Immer wieder macht sich die "Karawane
zentralamerikanischer Mütter" auf den Weg, um in Mexiko nach
verschwundenen Angehörigen zu suchen. Ihre Söhne, Töchter, Männer
sind auf dem Weg aus Guatemala, El Salvador, Honduras oder
Nicaragua ins Zielland USA verschollen.
"Was bedeutet: Verschwunden auf dem Transitweg in Mexiko? Das
heißt, die letzte Kommunikation mit der Familie fand aus
irgendeinem Ort in Mexiko statt. Danach gab es keinen Kontakt
mehr und die Spur verlor sich. Was ist passiert?"
Marta Sanchez Soler zählt auf, was die Gründe sein könnten,
benennt ganz simple, wie verlorene Telefonnummern oder
Umstellungen der Telefonnetze. Dann streicht sie sich über die
kurzen Haare, bevor sie mit eindringlichem und leicht wütendem
Blick über die angestiegene Gewalt in jüngster Vergangenheit
redet, über die Entführungen, die Folterungen und die vielen Morde
an Geflüchteten auf der Transitstrecke durch Mexiko.
260 Personen haben sie mit der Karawane im Laufe der letzten
zwölf Jahre gefunden. Doch neben der direkten Unterstützung der
Mütter bei der Suche leistet Marta Sanchez mit ihrer
mesoamerikanischen Migrantenbewegung eine wichtige politische
Arbeit in Mexiko.
Über 25.000 Menschen gelten in als verschwunden
"Wir wollen erreichen, dass dieses Thema auf der Tagesordnung
steht, damit alle wissen, was los ist, damit die Regierung weiß,
was passiert - und all diesen Menschen mit ihren verschwundenen
Angehörigen innerhalb Mexikos Antworten auf deren berechtigte
Forderungen gibt. Sie haben das Recht, ihre Vermissten
aufzufinden und für das zugefügte Leid entschädigt zu werden."
Eine mühsame Arbeit und doch extrem wichtig in einem Land wie
Mexiko, in dem der Drogenkrieg gut 80.000 Menschenleben forderte
und mehr als 25.000 Menschen offiziell als verschwunden gelten.
Korruption und Straflosigkeit führen dazu, dass die
Aufklärungsrate von Gewaltverbrechen bei nur zwei Prozent liegen.
Die von Mexiko akzeptierte Politik der Verlagerung der US-Grenze
an ihre Südgrenze drängt die flüchtenden und migrierenden Menschen
auf illegale Wege, auf denen sie schutzlos der organisierten
Kriminalität ausgesetzt sind.
"Wir finden eher Menschen, die schon seit vielen Jahren
migriert sind, die erst vor kurzem Verschwundenen liegen
vermutlich in irgendwelchen klandestinen Gräbern. Wir finden
auch mehr Männer als Frauen. Verschwundene Frauen sind eher
Opfer von internationalen Menschenhändlern, sind vielleicht nach
Russland oder China oder New York verschleppt worden."
Mit ihrer eigenen Geschichte ist für Marta Sanchez diese
Entwicklung in Mexiko unerträglich.
"Ich bin Tochter spanischer Flüchtlinge, die nach der
Niederlage der Republikaner nach Frankreich geflohen sind. Dort
bin ich geboren."
Gegen die Abschottungspolitik Europas
Der Vater stand auf der schwarzen Liste und floh weiter nach
Mexiko. Erst acht Jahre später konnte die Mutter ihm folgen und
nochmals zwei Jahre später Marta. Mexiko war für sie bis zum Ende
des vorherigen Jahrhunderts ein Land, das Verfolgte aus aller Welt
aufnahm. Für dieses Mexiko engagiert sie sich heute auch mit der
Karawane. Mittlerweile gibt es auch in Italien eine Karawane, die
sich mit Unterstützung der mesoamerikanischen Migranten-Bewegung
gebildet hat.
Mit internationalen Gästen aus Mittelamerika und den
Maghreb-Ländern durchquert die italienische "Carovane
Migranti" das Land. In Abendveranstaltungen, Gesprächsrunden und
auf Kundgebungen kritisieren und verurteilen deren Teilnehmer die
menschenverachtende Abschottungspolitik der Festung Europa und
auch des Grenzregimes der USA. Und sie sprechen über die
gemeinsamen politischen Forderungen nach legalen Wegen für die
flüchtenden und migrierenden Menschen und gegen die
Militarisierung des Mittelmeerraumes. Und Marta Sanchez denkt
schon weiter:
"Zukünftig sollte aus dieser Bewegung der Mütter ein
universelles Netzwerk entstehen. Wir arbeiten schon mit Müttern
aus Tunesien zusammen und haben Kontakt zu Müttern in Algerien
und Marokko. Nicht alle Verschwundenen ertrinken im Mittelmeer.
Immer wieder gibt es Aussagen, dass diese Menschen in Europa
angekommen sind und dann der Kontakt abbrach. Es gibt viele
Verschwundene auf den Transitwegen in Europa. Überall auf der
Welt suchen Mütter nach ihren Kindern. Deswegen müssen sie
überall Antworten erhalten."
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