Marco Boltz ist seit 18 Jahren Hildesheimer, im Herzen aber bleibt er Heidenauer. Deshalb verfolgt er aus der Ferne, was hier passiert. Oder eben nicht. Vor über einem Jahr hatte Boltz eine Idee. Er dachte, zu Heidenau würde so ein Stolperstein gut passen. Mit diesen wird seit 1996 europaweit an Opfer des Naziregimes erinnert. Es handelt sich um würfelförmige Steine, die auf der Oberseite eine Messingplatte Informationen über das jeweilige Opfer tragen. Die Steine werden jeweils vor dem letzten frei gewählten Wohnort der Deportierten und Ermordeten in den Boden eingelassen. Was in Hildesheim funktioniert, wäre doch auch in Heidenau denkbar. Doch auf so richtig offene Ohren stieß der Diplominformatiker in seiner Heimatstadt nicht.
Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) kündigte damals an, mit dem Ältestenrat zu reden. Dem gehören die Vorsitzenden der vier Fraktionen im Stadtrat an. Das ist inzwischen auch erfolgt. Doch die Kommunalpolitiker tun sich offenbar schwer. Jedenfalls seien sie von der Idee nicht überzeugt, sagt Opitz. Öffentlich wurde die Frage nicht diskutiert.
Opitz kündigt nun für das erste Quartal 2019 einen fraktionsübergreifenden Antrag an. Er soll eine „für Heidenau angemessenen Erinnerungskultur“ beinhalten. Wie sie ausgestaltet werden soll, ist noch offen. Eine besondere Form pflegt Heidenau bereits. Jeweils am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, organisiert eine Gruppe Bürger eine sehr ansprechende Veranstaltung in der Trauerhalle auf dem Nord-Friedhof. Im Mittelpunkt steht jeweils eine konkrete Person aus der Region. Dafür braucht es aber keinen Stadtratsbeschluss.
Marco Boltz ist enttäuscht. Erst hatte er gar keine Antwort aus dem Heidenauer Rathaus bekommen, dann eine, die für ihn „nicht wirklich ermutigend“ klang. Er habe nicht gemerkt, dass seine Idee auf besonders viel Gegenliebe oder Enthusiasmus gestoßen wäre.
Nur ein Stein im ganzen Landkreis
Nicht nur Heidenau ist skeptisch. Bisher gibt es im Landkreis nur einen einzigen Stolperstein. Und zwar seit 2013 in Pirna an der katholischen Kirche. Hier erinnert der Stein an Erzpriester Benno Scholze. Er war von den Nazis in das Konzentrationslager Dachau verschleppt worden und überlebte. Über 28 Jahre war Scholze Seelsorger in der Pfarrkirche St. Kunigunde. Auf dem Pirnaer Sonnenstein trägt die Straße an der evangelischen Kirche seinen Namen.
Die Stolperstein-Idee stammt von Künstler Gunter Demnig. Der erste Stein wurde 1996 in Berlin-Kreuzberg verlegt. Er war zunächst nicht genehmigt, wurde später legalisiert. Das Verlegen ist nicht immer ganz einfach. So erfordern zum Beispiel Stolpersteine für Euthanasieopfer die Zustimmung verbliebener Angehöriger, die überwiegend verwehrt würde.
Zum Teil wird auch argumentiert, dass die Opfer mit den Steinen zum zweiten Mal getreten würden, weil man ja über sie hinwegläuft oder eben auch drauf tritt. Das Stolpern ist mehr als Anstoß zum Nachdenken gemeint. Ob ein Stein dafür reicht, ist strittig.
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