Dienstag, 30. Juli 2019

Verheerende Wechselwirkung zwischen Hitzewellen und Waldvernichtung


Nach einer ersten Hitzeperiode im Juni hat knapp vier Wochen später eine zweite Hitzewelle Europa heimgesucht. Frankreich, die Benelux-Staaten und Deutschland stöhnten unter Hitzerekorden von 40 Grad Celsius aufwärts.
Von gof
Verheerende Wechselwirkung zwischen Hitzewellen und Waldvernichtung
Auf dem Umweltkampftag der ICOR 2016 in Bottrop (rf-foto)
Im niedersächsischen Lingen wurden am 25. Juli 42,6 Grad Celsius gemessen, so heiß wie noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichungen in Deutschland.¹ Es ist ein die gesamte nördliche Hemisphäre der Erde umspannendes Phänomen.

Die dramatischen Wetter- und Temperaturveränderungen bedrohen immer mehr auch die für den CO2-Haushalt der Erde bedeutenden Waldbestände. Wälder gehören zu den wichtigsten Sauerstoffproduzenten der Erde. Im Rahmen der Photosynthese entnehmen die Bäume dafür das CO2 aus der Atmosphäre. Der Wald in Deutschland entlastet die Atmosphäre jährlich um rund 52 Millionen Tonnen CO2.

Bis zu 80 Prozent der Bäume geschädigt

Die Wälder sind gewaltige Wasserspeicher, die bilden Grundwasser, liefern Holz, filtern die Luft und wirken auf das Klima ein, indem sie den Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre beeinflussen. Sie bilden zugleich ein gewaltiges Arten- und Genreservoir. All diese Funktionen werden durch die zunehmende Hitze und die damit einhergehenden verstärkten Waldbrände angegriffen und zerstört. Bis zu 80 Prozent der Bäume haben durch die übermäßige Hitze Schäden erlitten. Dadurch und erst recht bei Waldbränden wird in großem Umfang das in den Bäumen gespeicherte CO2 zusätzlich freigesetzt.

Seit 2018 hat der Wald in Deutschland schon 110.000 Hektar verloren - die doppelte Fläche des Bodensees. Seit Anfang 2018 hat sich die Entwicklung zugespitzt - durch die Dürre im letzten Sommer, aber auch die Winterstürme sowie ungewöhnlich starken Borkenkäferbefall bereits vorgeschädigter Bäume und erneut die aktuellen Hitzewellen.

Mischwälder alleine lösen das Problem nicht

Seit Jahren wird bereits darüber diskutiert, verstärkt Mischwälder etwa aus Buchen, Eichen und Weißtannen an Stelle der verbreiteten Fichten-Monokulturen aufzuforsten. Doch auch diese Baumarten zeigen zunehmende Absterbeerscheinungen. Zudem sind vor allem kleinere Waldbesitzer durch die Kosten der Wiederaufforstung in ihrer Existenz bedroht, zumal der Holzmarkt durch das Schadholz übersättigt ist und die Preise stark gesunken sind.

Forstwirte vergleichen die Situation bereits mit dem "Waldsterben" der 1980er Jahre, das vor allem durch übersäuerten Regen in Folge des Ausstoßes großer Mengen schädlicher Abgase wie Schwefeldioxid und Stickoxide in die Atmosphäre entstand. Die kämpferische Umweltbewegung erreichte damals, dass die Herrschenden mit dem Bau von Rauchgasentschwefelungs- oder Entstickungsanlagen und der Entschwefelung von Kraftstoffen dem Waldsterben entgegenwirken mussten.

Von wegen "Waldsterben gestoppt"

Die verantwortlichen bürgerlichen Politiker erweckten in der Folge den Eindruck, als ob nun alles im Griff sei. Die damalige Landwirtschaftsministerin Renate Künast von Bündnis 90/Die Grünen erklärte das Waldsterben im Juli 2003 sogar für "gestoppt".1 In dem Buch "Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?" traf Stefan Engel 2014 eine andere Einschätzung:

"Diese Entwarnung war jedoch voreilig und wohl als parteipolitische Propaganda für die Leistungen ihrer Partei gedacht. Zehn Jahre später musste Johannes Remmel, der grüne Umweltminister Nordrhein-Westfalens, bei der Vorstellung des Waldzustandsberichts 2013 seiner Landesregierung kleinlaut eingestehen: 'Wir können keine Entwarnung geben … Die Werte sind besorg­nis­erregend. Wir haben heute fast dreimal so viele Bäume mit starken Schäden wie zu Beginn der Aufzeichnungen vor etwa 30 Jahren.' (www.nrw.de/landesregierung/waldzustands­bericht- 2013-keine-entwarnung-in-sicht-15119/, Download vom 9. Dezem­ber 2013) Die Ursachen sind vielfältig. Zum 'sauren Regen' trägt auch der ständig steigende Ausstoß von CO2 bei, das mit Wasser Kohlensäure bildet. Vor allem die Schadstoffe von früher sind natürlich nicht einfach aus den Waldböden verschwunden." (S. 103)

Heute sind die verursachenden Faktoren des Waldsterbens viel komplexer und es hat eine weltweite Dimension angenommen. Die beschleunigte Vernichtung der Wälder ist ein Hauptfaktor des Umschlags in eine globale Umweltkatastrophe, der mit acht weiteren Hauptfaktoren wie der heraufziehenden Weltklimakatastrophe oder der Zerstörung regionaler Ökosysteme und dem Artensterben in enger Wechselwirkung steht.

