Mittwoch, 23. August 2017

Aldar Khalil zu Gast in der „Horster Mitte“

Die Veranstaltung begann mit einer Schweigeminute für die gefallenen kurdischen Kämpfer. Anschließend erklärte Peter Weispfenning vom Zentralkomitee der MLPD in einem Grußwort die unverbrüchliche Solidarität mit dem Kampf des kurdischen Volkes um Demokratie und Freiheit. Ausdruck dieser engen Verbundenheit könne der gemeinsame Zusammenschluss im Internationalistischen Bündnis sein.

Dazu trugen unter anderem Informationsstände der PYD, des Kurdischen Roten Halbmond und der MLPD bei. An Letzterem wurde auch das Internationalistische Bündnis vorgestellt.

Maschinen kommen wegen Blockade nicht ins Land

Aldar Khalil berichtete vor einem konzentrierten Publikum von der aktuellen Lage in Rojava sowie in ganz Syrien und antwortete dann auf Fragen der Besucher. Er rief zur Hilfe und Solidarität mit der Bevölkerung in Rojava und in Shengal auf. Vor allem die Krankenhäuser brauchen unbedingt Medikamente und Hilfsmittel. Das kurdische Volk müsse insgesamt geschützt werden.

Die Lage der Menschen und vieler Flüchtlinge in Rojava sei ernst; so hätten sie nur ein bis zwei Stunden Strom täglich. Trinkwasser sei knapp, denn die großen Flüsse seien von der Türkei aufgestaut und das Wasser werde in die Türkei umgeleitet. Sie haben viele neue Maschinen im Ausland bestellt, die aber wegen der Blockade nicht ins Land geliefert werden können.

Neue Schulbücher in kurdischer Sprache

Aber sie seien optimistisch! Er verglich die momentane Lage mit der in Deutschland nach dem II. Weltkrieg: Überall werde über Demokratie und Freiheit diskutiert und würden auch praktische Schritte eingeleitet. Es besteht Einigkeit, dass in einer neuen Regierung und in den Parlamenten alle Religionsgruppen und Nationalitäten vertreten sein und zusammenarbeiten müssen.
Die Arbeit der ICOR beim Aufbau des Gesundheitszentrums in Kobanê ... wird vom Volk in Rojava nie vergessen
Aldar Khalil
Inzwischen wurden über drei Millionen Schulbücher in kurdischer Sprache neu herausgegeben, mit denen jetzt nach den Sommerferien der Unterricht in kurdischer Sprache beginnen kann. Aber die Lehrer dafür bekommen von der Assad-Regierung keinen Pfennig, sie bezahlt nur arabisch-syrische Lehrer.

Diskussion über Verhältnis zu USA und Russland

Weitere, durchaus kontroverse Fragen und Meinungen standen im Mittelpunkt des Interesses: So zum Verhältnis zu den USA und zu Russland: Aldar Khalil betonte, dass diese Großmächte „eigene Interessen“ in Syrien verfolgen und dass Tev-Dem nur insofern Beziehungen zu ihnen unterhält, als es dem Kampf nützlich ist.

So besteht ein gemeinsames Interesse am Kampf gegen die IS-Herrschaft über Raqqa. Dafür führen die kurdischen Kämpfer einen aufopferungsvollen, erfolgreichen Feldzug. Die Großmächte waren gegen den Kampf der kurdischen Kräfte um die Kantonverbindung nach Afrin1, wodurch natürlich der Aufbau der demokratischen Gesellschaft in Nordsyrien gestärkt würde.

Türkei kurdischen Kämpfern unterlegen

Diese Verbindung zu erkämpfen, ist deshalb das nächste Ziel nach der Befreiung Raqqas vom IS, so Aldar Khalil. Sollte die Türkei aber den angedrohten Angriff auf Afrin wirklich durchführen, würden die kurdischen Kräfte sofort darauf konzentriert. Er ist sicher, dass dieser Angriff das Ende der Erdogan-Regierung einleite, denn die Türkei habe nicht ausreichend militärische Kräfte und sie seien den kurdischen Kämpfern unterlegen.

Auf die Frage, warum die Kurden in Rojava kein Bündnis mit den kurdischen Kräften unter Barzani2 eingehen, antwortete Aldar Khalil, dass dies bisher von Seiten Barzanis abgelehnt würde.

Gegenseitiges Verständnis vertieft

Manche Besucher äußerten sich besorgt, weil ihre Kinder hier in Deutschland aufwachsen und sich zunehmend vom Kampf in Rojava entfernen. Dazu führte Aldar Khalil aus, dass es vor allem Aufgabe der Eltern sei, einerseits die Integration in Deutschland zu fördern, andererseits den Kindern die kurdische Kultur und den Befreiungskampf lebendig zu erhalten.

Diese offene Auseinandersetzung wirkte sehr positiv auf die Besucher – die Veranstaltung war ein wichtiger Beitrag, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen und enger zusammenzuwachsen. In einem Gespräch am Rande würdigte Aldar Khalil die Arbeit der ICOR beim Aufbau des Gesundheitszentrums in Kobanê, das sei „sehr ehrenvoll“ gewesen und werde vom Volk „nie vergessen“ werden.

1 Zwischen den Kantonen Cizire und Kobanê im östlichen Teil Nordsyriens und dem Kanton Afrin im westlichen Teil liegt ein von türkischen Truppen und faschistischen Milizen besetzter Korridor
2 Präsident der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak

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