„… Wenn jemand eine Frau und ihr achtjähriges Kind vor einen Zug stößt, der kleine Junge stirbt und die Mutter nur knapp dem Tod entgeht, ist das keine Tat, die jemanden unberührt lässt. Man wird wütend. Und natürlich fragt man sich: Warum? Wie zur Hölle kann jemand einen so sinnlosen, grausamen Mord begehen? Man will Antworten. Die traurige Wahrheit zu dem Mord in Frankfurt ist: Es gibt derzeit keine Antworten. Man kann zu dem Tod des 8-jährigen Jungen nichts Sinnvolles sagen, denn man weiß so gut wie nichts. Man kann sein Mitgefühl, seinen Schmerz ausdrücken. Aber ansonsten sollte man schlichtweg schweigen. Aber man weiß doch, der Täter war schwarz!!!, werden nun jene antworten, die ihren eigenen Rassismus mit einer Erklärung der Realität verwechseln. Für sie ist die Sache einfach: Die barbarischen Wilden sind eben so und wer die reinlässt, der wird mitschuldig. Von da ist es dann nicht mehr weit zur in den letzten Tagen in sozialen Netzwerken gängigen Aufforderung alle Fremden samt jenen Linken, die ihnen Willkommen zurufen, abzuschieben, aufzuhängen oder abzuknallen. Diese Armada der angeblich Erschrockenen, Mitfühlenden Trauernden trägt zwar wenig zum Verstehen der Untat von Frankfurt bei. Sie sagt aber etwas über Mord und Totschlag aus – und zwar den der neuen alten deutschen Faschisten. Die Dehumanisierung des als Schädling markierten Fremden, die sich seit zwei Tagen ins Netz ergießt, spricht Bände darüber, was die bislang mehrheitlich noch verbal, immer häufiger aber physisch wütenden Rassisten zu tun bereit sind. Wer so denkt, wie diese Leute schreiben, den trennt nur noch Unentschlossenheit von Anders Behring Breivik, den Faschisten und 32-fachen Kindermörder von Utoya…“ – aus dem Beitrag „Das Beileid der Menschenfeinde“ von Peter Schaber am 30. Juli 2019 im Lower Class Magazine über die Hasslogik der Rechten – der zufolge nach dem Campingplatz von Lüdge alle Deutschen Kinderschänder sind… Siehe zur produzierten Hasspropaganda einen weiteren aktuellen Beitrag, einen zu den Medien – und einen zur obligatorischen Schlussfolgerung der Bundesregierung (mehr Polizei):
- „Frankfurt: Vor dem Hauptbahnhof regiert schon wieder der Hass“ von Stefan Behr, Oliver Teutsch und Steven Micksch am 30. Juli 2019 in der FR online zum Versuch der Rechten, Kapital zu schlagen:„… Ein Wort gibt das andere, die Worte werden lauter, und es dauert nicht lange, da liegen sich ein Rechter im „Dichter & Denker“-Shirt und eine Linke so in den Haaren, dass erstmals Bewegung in die vielköpfige Polizeitruppe vor Ort kommt. Er beschuldigt sie, ihn angespuckt, sie ihn, sie geschubst zu haben. Als dann noch wie aus dem Nichts Heidi Mund, die einzige Frankfurter Rechtsradikale mit Standleitung zu Gott, auftaucht und plötzlich ein an Robert de Niro erinnernder Mann unter dem Jubel der Mund-Entourage ein Transparent hochhält, auf dem „Nicht Deutschland muss sich verändern – wir Ausländer müssen uns anpassen“ steht, droht der Bahnhofsvorplatz zum Tollhaus zu werden. Passanten, die nicht wissen, um was es hier geht, kämen nie auf die Idee, dass es sich hier um eine Mahnwache vor einem Trauergottesdienst halten soll. Drinnen im Bahnhof, am Gleis 7, dem Ort der Tragödie, ist das ganz anders. Hier gibt es tatsächlich ein stilles Gedenken, soweit das bei dem Verkehr überhaupt möglich ist. Schon am Morgen danach stehen Dutzende Menschen vor den niedergelegten Blumen, halten inne, senken den Kopf und weinen. Auf der anderen Seite stürmen Menschen mit großen Koffern vorbei, die schnell noch ihren Zug auf dem benachbarten Gleis 6 bekommen wollen. Eine Frau im schwarz-weißen Kostüm legt eine weiße Rose auf den stetig wachsenden Blumenberg. Sie bekreuzigt sich, dann geht sie fort, ohne sich umzudrehen...“