Megabrände in Sibirien - Kahlschlag am brasilianischen Regenwald

Auch in den arktischen Wäldern Kanadas und Russlands liegt die Zahl der Waldbrände flächenmäßig und von der Zahl her auf Rekordniveau. Rund um den Polarkreis wüten seit einigen Wochen die wohl größten Brände des Planeten. Vermutlich mehr als 100 Feuer zeigen Satellitenaufnahmen in entlegenen Regionen der sibirischen Tundra – einige von ihnen sind möglicherweise mehr als 1.000 Quadratkilometer groß.


Mit der Wahl des Faschisten Jair Bolsonaro zum brasilianischen Präsidenten nimmt der Kahlschlag im brasilianischen Regenwald drastisch zu. Die brasilianische Raumfahrtbehörde INPE deckte auf, dass im Juni 2019 60 Prozent mehr Regenwald eingeschlagen wurde, als noch im Juni des Vorjahres; nachdem bereits im Mai der Anstieg schon bei 34 Prozent lag. Das ist der höchste Wert der Abholzung seit drei Jahren.²

Bolsonaro deklariert diesen Kahlschlag als „nationale Angelegenheit“.³ Doch die brasilianischen Arbeiter, die Bauernmassen und die indigene Bevölkerung profitieren davon in keiner Weise. Sie leiden ebenso unter den Folgen wie die große Mehrheit der Weltbevölkerung. Es sind die internationalen Übermonopole, denen Brasiliens neuimperialistische Regierung zu Diensten ist.

„Die brasilianische Regierung subventioniert die Agrarmonopole mit 75 Prozent der Investitionssummen. Riesige Plantagen für die Palmöl-, Zuckerrohr- und Sojaproduktion wurden auf Kosten des Regenwalds angelegt. ... Hauptabnehmer brasilianischen Sojas sind China und die EU.“⁴

Berliner Klimakabinett vertagt Entscheidungen

Heute ist der Welterschöpfungstag. Er gibt einen Maßstab für den Raubbau an der Natur - allerdings ohne die Ursachen dafür zu thematisieren. Ab diesem Tag werden weltweit im Durchschnitt mehr natürliche Resourcen verbraucht als während eines Jahres neue entstehen. Dieser Tag rückt Jahr für Jahr im Kalender weiter nach vorne.

Trotz dieser dramatischen Entwicklung endete die dritte Sitzung des Berliner Klimakabinetts am 18. Juli, ohne eine einzige Entscheidung getroffen zu haben. Die wurden einstweilen auf den 20. September verschoben. Im Klimakabinett verhandeln die Fachminister unter Leitung der Bundeskanzlerin ein Maßnahmenpaket, mit dem der Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland schneller gesenkt und die ohnehin unzureichenden selbstgesteckten Klimaschutzziele noch erreicht werden können. 

Sofortmaßnahmen erkämpfen ...

Während sie sich in allgemeinen Appellen zum Klimaschutz gegenseitig überbieten, nimmt die reale Politik aller Berliner Parteien den beschleunigten Übergang zur globalen Umweltkatastrophe in Kauf. Dringend notwendig ist dagegen die Erkämpfung wirksamer Sofortmaßnahmen wie: Radikaler Stopp der Rodung der Wälder, insbesondere der tropischen Regenwälder! Großflächige artgerechte Wiederaufforstung!

Aber auch: Sukzessives und dann vollständiges Ersetzen fossiler Brennstoffe durch regenerative Energien! Energiegewinnung vor allem aus Sonne, Wind, Wasser und Bioabfällen! Senkung der Treibhausgas-Emissionen um 70 bis 90 Prozent bis zum Jahr 2030 und klarer Kurs auf Absenkung des CO2-Gehalts in der Luft auf 350 ppm!

... Gesellschaft grundlegend verändern!

Im aktiven Widerstand ist es möglich, solche Forderungen im Kapitalismus durchzusetzen. Doch zeigt gerade die Problematik der Wälder, wie komplex die Ursachen und wie eng verwoben sie mit allen Hauptfaktoren des Umschlags in eine globale Umweltkatastrophe - insbesondere der globalen Klimaerwärnung - sind. Sie alle lassen sich auf die kapitalistische Profitwirtschaft zurückführen.

Notwendig ist deshalb vor allem ein gesellschaftsverändernder Kampf für eine sozialistische Zukunft, in der die Einheit von Mensch und Natur unaufhörlich weiterentwickelt werden kann.

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