als Statthalter des prowestlichen Expräsidenten, der selbst nicht antreten konnte, weil er erstens seine georgische Staatsbürgerschaft im Zuge seines Karriereversuchs in der Ukraine abgegeben hatte und zweitens wegen Korruption und Amtsmissbrauch in Abwesenheit zu sechs Jahren Haft verurteilt ist. Waschadses Hauptaufgabe dürfte darin bestehen, im Falle eines Wahlsiegs Saakaschwili zu begnadigen und ihm damit den Weg zurück nach Georgien zu ebnen. Auch etliche weitere Kandidaten haben in Saakaschwilis Partei gearbeitet, so dass sich das Bild einer im Grunde fortdauernden Hegemonie des von Saakaschwili verkörperten prowestlichen und antirussischen Nationalismus über Parteigrenzen hinweg bietet.
Fast schon ein Lichtblick ist vor diesem Hintergrund der Spaßkandidat Surab Dschaparadze, der als wichtigsten Programmpunkt die Freigabe von Cannabis propagiert und seine Wahlwerbung auf Georgiens größtem Pornoportal schaltet. Dort, behauptet er, werde er aufmerksamer wahrgenommen als auf Straßenplakaten. Inhaltlich war der als »schmutzigster seit der Unabhängigkeit« beschriebene Wahlkampf geprägt von gegenseitigen Korruptionsvorwürfen und allerlei zwielichtigen Enthüllungen.
Im übrigen ist Georgien offenbar geprägt von einer kulturellen Reaktion auf vielen Gebieten. Die 2017 von der Regierungspartei verabschiedete neue Verfassung des Landes hat zum Beispiel die Ehe wieder zur Verbindung von Mann und Frau erklärt, nachdem sie zuvor als »freiwillige Verbindung zweier Menschen« definiert war, was auch gleichgeschlechtlichen Paaren die Heirat ermöglicht hatte. Hinter dieser Änderung steht die einflussreiche und erzkonservative georgisch-orthodoxe Kirche. Sie organisiert auch Massenkundgebungen in Tbilissi, bei der Homosexuelle öffentlich verflucht werden. Die Frustration von Teilen der georgischen Intelligenz über diese erstickende innenpolitische Atmosphäre war auch anlässlich der letzten Buchmesse in Frankfurt am Main spürbar, auf der Georgien Ehrengast war. Die Feuilletons georgischer Schriftsteller, die aus diesem Anlass in der bürgerlichen Presse erschienen, beschrieben die georgische Gesellschaft als xenophob, hasserfüllt und missgelaunt.
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