Dossier
„Die Zahlen arbeitslos gemeldeter Lehrkräfte steigen in den großen Ferien dramatisch an, letztes Jahr waren es fast 5000. Schulen und Gewerkschaften kritisieren die Ausbeutung junger Kollegen. (…) Rund 4900 Lehrkräfte meldeten sich 2017 laut Bundesagentur für Arbeit in den großen Schulferien arbeitslos, in den Jahren davor waren es noch mehr. Die Agentur hat sogar ein Wort für das Phänomen: Sommerferienarbeitslosigkeit. Offensichtlich würden die Ferien “bei vielen befristet geschlossenen Arbeitsverträgen zumindest teilweise ausgespart”, schreibt das Amt in seinem aktuellen Bericht zur Lehrerarbeitslosigkeit. Eine eventuelle Anschlussbeschäftigung erfolge erst im neuen Schuljahr. “Das ist natürlich Absicht. Es spart Geld”, sagt Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands. Mit den Lücken zwischen befristeten Lehraufträgen sparen die Bundesländer genau da, wo sie die Schulen am meisten kosten: beim Personal. “Da wird mit der Not der Menschen gehandelt”, so Lin-Klitzing. Das sei sozialpolitisch unerträglich und müsse beendet werden. Personalpolitisch unklug ist es auch. Zehntausende neue Lehrkräfte braucht das deutsche Schulwesen innerhalb der kommenden zehn Jahre. Der Job ist schwer, wird nicht genug wertgeschätzt – sollten dann nicht wenigstens die Vertragsbedingungen stimmen, um junge Menschen in den Beruf zu locken? (…) Wie groß die Gefahr ist, zwischen zwei Stellen als Bittsteller ins Jobcenter zu müssen, hängt sehr davon ab, wo man lebt. (…) Aus Sicht der Schulverwaltungen sind befristete Verträge unentbehrlich, um Arbeitsausfälle auszugleichen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert hingegen, die sogenannte Vertretungsreserve um mindestens fünf Prozent zu erhöhen. Damit würden mehr Beamtenstellen für den Vertretungsbedarf geschaffen, es müssten nicht mehr so viele Kurzzeitverträge ausgestellt werden. Das könnte auch die Zahl der Kettenbefristungen senken…“ Artikel von Susanne Klein und Jana Sauer vom 22.05.2018 in der Süddeutschen Zeitung online und weitere Beiträge:
- Auch die Bundesregierung gibt zu: Für Lehrkräfte heißt es wieder: Arbeitslos in die Sommerferien
“Regelmäßig mit Beginn der Sommerferien steigt die Zahl der arbeitslos gemeldeten Lehrkräfte sprunghaft an. Das liegt daran, dass die Bundesländer bei Neueinstellungen vor allem befristete Arbeitsverträge abschließen. Damit sollen ein paar Wochen lang Gehaltskosten gespart werden. Für die Lehrenden stellt das allerdings einen großen Unsicherheitsfaktor für die Gestaltung von Alltag und Leben dar, für die Schülerinnen und Schüler einen Bruch zu jedem neuen Schuljahr und möglicherweise fehlende Kontinuität im Unterricht. Susanne Ferschl hat die Bundesregierung nach Zahlen zu Befristungen und Arbeitslosigkeit von Lehrkräften befragt und die Zahlen hier ausgewertet. Acht von zehn Lehrkräften werden befristet eingestellt. 2018 belief sich die Zahl der begonnenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse bei Lehrtätigkeit an allgemeinbildenden Schulen auf bundesweit 65.000, davon waren 51.000 befristet. Im Juni 2019 waren 5.281 Lehrkräfte arbeitslos gemeldet. Es ist zu erwarten, dass sich der Trend der letzten Jahre fortsetzt und sich diese Zahl in den nächsten zwei Monaten nahezu verdoppelt. Im August erreicht die Arbeitslosigkeit immer ihren Höchststand. Sie lag 2018 bei 9.102 und 2017 bei 9.222 (…). Die Anzahl der arbeitssuchenden Lehrkräfte erreicht im Juni bzw. im Juli ihren Höchststand. Sie ist wieder sprunghaft auf 16.736 angestiegen und ist der Vorbote der drohenden Arbeitslosigkeit. 2019 sind zwar 200 Lehrkräfte weniger als 2018 arbeitssuchend, doch im Vergleich zu 2016 sind es 1.100 mehr (…). Besonders gravierend sind die Ausschläge bei Lehrkräften der Sekundarstufe…” Nachricht von Susanne Ferschl (Linksfraktion) vom 25. Juli 2019 mit Link zu den Angaben der Bundesregierung und zur deren Auswertung durch Susanne Ferschl
