"Amnesty International" prangert an, dass der türkische Staat entgegen den offiziellen Verlautbarungen des EU-Türkei-Deals massenhaft Flüchtlinge nach Syrien zurückschickt. Seit Januar seien fast täglich Männer, Frauen und Kinder in Gruppen von bis zu 100 Menschen gegen ihren Willen zurück in das Kriegsland gebracht worden.
Im Umkreis von 20 Kilometern von der türkischen Grenze sollen sich laut Schätzungen 200.000 vertriebene Syrer aufhalten. Verschärfte Grenzkontrollen und neue Visabestimmungen trieben viele von ihnen zudem in die Arme von Schmugglern, die durchschnittlich 1.000 Dollar (rund 880 Euro) pro Grenzübertritt verlangten, berichtet "Amnesty". All das ist offenbar Bestandteil des EU-Türkei-Deals.
Bestandteil der deutschen Kumpanei mit Erdogans neuimperialistischer Türkei ist aber auch die Kooperation bei der verschärften Unterdrückung des Freiheitskampfs der Kurden in der Türkei und in Syrien. Dass nach wie vor die Errichtung eines humanitären Korridors verweigert wird, richtet sich insbesondere gegen den Aufbau einer demokratischen Selbstverwaltung im nordsyrischen Rojava. Dieser steht inzwischen weltweit auch für die Perspektive einer erfolgreichen Bekämpfung der Fluchtursachen. Wie aber soll die vom faschistischen IS weitgehend zerstörte Region wieder aufgebaut werden, wenn sie aufgrund der türkischen Blockade komplett abgeriegelt ist? Der humanitäre Korridor wird dringend benötigt.
Vor diesem Hintergrund hat nun der Solidaritäts- und Förderverein "Gesundheitszentrum Kobanê" über die Anwaltskanzlei Meister & Partner in Gelsenkirchen beim Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen die Bundesregierung erhoben.
"Wochenlang", so Rechtsanwalt Frank Jasenski für den Vereinvorstand, "saßen die Helfer im November und Dezember 2015 in der Autonomen Region Kurdistan (Nordirak) fest, weil ihnen von der dortigen Regionalregierung die Erlaubnis zum Grenzübertritt versagt worden war. Nachdem das Auswärtige Amt alle seine Anträge auf diplomatische Unterstützung abgelehnt bzw. gar nicht beantwortet hatte, stellte der Verein am 5. Dezember 2015 beim Verwaltungsgericht Berlin einen Eilantrag mit dem Ziel, die Bundesregierung zu verpflichten, die Regierung der Autonomen Region Kurdistan um Erteilung einer Erlaubnis zum Grenzübertritt nach Rojava zu ersuchen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab."
Mit seiner jetzigen Klage leitet der Verein das Hauptsacheverfahren ein. Dazu Frank Jasenski: "Wir beantragen, dass die unterlassene Hilfe der Bundesregierung für rechtswidrig erklärt wird, damit bei künftigen Einsätzen ein Anspruch auf diplomatische Unterstützung geltend gemacht werden kann. Wir finden uns nicht damit ab, dass die Bundesregierung ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen beliebig zur Makulatur erklärt und ihren außenpolitischen Interessen unterordnet. ... Ihre Verweigerung diplomatischer Unterstützung für unsere humanitären Helfer ist ganz offensichtlich Teil ihres schmutzigen Deals mit dem türkischen Erdogan-Regime."
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