Die Bundesanwaltschaft hat am Montag sechs Rechtsextremisten festnehmen lassen. Sie sollen mit einem bereits Inhaftierten Planungen für den Tag der Einheit verfolgt und sich um Schusswaffen bemüht haben. Der Übergriff auf der Chemnitzer Schlossteichinsel diente demnach als "Probelauf".
Die Bundesanwaltschaft hat am Montag in Sachsen und Bayern wegen Terrorverdachts sechs Männer festgenommen. Sie sind dringend verdächtig, mit einem 31-jährigen bereits in U-Haft sitzenden Mann die rechtsterroristische Vereinigung "Revolution Chemnitz" gegründet zu haben. Der 31-Jährige war schon am 14. September wegen besonders schweren Landfriedensbruchs festgenommen worden und sitzt seither in Untersuchungshaft. Gegen einen der am Montag Festgenommenen erging inzwischen Haftbefehl. Zwei weitere Verdächtige sollten noch am Montag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, die anderen am Dienstag.Einen der sechs Festgenommenen fasste die Polizei in Mittelfranken. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen war der Verdächtige zu einer Montage in Stuttgart unterwegs, kommt aber aus Sachsen. Der Zugriff vom mobilen Einsatzkommando der Polizei erfolgte in der Nacht zum Montag an einer Raststätte nahe Aurach bei Ansbach. Die anderen Männer waren in Sachsen festgenommen worden.
Wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte, wurden zudem mehrere Wohnungen und weitere Räumlichkeiten in Sachsen durchsucht. An dem Einsatz waren insgesamt über 100 Beamte der sächsischen Polizei beteiligt.
Zur Erinnerung: In Chemnitz hatte es Ende August und im September fremdenfeindliche Übergriffe und Proteste gegeben. Auslöser war der gewaltsame Tod eines 35-jährigen Deutschen am Wochenende des Chemnitzer Stadtfestes. Tatverdächtig sind drei Asylbewerber. Es folgten von Hooligans angeführte Demonstrationen und sogenannte Trauermärsche, bei denen es zu ausländerfeindlichen Übergriffen kam. Ein Video, das eine kurze Jagdszene zeigt, löste eine Debatte über den Begriff "Hetzjagd" aus. Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hatte zunächst die Echtheit des Videos angezweifelt. Wenig später musste er seinen Posten räumen.
Laut Bundesanwaltschaft gehören die Beschuldigten der Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene im Raum Chemnitz an und sollen sich als führende Personen in der rechtsextremistischen Szene Sachsens verstanden haben. Spätestens am 11. September hätten sie sich zu "Revolution Chemnitz" zusammengeschlossen, wobei der 31-Jährige eine Führungsposition übernommen haben soll.
Nach Angaben der Ermittler verfolgten die Beschuldigten auf der Grundlage ihrer rechtsextremistischen Gesinnung "ein 'revolutionäres', auf die Überwindung des demokratischen Rechtsstaates gerichtetes Ziel." So sollen sie gewalttätige Angriffe und bewaffnete Anschläge auf Ausländer und politisch Andersdenkende geplant haben - etwa Vertreter des politischen Parteienspektrums und Angehörige des gesellschaftlichen Establishments, so die Bundesanwaltschaft.
Dazu sollen sie sich bemüht haben, sich halbautomatische Schusswaffen zu besorgen. Solche wurden bei den Durchsuchungen am Montag nicht gefunden, jedoch gefährliche Gegenstände, so die Bundesanwaltschaft. Dazu gehört auch ein Luftgewehr.
Am 14. September sollen vier Beschuldigte bewaffnet mit Glasflaschen, Quarzhandschuhen und einem Elektroimpulsgerät mit weiteren gewaltbereiten Anhängern anderer rechtsextremer Gruppen auf der Schlossteichinsel in Chemnitz Menschen ausländischer Herkunft angegriffen und verletzt haben. Eines der Opfer wurde durch den Wurf einer Glasflasche am Hinterkopf verletzt.
Der Übergriff sollte laut Ermittlern ein Probelauf für ein am Tag der Einheit geplantes, aber noch nicht näher aufgeklärtes Geschehen sein.
Die Bundesanwaltschaft hatte am 21. September Ermittlungen unter anderem wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet. Sie sieht Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinigung ein terroristisches Ziel verfolgt und hatte wegen des Geschehens vom 14. September auf der Schlossteichinsel in Chemnitz das Verfahren wegen Verdachts des besonders schweren Landfriedensbruchs übernommen.
Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig reagierte erleichtert auf die Aufdeckung der mutmaßlichen rechten Terrorgruppe. "Ich bin froh, dass es dieses Ermittlungsergebnis gegeben hat, dass die Polizei auch entsprechend diesen Tätern hinterher ist", sagte die SPD-Politikerin.
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) sprach in einer ersten Reaktion von einem entscheidendem Schlag gegen den Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus. "Wer aus niederen Motiven Anschläge auf Ausländer, Amtsträger, Politiker oder andere Menschen plant, dem begegnet das Gesetz zu Recht mit ganzer Härte", so Wöller. Der Minister kündigte zudem die Gründung einer schnellen Eingreiftruppe an. Die Task Force Gewaltdelikte solle im Polizeilichen Terrorismus- und Abwehrzentrum ihre Arbeit aufnehmen.
Die Linken fordert unterdessen ein härteres Vorgehen gegen Rechtsextreme. "Dass die neue Zelle in Chemnitz entstanden ist, zeigt auch, welche Ausmaße die rassistische Radikalisierung vor Ort angenommen hat - und dass die Gefahr neonazistischer Gewalt hochpräsent ist", erklärte die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz am Montag. Das sei ein Warnsignal auch für die Politik. Nach allerlei unsachlichen Beschwichtigungen sei es an der Zeit, bei der Zurückdrängung der extremen Rechten "endlich eine andere Gangart an den Tag zu legen".
Albrecht Pallas, Sprecher für Innenpolitik der SPD-Fraktion im Landtag, erklärte, die Festnahmen zeigten, dass der Rechtsstaat Bedrohungen erkenne, schnell handele und konsequent durchgreife und dass es eine konkrete Gefahr durch rechten Terrorismus gebe. Radikalisierung erfolge deutlich schneller und die Hemmschwelle, mit massiver Gewalt gegen vermeintlich "Andere" vorzugehen, sei inzwischen erschreckend niedrig.
Bundesjustizministerin Katarina Barley sieht unterdessen eine Bedrohung von rechts. "Von rechtem Terror geht reale und große Gefahr aus", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Bundesinnenminister Horst Seehofer warnte am Montag vor einer generell unverändert hohen Terrorgefahr. "Und das heißt übersetzt, dass mit einem Anschlag jederzeit gerechnet werden muss", sagte der CSU-Chef.
Das Bündnis "Chemnitz Nazifrei" rief angesichts der Ermittlungen für heute, 17 Uhr zu einer Spontandemo am Marx-Monument auf, um erneut ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. (fp/dpa)
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