- Lehrer: Schuljahr vorbei, Job weg
“Jedes Jahr im Sommer werden viele Lehrer arbeitslos, im vergangenen August lag die Zahl bundesweit bei fast 10 000 Lehrkräften – doppelt so viele wie in den anderen Monaten des Jahres. Betroffen sind in der Regel Vertretungslehrer mit einem befristeten Vertrag, der zum Schuljahresende ausläuft. Vor allem in Baden-Württemberg steigt die Zahl arbeitsloser Lehrer im Sommer sprunghaft an. (…) Das Phänomen ist so absurd wie wiederkehrend: Lehrkräfte mit einem befristeten Vertrag finden sich für sechs Wochen auf dem Amt wieder – ehe sie nach den Ferien mit einem neuen Vertrag wieder anfangen, mitunter sogar an derselben Schule. Die Bildungsminister hatten eigentlich längst Besserung gelobt und angekündigt, ihre Lehrer nicht mehr in die Ferienarbeitslosigkeit zu schicken. (…) Neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, zeichnen ein anderes Bild. Bundesweit sprang die Zahl der arbeitslos gemeldeten Lehrerinnen und Lehrer im August 2018 auf 9102, in der übrigen Zeit des Jahres waren es jeweils nur um die 5000. Die Zahlen bewegen sich damit auf dem Niveau der Vorjahre. Auch für dieses Jahr deutet sich bereits an, dass viele Lehrer über den Sommer kurzzeitig ohne Vertrag sein werden. Etwa 16 700 Lehrkräfte hatten sich im Juni bei den Arbeitsagenturen vorsorglich als arbeitssuchend gemeldet, weil sie fürchteten, im Sommer keinen Job mehr zu haben. Auch hier ist kein Rückgang zu verzeichnen, die Zahl ist ebenso hoch wie im Juni vorigen Jahres…” Artikel von Bernd Kramer vom 25. Juli 2019 in der Süddeutschen Zeitung online
- Mehr als 6500 junge Lehrer und tausende Reinigungskräfte an Schulen im Sommer arbeitslos
“Wie in jedem Jahr sind 2019 vor den Sommerferien erneut tausende, meist junge Lehrer trotz des bundesweit hohen Personalbedarfs in die Arbeitslosigkeit geschickt worden. Das Bundesland Baden-Württemberg allein spart in wenigen Wochen 1,2 Millionen Euro bei Lehrergehältern ein, versetzt damit junge Arbeitskräfte kurzfristig in Existenznot und untergräbt die Attraktivität des Lehrberufs bzw. veranlasst junge Leute dazu, nach besseren Beschäftigungsbedingungen außerhalb des Schuldienstes zu suchen. (…) Die Sparpolitik an Schulen trifft aber nicht nur Lehrer, auch kommunal bezahlte Arbeitskräfte an Schulen leiden unter verschärften Vertragsbedingungen. So plante z.B. seit 2015 die Stadt Krefeld unter Führung der SPD jährliche Einsparungen von 300.000 Euro im Bereich ihrer Reinigungskräfte. Um die Einsparungen zu realisieren, wurden die Anzahl des Personals und die Anrechnungszeiten der Reinigung bei gleichbleibend großen Flächen zusammengestrichen. Die Arbeiten werden nicht mehr persönlich, sondern über unterbeauftragte Firmen vergeben, deren Verträge mit den Reinigungskräften im Einzelnen nicht öffentlich überprüft werden können. In Frühsommer 2019 haben Reinigungskräfte in Krefeld nun erstmals Kündigungen so erhalten, dass sie mit Beginn der Sommerferien arbeitslos geworden sind. (…) Daraufhin traten die Reinigungskräfte an der Gesamtschule am Kaiserplatz in Krefeld – wie die Schulleitung ihren Lehrern mitteilte – im Juni 2019 geschlossen in den Streik, eine Situation, bei der aus hygienischen Gründen sogar eine vorübergehende bzw. frühzeitige Schulschließung vor den Ferien zu erwägen gewesen wäre…” Beitrag von Harold Hambacher vom 15. Juli 2019 bei wsws
- Sparmodell: Lehrer in den Sommerferien nicht beschäftigen [immer noch in Baden-Württemberg und Bayern]
