Mittwoch, 13. April 2016

Kein Frühling in Washington


Massenfestnahmen in US-Hauptstadt von Aktivisten von »Democracy Spring«

Von Jürgen Heiser
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Eine Frühling der Demokratie wollen diese Demonstranten vor dem Kapitol in Washington
Die Polizei der US-Hauptstadt Washington hat am Montag nachmittag (Ortszeit) mehr als 400 Menschen festgenommen, die sich friedlich vor dem Kapitol versammelt hatten, um gegen den Einfluss des großen Geldes auf die Politik und für faire Wahlgesetze zu demonstrieren. Unter den Festgenommenen sei auch die Freiheitsstatue gewesen, meldete das Internetportal Vice News. Gemeint war eine der Aktivistinnen, die sich als das Wahrzeichen New Yorks verkleidet hatte und auf einem Schild »Free Speech not Fee Speech« (»Freie Rede statt Honorarreden«) forderte. Das richtete sich an Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die für ihre Gastreden bei Unternehmen Hunderttausende Dollar an verkappten Wahlspenden erhält.
Die von der Polizei eingekesselte Menge hatte sich geweigert, die Treppenstufen des Kapitols zu räumen. Sie wollte eine Woche vor dem Sitz des Kongresses ausharren, um die Parlamentarier aufzufordern, der »Campaign Finance Reform«, einer Reform der finanziellen Einflussnahme auf politische Kampagnen, zuzustimmen. Die Polizei beendete die Aktion und führte die Demonstranten mit Handschellen gefesselt in rund zehn Bussen ab. Polizeisprecher räumten vor der Presse ein, sie seien »an die Grenzen ihrer Kapazitäten gelangt«, um die Festgenommenen unterzubringen.
Der Sitzstreik war Teil der Kampagne »Democracy Spring« (Frühling der Demokratie), mit der an die Bewegung »Occupy Wall Street« des Jahres 2011 angeknüpft wird. Die Protestaktion hatte als zehntägiger Marsch begonnen, der von Philadelphia aus in die US-Hauptstadt führte. Initiatoren sind Aktionsbündnisse wie das vom Verbraucherschützer Ralph Nader gegründete »Public Citizen« und die Bewegung »Aufstand der 99 Prozent«.
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Die Demonstranten skandierten »Ein Mensch, eine Stimme« und »Geld raus aus der Politik«. Der Protest richtete sich exemplarisch gegen die Milliardäre David und Charles Koch, die laut ABC News 900 Millionen US-Dollar in die aktuell laufende Kampagne für die US-Präsidentschaftswahlen fließen lassen wollen, um dadurch ihnen genehme Kandidaten zu fördern. Die große Mehrheit der US-Bürger teile die Meinung, dass das demokratische System der USA »aus den Fugen geraten« sei, »weil unsere Wahlen und die Regierung von den Interessen der Reichen beherrscht werden«, erklärte der Sprecher der Kampagne, Kai Newkirk, dem lateinamerikanischen Sender Telesur. Der US-Kongress müsse endlich ein tragfähiges System kleiner Wahlspenden schaffen. Per Verfassungsänderung müssten Großspenden von Unternehmen wieder eingeschränkt werden, forderte er. Eine solche Beschränkung hatte der Oberste Gerichtshof der USA 2009 aufgehoben.
Die Proteste sollen trotz der Festnahmen bis Samstag fortgesetzt werden. Im Anschluss daran soll ein dreitägiges »Demokratisches Erwachen« mit Demonstrationen, »Teach-Ins« und Aktionen des zivilen Ungehorsams in Washington stattfinden, wie »Public Citizen« ankündigte.

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