Montag, 1. Oktober 2018

Mutmaßliche Rechtsterroristen sollen Umsturz Deutschlands geplant haben

Die am Montag verhafteten Mitglieder der mutmaßlichen Terrorgruppe „Revolution Chemnitz“ sollen den rechtsradikalen Umsturz der Bundesrepublik geplant haben. Demnach wollten die Männer mehr erreichen als der NSU.
 Nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden soll die mutmaßliche Rechtsterrorgruppe „Revolution Chemnitz“ den rechtsradikalen Umsturz der Bundesrepublik geplant haben, wie die Bundesanwaltschaft bestätigte. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ soll das aus abgehörten Telefonaten und Chats der siebenköpfigen Gruppe hervorgehen, von der die Bundesanwaltschaft sechs Mitglieder jetzt festnehmen ließ.
Laut dem Medienbericht wollte Revolution Chemnitz mehr bewirken als der Nationalsozialistische Untergrund (NSU). Diese rechte Terrorgruppe um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hatte zehn Menschen ermordet, 15 Raubüberfälle begangen und drei Bomben gelegt. Die Mitglieder von Revolution Chemnitz sollen untereinander gesagt haben, nicht nur Angst und Schrecken verbreiten zu wollen. Ihr Ziel soll es gewesen sein, die Gesellschaft ganz umzuwälzen. Den NSU sollen sie als Stürmertruppe und blutige Anfänger bezeichnet haben.
Wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung war gegen zwei der Männer aus Sachsen Untersuchungshaft angeordnet worden. Wie die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler, am Montag in Karlsruhe mitteilte, handelt es sich um die mutmaßliche Führungsfigur, den 31-jährigen Christian K., sowie um Thomas W. Zwei weitere Verdächtige sollten noch am Montag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, die anderen am Dienstag.

Ein Verdächtiger wurde bereits am 14. September festgenommen

Kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit hat der Generalbundesanwalt in Sachsen und Bayern sechs Männer wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung festnehmen lassen. Die Gruppe wollte am 3. Oktober zuschlagen, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Details zu Anschlagsplanungen gab es noch nicht. Die Mitglieder sollen jedoch bewaffnete Angriffe auf Ausländer und Politiker geplant haben. Die Männer wollten demnach mit Gewalt gegen den Rechtsstaat kämpfen und hatten sich auch um halb automatische Schusswaffen bemüht.
Die Polizei durchsuchte mehrere Wohnungen und weitere Räumlichkeiten in Sachsen. Die sechs festgenommenen Deutschen sind dringend verdächtig, gemeinsam mit dem Rädelsführer Christian K. eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet zu haben, hieß es aus Karlsruhe. Der 31-jährige Christian K. war bereits am 14. September wegen besonders schweren Landfriedensbruchs festgenommen worden und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Wie K. sollen auch fünf der nun festgenommenen Männer an diesem Tag mit Glasflaschen, Quarzhandschuhen und einem Elektroschocker auf der Schlossteichinsel in Chemnitz Ausländer angegriffen und verletzt haben.
Die Täter hätten sich laut Zeugenaussagen als „Bürgerwehr“ definiert. Nach bisherigen Erkenntnissen gehören die Beschuldigten der Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene im Raum Chemnitz an und sollen sich als führende Personen in der rechtsextremistischen Szene Sachsens verstanden haben. Nach den Ermittlungen hatten sie sich spätestens am 11. September 2018 zur Gruppierung Revolution Chemnitz zusammengeschlossen.
Damit fällt die Gründung in die Zeit kurz nach den fremdenfeindlichen Übergriffen und Protesten in Chemnitz. Auslöser dafür war der gewaltsame Tod eines 35-jährigen Deutschen am Rande eines Stadtfestes. Tatverdächtig sind drei Asylbewerber. Es folgten von Hooligans geprägte Demonstrationen und sogenannte Trauermärsche, bei denen es zu ausländerfeindlichen Übergriffen kam. Ein Video, das eine kurze Jagdszene zeigt, löste eine Debatte über den Begriff „Hetzjagd“ aus. Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hatte zunächst die Echtheit des Videos angezweifelt. Wenig später musste er seinen Posten räumen.

Die Bundesanwaltschaft erklärte, die Mitglieder sollen Angriffe auf Ausländer und politisch Andersdenkende geplant haben. „Zu den politisch Andersdenkenden zählen die Beschuldigten den Erkenntnissen zufolge auch Vertreter des politischen Parteienspektrums und Angehörige des gesellschaftlichen Establishments.“
Die sechs nun Festgenommenen und auch Christian K. sollen nun dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheidet. Karlsruhe ermittelt auch im Fall des schweren Landfriedensbruchs vom 14. September, hieß es.
Die Politik reagierte mit Erleichterung, aber auch mit Forderungen nach einem härteren Vorgehen gegen Rechtsextremisten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warnte vor einer generell unverändert hohen Terrorgefahr. Zugleich begrüßte er die Festnahmen. „Das ist die Realisierung unseres Grundsatzes ‚Null Toleranz gegenüber Rechtsradikalen und Rechtsextremisten‘.“

„Von rechtem Terror geht reale und große Gefahr aus“

„Von rechtem Terror geht reale und große Gefahr aus“, sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Hooligans, Skinheads und Neonazis schließen sich zu gefährlichen Gruppen zusammen, um mit schweren Gewalttaten Angst und Hass zu verbreiten.“
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sprach von einem entscheidenden Schlag im Kampf gegen Rechtsextremismus: „Wer aus niederen Motiven Anschläge auf Ausländer, Amtsträger, Politiker oder andere Menschen plant, dem begegnet das Gesetz zu Recht mit ganzer Härte.“
Die Linke im Sächsischen Landtag mahnte eine härtere Gangart gegen Rechtsextremisten an. „Dass die neue Zelle in Chemnitz entstanden ist, zeigt auch, welche Ausmaße die rassistische Radikalisierung vor Ort angenommen hat – und dass die Gefahr neonazistischer Gewalt hochpräsent ist“, betonte die Abgeordnete Kerstin Köditz.


„Dass der Generalbundesanwalt nach der Terrorgruppe Freital innerhalb von nicht einmal drei Jahren die nächsten Ermittlungen gegen eine mutmaßliche Terrorgruppe in Sachsen einleiten muss, macht deutlich, wie groß und existenziell das Problem mit Rechtsextremismus in Sachsen ist“, sagte der sächsische Grünen-Politiker Valentin Lippmann und warnte von Verharmlosungen der Szene.
„Wir müssen feststellen, dass Radikalisierung deutlich schneller erfolgt und die Hemmschwelle, mit massiver Gewalt gegen vermeintlich „andere“ vorzugehen, inzwischen erschreckend niedrig ist“, sagte der sächsische SPD-Innenexperte Albrecht Pallas. „Der Rechtsstaat muss jeglichen Extremismus konsequent verfolgen. Wenn sich der Verdacht bewahrheiten sollte, müssen die Täter angemessen bestraft werden“, erklärte AfD-Fraktionschef Jörg Urban.
Einen der sechs festgenommenen mutmaßlichen Rechtsterroristen hat die Polizei in Mittelfranken gefasst. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen war der Verdächtige zu einer Montage in Stuttgart unterwegs, kommt aber aus Sachsen. Der Zugriff vom mobilen Einsatzkommando der Polizei erfolgte in der Nacht zum Montag an einer Raststätte nahe Aurach bei Ansbach.

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