Freitag, 28. März 2014
Ukraine: Ringen um die Machtgeometrie
IMI-Studie 2014/02b
Neoliberales Assoziationsabkommen und europäisch-russische Machtkonflikte
http://www.imi-online.de/download/2014_02b_jwagner.pdf
Jürgen Wagner (26. März 2014)
INHALTSVERZEICHNIS
1. Neoliberales Assoziationsabkommen
2. Geopolitisches Filetstück: Heute die Ukraine…
3. Testlauf für die neue deutsche Weltmachtpolitik
4. Innerimperialistische Reibereien
5. Eskalation oder Politik der Äquidistanz
Kästen:
Militärisches Assoziationsabkommen
Ukrainische "Zivilgesellschaft" - Ein Praxisbeispiel
Ukraine: Braune Revolution
Die komplette Studie gibt’s hier:
http://www.imi-online.de/download/2014_02b_jwagner.pdf
Einleitung
Im November 2013 fällte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch
die Entscheidung, die Verhandlungen seines Landes über die
Unterzeichnung eines Assoziationsabkommens mit der Europäischen Union
auf Eis zu legen. Für die daraufhin erfolgte gewaltsame Eskalation, die
zum Sturz des Präsidenten sowie zu einer der schwersten Krisen zwischen
dem Westen und Russland seit Ende des Kalten Krieges führte, sind eine
Reihe von Faktoren verantwortlich. Zunächst einmal gilt es festzuhalten,
dass solche Assoziationsabkommen das zentrale Expansionsinstrument der
Europäischen Union in den erweiterten Nachbarschaftsraum darstellen. Sie
zielen darauf ab, die angrenzenden Länder als Investitions- und
Absatzmärkte, als Niedrigsteuerländer und verlängerte Werkbänke
dauerhaft in den großeuropäischen Wirtschaftsraum und damit in die
EU-Einflusszone zu integrieren. Allein deshalb war es aus westlicher
Sicht hochgradig ärgerlich, dass sich die Ukraine diesem Bestreben
verweigerte.
Hinzu kam aber noch, dass es sich bei der Ukraine um ein Land von
herausragender geopolitischer Bedeutung in den Auseinandersetzungen
zwischen zwei sich zunehmend feindlich gegenüberstehenden Blöcken
handelt, der Europäischen Union und der von Moskau initiierten
Zollunion. Auffällig ist dabei, dass Deutschland hier buchstäblich an
vorderster Front agiert: „Der Kampf um die Ukraine ist einer zwischen
dem russischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin. […] Fast 25
Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges geht es darum, wer es schafft,
die früheren Sowjetrepubliken der Region in seinen Einflussbereich zu
ziehen. Es geht um Geopolitik, um das ‚Grand Design‘, wie es die
Experten gern nennen.“ (Spiegel 50/2013)
Die Ukraine ist somit auch zu einer Art Testlauf für den seit Anfang des
Jahres vollmundig erklärten Anspruch geworden, Deutschland müsse künftig
eine ambitioniertere und stärker an der Durchsetzung eigener Interessen
orientierte Weltmachtpolitik betreiben. Neu ist dabei allerdings vor
allem, dass nun offen ausgesprochen und aggressiver betrieben werden
soll, was ohnehin seit Jahren stattfindet. Denn was die Ukraine
anbelangt, haben dort nicht nur die USA, sondern auch die Europäische
Union und vor allem Deutschland über viele Jahre hinweg beträchtliche
Summen in den Aufbau und die Stärkung pro-westlicher Oppositionsparteien
investiert.
Diese „Vorarbeiten“ stießen angesichts der problematischen sozialen
Situation auf einen fruchtbaren Boden.[1] Doch auch wenn es vollkommen
nachvollziehbar war, dass zahlreiche Menschen gegen die hochgradig
korrupte Janukowitsch-Regierung auf die Straße gegangen sind[2],
repräsentierten die Parteien, die als Dreierbündnis die Führung der
Proteste an sich rissen, weder die Mehrheit der Bevölkerung und noch
weniger deren Interessen. Dazu gehört einmal die faschistische Partei
„Swoboda“ („Freiheit“) mit Oleg Tjagnibok an der Spitze. Sie sorgte
während der Proteste mit ihren Schlägertrupps unter anderem dafür, dass
linke Studenten und Gewerkschafter regelrecht vom zentralen
Protestplatz, dem Maidan in Kiew, weggeprügelt wurden und stellt
mittlerweile mehrere Minister in der neuen „Regierung“ (siehe Kasten
„Braune Revolution“). Washington setzt vor allem auf die Partei
„Batkiwschtschina“ („Vaterland“), die Teile der Oligarchie repräsentiert
und von der ebenfalls korrupten Julia Timoschenko angeführt wird.
Deutschland machte sich wiederum vor allem um „Udar“ („Schlag“) mit dem
Aushängeschild Witali Klitschko „verdient“. Vor diesem Hintergrund kam
es bereits während der Proteste zu heftigen innerimperialistischen
Reibereien, wessen Protegé künftig in der Ukraine das Sagen haben soll.
Diese endeten vorläufig mit einem Punktsieg für Washington, nachdem die
Timoschenko-Partei alle wesentlichen Posten besetzte und nun – unter
maßgeblicher Beteiligung der Faschisten – faktisch die Kontrolle
übernommen hat, während „Udar“ weitgehend außen vor blieb. Wichtiger als
diese innerimperialistischen Auseinandersetzungen sind jedoch die nahezu
deckungsgleichen Ziele, die von der neuen „Regierung“ in Kiew
pflichtschuldig kurz nach ihrer Machtübernahme in Angriff genommen
wurden: Schnellstmöglich sollen „schmerzhafte“ Sozialkürzungen
vorgenommen, der Ausverkauf des Landes auf den Weg gebracht, das
Assoziationsabkommen schnellstmöglich komplett unter Dach und Fach
gebracht und die Mitgliedschaft in der NATO angestrebt werden.
Wie spätestens die Reaktion auf der Krim-Halbinsel zeigte, ist Russland
offensichtlich nicht gewillt, dem Westen das Feld zu überlassen. So
droht im schlimmsten Fall eine weitere Eskalation, zumindest aber dürfte
die Ukraine und ihre Bevölkerung auf absehbare Zeit als Spielball und
Schauplatz der Konflikte zwischen dem Westen und Russland zu leiden
haben. Die einzig andere gangbare Option wäre, wenn sich die
interessierten Großmächte auf eine kategorische Blockfreiheit der
Ukraine verständigen würden, auch wenn dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt
eher unrealistisch erscheint.
Die komplette Studie gibt’s hier:
http://www.imi-online.de/download/2014_02b_jwagner.pdf
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