Mittwoch, 23. August 2017

Rechte reiten islamophobe Welle


Terrorzelle in Katalonien zerschlagen / Hetze und Übergriffe gegen Muslime

Die römisch-katholische Basilika La Sagrada Familia in Barcelona vor dem Abendhimmel - auch sie war offenbar Anschlagsziel der Terrorzelle in Katalonien.
Die römisch-katholische Basilika La Sagrada Familia in Barcelona vor dem Abendhimmel - auch sie war offenbar Anschlagsziel der Terrorzelle in Katalonien.
Nach dem Geständnis eines der Terrorverdächtigen von Barcelona fahndet die Polizei nach Mitwissern. Beamte starteten laut Polizeiangaben in der Nacht zu Mittwoch mehrere Razzien, um ein mögliches Unterstützer-Netzwerk der Terrorzelle ausfindig zu machen. Die Ermittler gingen auch Spuren ins Ausland nach. Bei einer ersten Vernehmung vom Ermittlungsrichter der vier überlebenden Verdächtigen waren am Dienstag wichtige Details der Anschlagsplanung bekannt geworden.
 
DNA-Auswertungen bestätigten inzwischen, dass auch der Imam der katalanischen Kleinstadt Ripoll bei der Explosion im südkatalanischen Alcanar am Vorabend der Attentate in Barcelona und Cambrils ums Leben kam. Bei der Herstellung von Acetonperoxid (Apex) flogen drei Islamisten in die Luft. Ein Überlebender Mohamed Houli, hat dem Ermittlungsrichter Fernando Andreu am Nationalen Gerichtshof in Madrid bestätigt, dass »große Anschläge« auf Tourismusziele in Barcelona geplant gewesen seien, darunter auch auf die Basilika Sagrada Familia. Der 21-jährige Spanier aus Melilla hatte, wie die Mehrzahl der Terroristen in Ripoll gelebt. Demnach soll der Imam Abdelbaki Es Satty der Kopf der Zelle gewesen sein. Der habe sich mit einer echten Sprengstoffweste in die Luft jagen wollen, der auch in Alcanar gefunden wurde. Younes Abouyaaqoub, der am Montag in Subirats nahe Barcelona erschossen wurde und die fünf in Cambrils erschossenen Zellenmitglieder hatten nur Attrappen angelegt.
Neben Houli kam auch Driss Oubakir in Untersuchungshaft. Sein Pass war in dem Lieferwagen gefunden worden, mit dem Abouyaaqoub auf Todesfahrt ging. Auf der Flucht erstach er noch Pau Pérez in Barcelona - das 14. Opfer -, um dessen Auto als Fluchtwagen zu nutzen. Oubakir hatte bisher behauptet, sein Bruder habe seinen Pass gestohlen, um zwei Lieferwagen zu mieten. Er gab nun aber zu, es selbst getan zu haben. Dass sie für einen Umzug dienen sollten, nahm ihm der Richter nicht ab. Für einen weiteren Verdächtigen wurde das Gewahrsam um 72 Stunden verlängert, ein anderer wurde unter Auflagen freigelassen.
Versiegeltes Haus in Ripoll, indem sich islamistische Attentäter von Barcelona und Cambrils aufgehalten haben.
Versiegeltes Haus in Ripoll, indem sich islamistische Attentäter von Barcelona und Cambrils aufgehalten haben.
Internationale Verflechtungen stehen nun im Vordergrund der Ermittlungen. Vier Zellenmitglieder waren nur fünf Tage vor den Anschlägen in Paris und übernachteten dort. Die französischen Behörden bestätigten Abouyaaqoub als Fahrer, der in eine Radarfalle fuhr. Benutzt wurde der Audi A3, der beim Anschlag im Küstenort Cambrils benutzt wurde. Licht wollen die Ermittler auch in Besuche in Belgien und der Schweiz bringen, vor allem der Imam war oft in Belgien. Auch in Marokko wird gefahndet. Von dort war der inhaftierte Driss Oubakir erst am 13. August zurückgekehrt, wo derweil ein Cousin und eine weitere Person festgenommen wurden.
Während viele islamische Gemeinden und Organisationen gegen den Terrorismus demonstrieren, versuchen spanische Rechtsradikale, die Anschläge für ihre Hetze zu nutzen. Es gab schon Angriffe auf Moscheen in Madrid, Sevilla, Granada und Logroño. In Valencia trat ein Mann in Puerto de Sagunto auf einen 14-jährigen Marokkaner ein, den er als »Drecksaraber« beschimpfte und ihm den Tod androhte. Versucht wurde auch, Versammlungen zu organisieren. In Toledo blieb ein Dutzend Rassisten aber unter sich. In Barcelona wurden etwa 20 Neofaschisten von zahllosen Menschen vertrieben.
Im Internet stellt die »Plattform gegen Islamophobie« eine »brutale islamophobe Welle« fest. Deren Sprecher Esteban Ibarra, einst in der Franco-Diktatur politischer Gefangener, spricht von »sehr brutalen und sehr massiven Angriffen«, die sofort in sozialen Medien lanciert worden seien. Es sei deutlich schlimmer, als nach dem islamistischen Massaker 2004 in Madrid, als 191 Menschen ermordet wurden. Ibarra glaubt, damals hätten viele einen Zusammenhang zum illegalen Krieg in Irak gesehen, in den die rechte Volkspartei (PP) das Land gegen den Willen von 90 Prozent der Bevölkerung geführt habe. Damals sei vor allem die Politik aufs Korn genommen worden, heute der Islam. Er meint, die Hetzwelle habe gerade erst begonnen.

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