Mittwoch, 23. August 2017

Braune Nostalgie beim KSK – keine Überraschung!

IMI-Standpunkt 2017/026 (Update: 21.8.2017)


von: Alexander Kleiß | Veröffentlicht am: 18. August 2017



Die ARD-Sendung Panorama berichtet von einer Abschiedsfeier für den Kompaniechef Pascal D. des Kommandos Spezialkräfte (KSK) am 27. April dieses Jahres. Demnach habe der verabschiedete Soldat auf der Feier auf einem Schießstand nahe Stuttgart einen Parcours – u.a. mit Bogenschießen und Schweinskopfwerfen – absolvieren müssen und sollte anschließend „als Hauptpreis“ Sex mit einer Frau haben, die extra zu diesem Zweck eingeladen worden war. Soweit bestätige die Bundeswehr den Vorfall, so Panorama. Zum Sex sei es jedoch nicht gekommen, weil der Betreffende zu betrunken gewesen sei. Dies wurde von der Bundeswehr offiziell bestätigt. Darüber hinaus berichtet die Frau jedoch, dass auf der Feier auch rechtsradikale Musik der neonazistischen Band Sturmwehr gespielt und der Hitlergruß gezeigt worden sei. Von den etwa 60 anwesenden Soldaten habe dies niemanden gestört. Vielmehr hätten die textsicheren Elite-Kämpfer „euphorisch“ mitgegrölt. Dies wollte die Bundeswehr nicht bestätigen, leitete jedoch entsprechende interne Ermittlungen ein. Auch die Staatsanwaltschaft Tübingen ermittelt mittlerweile.[1]
Diese Vorfälle sind entlarvend, jedoch keineswegs überraschend. Die im Geheimen agierende Spezialeinheit der Bundeswehr fiel schon mehrfach durch Skandale und Äußerungen auf, die zeigen, dass rechtes Gedankengut unter den KSK-Soldaten durchaus verbreitet zu sein scheint.
KSK-Kommandeur auf rechten Abwegen
Der ideologische Unterbau für Hitlergrüße bei internen Feiern kommt von ganz oben: Kommandeure des KSK propagieren ein dubioses Traditionsverständnis innerhalb der Einheit.[2] Ausführlich äußerte sich hierzu Reinhard Günzel, der drei Jahre lang Kommandeur des KSK war und 2003 entlassen wurde. Grund hierfür war ein Brief Günzels, in dem er antisemitische und  den Holocaust relativierende Aussagen[3] des damaligen CDU-Abgeordneten Hohmann lobte.[4] Günzel steht der rechtspopulistischen Partei Pro NRW nahe.[5] Nach seiner Entlassung trat er mehrfach in rechten Kreisen als Referent auf.[6] Günzel kritisiert in dem u.a. von ihm herausgegebenen Buch „Geheime Krieger“[7] die Umbenennung von Kasernen mit Wehrmachtbezug. Dies verhindere Traditionsbewusstsein und Korpsgeist innerhalb der Bundeswehr. Er wünscht sich einen stärkeren traditionellen Bezug auf die Wehrmacht. Deshalb begrüßt er auch die „intensive[n] Kontakte“ zum „Kameradenhilfswerk der 78. Sturm- und Infanteriedivision“ der Wehrmacht. Auch ein Verbotserlass des Verteidigungsministeriums habe nichts an der Freundschaft geändert, die inoffiziell weiterhin gepflegt werde.
Eine besondere Verbundenheit bestehe Günzel zufolge zur NS-Spezialeinheit „Brandenburger“, welche an Kriegsverbrechen der Wehrmacht beteiligt war und Partisanen auf dem Balkan mit besonderer Grausamkeit bekämpfte. Die Kommandosoldaten wüssten genau, wo ihre Wurzeln liegen: „Die Einsätze der ‚Brandenburger‘, der Vorläufer […] des KSK, gelten in der Truppe als geradezu legendär. Die Operationen der Division ‚Brandenburg‘ sind Lehrbeispiele erfolgreicher Kommandoeinsätze.“ Er selbst pflege langen freundschaftlichen Kontakt mit dem „Brandenburger“ und Ritterkreuzträger Wilhelm Walther. Das Selbstverständnis der deutschen Kommandotruppen habe sich seit dem Zweiten Weltkrieg nicht geändert. Den „Brandenburgern“ ist in Günzels Buch ein eigenes, 38-seitiges Kapitel gewidmet, was die hohe traditionsstiftende Bedeutung deutlich zu Tage treten lässt. Auch zu latent antidemokratischen Äußerungen ließ sich Günzel in „Geheime Krieger“ hinreißen. So sei „die größte Herausforderung des KSK nicht der äußere Feind, sondern […] die Widrigkeiten des bundesrepublikanischen Alltags“.
Seit der Entlassung Günzels vor 14 Jahren scheint sich bezüglich reaktionärer Haltungen in der Führungsebene nichts geändert zu haben. Zeit Online meldete am 18. August 2017, dass der stellvertretende Kommandeur des KSK, Oberst Thomas B., versetzt werden solle, weil sich eine zivile Beschäftigte über frauenfeindliche Witze, Drohungen und andere verbale Entgleisungen beschwert habe.[8]
Haufenweise Einzelfälle
Das rechte Gedankengut, das von den Kommandeuren zum Zweck der Traditionspflege durchaus erwünscht zu sein scheint, offenbart sich auch im Alltag des KSK, was an mehreren Fällen, die zufällig öffentlich wurden, ersichtlich wird.
