Aus „La Forge“ 07-08/2019, Zeitung der PCOF (Kommunistische Arbeiterpartei Frankreichs)
In Algerien:
Proteste im März in Blida/Algerien. Foto: Fethi Hamlati/CC BY-SA 4.0
Von
mehreren bekannten Persönlichkeiten dazu aufgerufen, wurde die
Mobilisierung vom 5. Juli in allen Städten des Landes, vor allem in der
Hauptstadt Algier, zu einer machtvollen Demonstration. Dieser 20.
Protestmarsch fiel zusammen mit dem 57. Jahrestag des Sieges im
Befreiungskrieg des algerischen Volkes gegen die koloniale Herrschaft
Frankreichs.
Am 22. Februar begonnen, dauert der Hirak 1) nun
seit über vier Monaten an und lässt nicht nach. Nachdem der Rücktritt
Bouteflikas am 5. April erreicht worden war, fordert die Bewegung immer
noch, dass „das Regime abdankt“. Wie wir in unserem Artikel in der
April-Nummer unserer Zeitung, der dieser Bewegung gewidmet war,
erklärten, „ist das System ein
Geflecht von Institutionen und Menschen, Mafia, Clans, Familien, die auf
dem ganzen Räderwerk des Staates ihre Hände haben, die alle Sektoren
der Wirtschaft kontrollieren, alle Schaltstellen des politischen und
sozialen Lebens besetzen“ und
deren Hauptstütze die Hierarchie der hohen Militärs ist. An alle die
richten sich die Demonstranten, wenn sie rufen: „Haut ab, macht Algerien
frei!“ Während am 4. Juli Neuwahlen zur Präsidentschaft stattfinden
müssten, lehnen es die Demonstranten immer noch ab, dass das herrschende
Regime sie organisiert.
Nach
einigen Wendemanövern, um sich der Bewegung anzubiedern, im Versuch,
sie besser vom Weg abzubringen und die Sache wieder in den Griff
bekommen zu können, hat Gaid Salah, Armeechef und der wirklich starke
Mann des Regimes, am 19. Juni eine Rede gehalten, in der er kaum
verhüllte Drohungen gegen die, welche nach seinen Worten „die nationale Einheit, das nationale Emblem und das verfassungsmäßige Corps (d.h. die Armee) gefährden“,
ausgestoßen hat, während gleichzeitig eine gezielte Repression gegen
die Aktivisten stattfindet, um sie zu isolieren und den Algeriern Angst
einzuflößen. Die Regierung hat vor allem die im Visier, welche die Fahne
der Amazigh (Berber) schwenken, im Versuch, die Einheit des algerischen
Volkes zu brechen und seinen berberischen Teil aufs Korn zu nehmen.
Aber dieses Manöver zieht nicht und angesichts dieser Lage hat sich ein
Netzwerk des Kampfes gegen die Repression und für die Verteidigung der
Aktivisten gebildet. Zusammengesetzt aus Anwälten, politischen
Aktivisten, Feministinnen und engagierten Bürgern begleitet und
verteidigt es die gefangen genommenen Demonstranten.
So
fügt das algerische Volk der ursprünglichen zentralen Forderung „alle
abdanken!“ noch zwei hinzu, oder genauer noch, präzisiert sie durch zwei
Forderungen, die in der Demonstration des vergangenen Freitag sehr
gegenwärtig waren: Abdankung des Generals Gaid Salah, Schluss mit dem
Mobbing und der Repression und Befreiung der Gesinnungshäftlinge.
Wir
unterstützen die Bewegung des algerischen Volkes, die Einheit des
Volkes im Kampf für ein demokratisches Algerien, für eine Gesellschaft
des sozialen Fortschritts und des Friedens.
Im Sudan:
Im
Dezember 2018 erhob sich das sudanesische Volk gegen eine Preiserhöhung
von Brot und Elektrizität. Sehr schnell und trotz des Rückziehers des
Diktators El-Bachir von diesen Maßnahmen, ging die Mobilisierung weiter
und breitete sich im ganzen Land aus mit der jetzigen Forderung nach dem
Ende des Regimes. Eine Koalition von Parteien, Gewerkschaften und
demokratischen Organisationen leitet diese Mobilisierung; sie hat sich
auf einer Plattform vereinigt und gründete das „Bündnis für Freiheit und
Wandel“ (FFC).
Die
Mobilisierung des Volkes, die seit Dezember letzten Jahres anhält, hat
am 11. April die Absetzung und Inhaftierung des Diktators erreicht.
Dennoch hat sich die Kraftprobe zwischen den Militärs, die immer noch an
der Macht sind, und dem Volk, das „alle Macht den Zivilen“ fordert,
fortgesetzt.
Die Oppositionellen haben dann ein Sit-in vor dem Hauptquartier der Armee organisiert, das sie bis
zur
Erzielung ihrer Forderung abzuhalten gedachten. Aber am 3. Juni des
Jahres hat das Regime die Paramilitärs mit dem verruchten Mohammed
Hamdan Daglo, der Nr. 2 des Regimes, an der Spitze eingreifen lassen.
Das Sit-in wurde mit großer Gewalt auseinandergetrieben. Es gab
insgesamt 150 Opfer. Diese Repression wurde im Anschluss an eine Reise
des Generals nach Saudi-Arabien und Ägypten befohlen, deren Führer einen
Volksaufstand beenden wollen, von dem sie fürchten, dass er ansteckend
wirkt. Auf dieses Massaker folgend wurden die Verhandlungen, die
zwischen dem Übergangs-Militärrat und dem FFC begonnen worden waren,
ausgesetzt; sie wurden mit Hilfe der Mediatoren wieder aufgenommen und
endeten in der Nacht vom 4. auf 5. Juli mit einem Abkommen über den
Übergang.
Dieser
Kompromiss ist der Volksbewegung zu verdanken, die am Sonntag, dem 30.
Juni eine machtvolle Demonstration im ganzen Land durchführte. Nach
Beobachtern ist diese Manifestation zweifellos eine der bedeutendsten,
die je im Verlauf der letzten Monate organisiert wurde.
Es
ist zu früh, um hier und jetzt das geschlossene Abkommen zu analysieren
und zu wissen, wie es vom sudanesischen Volk angenommen wird, aber wir
wollen hier erneut unsere vollkommene Solidarität mit diesem Volk in
seinem Kampf für Demokratie und sozialen Fortschritt und unsere
Opposition gegen jede Einmischung der imperialistischen Mächte und
reaktionären Regimes der Region ausdrücken.
1)
Anmerkung: Hirak ist ursprünglich eine in der Rif-Region Marokkos
entstandene Bewegung des Massenprotests. Hier wird der Name für die
Protestbewegung gegen das Regime Bouteflikas in Algerien verwendet.
Übersetzung aus „La Forge“ 07-08/2019, Zeitung der PCOF (Kommunistische Arbeiterpartei Frankreichs)
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