- „Seehofer will mehr Polizisten an Bahnhöfen“ von Jens Schneider am 30. Juli 2019 in der SZ online zu den auch hier erwartbaren Konsequenzen: „… Nach der Tötung eines achtjährigen Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Sicherheit an deutschen Bahnhöfen verbessern. Dazu gehört für ihn eine stärkere Polizeipräsenz. Zudem will er gemeinsam mit dem Bundesverkehrsminister und Vertretern der Bahn in einem Spitzengespräch prüfen, wie die Bahnhöfe durch bauliche Veränderungen sicherer gemacht werden könnten. “Wir müssen tun, was möglich ist, um einen Zugewinn an Sicherheit zu schaffen”, sagte Seehofer nach einem Krisengespräch mit den Spitzen des Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei in Berlin. Dabei dürfe die Frage möglicher Kosten zunächst keine Rolle spielen. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt hat unterdessen Haftbefehl wegen Mordes gegen einen 40-jährigen Eritreer beantragt. Er soll am Montag den achtjährigen Jungen und dessen Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen haben. Der Junge starb noch im Gleisbett. Der mutmaßliche Täter lebte seit 2006 in der Schweiz…“
- Die Frage der Herkunft: Medienbranche diskutiert nach der Tat von Frankfurt über Prinzipien
“Die Medienbranche diskutiert über Prinzipien. Der Presserat empfiehlt, die Herkunft eines Täters „nur dann“ zu erwähnen, wenn ein „begründbarer Sachzusammenhang“ zur Tat gegeben sei. „Der Mann aus Eritrea …“ oder „Der Täter, der afrikanischer Abstammung gewesen sein soll …“ – solche Formulierungen las und hörte man am Montag schon wenige Stunden nach der Gewalttat am Frankfurter Hauptbahnhof fast überall – ob auf Bild.de oder in der Tagesschau. Die Selbstverständlichkeit, mit der fast alle Medien die Herkunft des Täters nannten, noch bevor nähere Erkenntnisse über Tat und Motiv bekannt waren, sorgt nun medienintern für Diskussionen. Beugen sich Journalistinnen und Journalisten Druck von rechts? Oder gehen sie lediglich ihrer Pflicht nach, in einem Fall, der „die gesellschaftliche Debatte in Deutschland prägen wird […], die Wahrheit vollständig darzustellen“, wie Ines Pohl von der Deutschen Welle kommentierte? Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen JournalistenVerbands (DJV) ist überzeugt: „Vor fünf Jahren hätten weder die Polizei noch die Presse sofort über die Nationalität des Verdächtigen berichtet.“ Damals habe sich ein Großteil der Redaktionen noch an den Vorgaben des Deutschen Presserats orientiert. Der empfahl, die Herkunft eines Täters „nur dann“ zu erwähnen, wenn ein „begründbarer Sachzusammenhang“ zur Tat gegeben sei. (…) Tat am Hauptbahnhof Frankfurt: Frage nach Nationalität meistgestellte Frage. Nach Einschätzung von DJV-Sprecher Zörner ist das keineswegs ein Einknicken vor rechten Demagogen. Das Ziel bleibe, Diskriminierungen und Verallgemeinerungen zu vermeiden. Problematischer sei, dass sich seiner Beobachtung nach immer weniger Redaktionen überhaupt an ihr orientierten. „Ich hatte bei der Berichterstattung gestern oft das Gefühl, dass die Diskussion überhaupt nicht mehr geführt wird.“ Gerade der Onlinejournalismus produziere ein Verlangen nach „Breaking News“ – und nicht immer würden dabei journalistische Maßstäbe eingehalten. Wenn allerdings die Polizei Informationen über die Herkunft herausgebe, geisterten sie sofort durchs Netz. Medien machten sich dann lächerlich, wenn sie nicht darüber berichteten…” Artikel von Alicia Lindhoff vom 31.7.2019 bei der FR online
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