Als sich die Soldaten des KSK im November 2001 auf der omanischen Halbinsel Masirah auf ihren Einsatz in Afghanistan vorbereiteten, fielen sie dadurch auf, dass sie auf ihren Geländewägen das nachgemachte Palmensymbol von Adolf Hitlers deutschem Afrika-Korps sprühten. Fahrzeuge mit diesem Symbol seien auch in der KSK-Kaserne in Calw von einem KSK-Angehörigen gesehen worden. Dabei wurde lediglich das Hakenkreuz durch das Bundeswehremblem ersetzt – der positive Bezug auf die Wehrmacht war dennoch eindeutig.[9]
Der Deutsch-Türke Murat Kurnaz aus Bremen war 2001 – etwa zeitgleich – in Pakistan fälschlicherweise festgenommen worden. Ihm konnte auch nach mehrjähriger Haft in Guantanamo kein Verbrechen nachgewiesen werden. Kurnaz beschuldigt KSK-Soldaten, ihn Anfang 2002 in einem US-Gefangenenlager im afghanischen Kandahar gefoltert zu haben. Strafverfahren gegen KSK-Angehörige, die Kurnaz auf Bildern identifizieren konnte, wurden zweimal aufgrund mangelnder Beweise eingestellt. Diverse Unterlagen seien „auf mysteriöse Art und Weise versehentlich“ vernichtet worden, so sein Anwalt. Inwiefern neben einer prinzipiell menschenverachtenden Einstellung auch Fremdenfeindlichkeit innerhalb des KSK eine Rolle gespielt haben könnte, bleibt auch nach einem Untersuchungsausschuss des Bundestags offen.[10]
Auch der bundeswehrkritische Oberstleutnant Jürgen Rose bekam die rechts-fanatische Einstellung seiner Kollegen vom KSK zu spüren. In einer an ihn adressierten E-Mail, die am 22.3.2008 von Spiegel Online in Auszügen veröffentlicht wurde, beschimpft und bedroht der KSK-Hauptmann Daniel K. den Soldaten, der sich zuvor kritisch über die Bundeswehr geäußert hatte: „Ich beurteile Sie als Feind im Inneren und werde mein Handeln danach ausrichten, diesen Feind im Schwerpunkt zu zerschlagen. […] Sie werden beobachtet, nein nicht von impotenten instrumentalisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderlich macht.“ Der Brief endet mit dem Schlusssatz „Es lebe das heilige Deutschland“, was das rechtsextreme Gedankengut innerhalb des KSK abermals verdeutlicht. Gegen Daniel K. wurde eine einfache Disziplinarmaßnahme verhängt. Worin diese Disziplinarmaßnahme bestehen soll, ist nicht bekannt.[11]
All dies zeigt, dass offen rechtsextreme Vorfälle, wie Hitlergrüße auf internen Feiern keineswegs Einzelfälle sein dürften. Vielmehr ist das KSK strukturell rechtsextrem, was von manchen Kommandeuren sogar gelobt und gefördert wurde. Es ist davon auszugehen, dass die dokumentierten Fälle nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Schließlich agiert das KSK streng geheim, was den Schluss zulässt, dass rechtsradikale Entgleisungen in der Mehrheit der Fälle nie öffentlich und vermutlich auch nicht thematisiert oder bestraft werden.
Deshalb fordern wir weiterhin: KSK auflösen!
Anmerkungen
[1]             Panorama: „Hitlergruß? Ermittlungen gegen Kompaniechef“, 17.8. 2017.
[2]             IMI-Standpunkt 2007/17. Claudia Haydt: „Afghanistan: Deutsche Militärtradition“. 2008.
[3]             Zitat: „Gibt es auch beim jüdischen Volk, das wir ausschließlich in der Opferrolle wahrnehmen, eine dunkle Seite in der neueren Geschichte oder waren Juden ausschließlich die Opfer, die Leidtragenden? […] Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als ‚Tätervolk‘ bezeichnen. Das mag erschreckend klingen. Es würde aber der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet.“ Die gesamte Rede wurde von der Tagesschau dokumentiert.
[4]             Neues Deutschland: „EliteGeneral lobt HohmannStruck feuerte KSKChef wegen Dankesbriefzu AntisemitismusSprüchen.“, 5.11. 2017.
[5]             Braunzone Bundeswehr: „Günzel als Sicherheitsberater für ‚proNRW‘“, 12.5. 2009; Blick nach Rechts: „Günzel als Sicherheitsberater“, 30.4. 2009.
[6]             So war er unter anderem bei der Münchner Burschenschaft Danubia (04.07.04), den Göttinger Burschenschaften Holzminda & Burschenschaft Hannovera (2003), dem „Institut für Staatspolitik“ (Mai 2004), dem 8. Berliner Kolleg (Dezember 2004) des genannten „Institut für Staatspolitik“, bei dem rechtsklerikalen Verein „Die Wende“ (13.04.07), bei der Prager Burschenschaft Teutonia zu Regensburg (03.05.07) oder bei der Burschenschaft Ghibellinia zu Prag in Saarbrücken als Referent angekündigt.
Braunzone Bundeswehr: „Deutsche Militärzeitschrift (DMZ) – Ausgabe Mai-Juni“, 2.8.2008.
[7]                      Reinhard Günzel, Wilhelm Walther, Ulrich Wegener: Geheime Krieger. 2007.
[8]             Zeit Online: „Vizekommandeur des KSK soll abgesetzt werden“, 18.8. 2017.
[9]                      Spiegel Online: „KSK-Soldaten sprühten Wehrmachtssymbol auf Wagen“, 1.11. 2006.
[10]                    Jürgen Wagner: „Nach vorn!“ – „einsatzbereit – jederzeit – weltweit“! Deutsche Spezialkräfte im Umbruch. 2013.
[11]                    Spiegel Online: „Feind im Inneren“, 22.3. 2008.

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