“Das Kultusministerium stellt klar: Für befristet angestellte Lehrerinnen und Lehrer in Bayern, die vier Wochen nach Schuljahresbeginn oder später eingestellt werden, endet der Vertrag auch künftig nach dem Schuljahr – und nicht nach den Sommerferien. Der Freistaat spart sich mit der Methode viel Geld: Er stellt zusätzliche Lehrer vier Wochen nach Schulbeginn oder später befristet als Vertretungslehrer ein und lässt ihre Verträge mit dem Beginn der Sommerferien enden. Die Ferien bekommen die Lehrer also nicht bezahlt. Etwa 800 bayerische Lehrer melden sich deshalb jedes Jahr Anfang August arbeitslos. Neben Bayern ist diese Praxis nur noch in Baden -Württemberg üblich – dort sind es 1.800 Lehrer. (…) Bundesweit hat die Sommerferien-Arbeitslosigkeit von Lehrern dagegen in den letzten Jahren abgenommen. Früher hätten viele Bundesländer Lehrer vor den Sommerferien ausgestellt, obwohl sie wussten, dass sie sie danach wieder brauchen würden, so der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz. (…) Nur Baden-Württemberg und Bayern sind laut der Lehrergewerkschaft GEW “weiter absolut hartnäckig”, diese Länder seien praktisch “nicht umstimmbar.” Als gutes Beispiel nennt die GEW-Bundesvorsitzende Marlies Tepe dagegen Rheinland-Pfalz: Dort gilt seit diesem Schuljahr die Regelung, dass alle Vertretungslehrer, die vor dem 1. März eines Jahres einen Vertrag abgeschlossen haben und mindestens bis Schuljahresende beschäftigt sind, auch in den Sommerferien bezahlt werden…” Beitrag von Maximilian Burkhart vom 01.06.2019 bei BR24
- Im wahrsten Sinne ein Sommerloch: Lehrer überbrücken in der Arbeitslosigkeit. Und dann gibt es noch die Kelleretagen des Bildungssystems
“Die einen Schüler und ihre Lehrer sind schon in den Sommerferien, in anderen Bundesländern kommen die noch. Nein, es soll hier nicht die ewige Litanei von den nicht nur im Sommer mit Urlaub gesegneten Lehrern wiedergekäut werden. Aber einige unter den Lehrkräften fallen im wahrsten Sinne des Wortes in ein Sommerloch. In dem sie nicht mehr das sind, was sie bis zu den Ferien waren, also Lehrer in Lohn und Brot. Sondern ganz profan: Arbeitslose. Und wenn sie Glück haben, bekommen sie Arbeitslosengeld I aus der Arbeitslosenversicherung, manche müssen auch auf Hartz IV zurückgreifen – und wenn der Sommer vorbei ist, dann bekommen sie vielleicht einen neuen Arbeitsvertrag, denn dann beginnt ja wieder die Schule. Und auf eins kann man sich seit Jahren verlassen – auf solche Berichte: Tausende Lehrer gehen arbeitslos in die Sommerferien . Manche Bundesländer halten an der Praxis fest, Lehrer mit befristeten Verträgen in den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. Und das verwundert nicht wirklich: »In Baden-Württemberg sind es nach Angaben eines Sprechers des Kultusministeriums 3300 Lehrer, deren Arbeitsvertrag spätestens mit dem Beginn der diesjährigen Sommerferien endet. Ein Beschäftigung und Bezahlung dieser Vertretungslehrer auch in den Sommerferien würde das Land nach seinen Worten 12,5 Millionen Euro kosten.« Die man sich gerne ersparen möchte, auf Kosten der Betroffenen oder der Arbeitslosenversicherung oder des Steuerzahlers an anderer Stelle...” Beitrag von Stefan Sell vom 9. Juli 2018 bei aktuelle Sozialpolitik
- Sparmaßnahmen an Schulen: Mit den Ferien kommt die Entlassung“Tausende angestellte Lehrer werden vom Staat pünktlich zu Beginn der Sommerferien für sechs Wochen in die Arbeitslosigkeit geschickt. Einige Bundesländer fallen dabei besonders auf…” Artikel von Armin Himmelrath vom 09.07.2018 beim Spiegel online
- Bundesländer schicken im Sommer tausende Lehrer in Arbeitslosigkeit
“… Die Bundesländer haben während der Sommerferienzeit im vergangenen Jahr tausende Lehrer in die Arbeitslosigkeit geschickt. Bis zu 7000 mehr Lehrer waren in den Sommerferien 2015 arbeitslos als in normalen Monaten mit Schule – vor allem wegen befristeter Verträge. Angesichts des verbreiteten Lehrermangels fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein Ende dieser Spar-Praxis. (…) Zahlen über die Lage in den Sommerferien 2016 lagen noch nicht vor. Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe mahnte: “Vor allem wegen der Flüchtlingskinder werden Lehrer in vielen Regionen händeringend gesucht.” Deshalb müssten die Länder den Lehrern gute Bedingungen bieten. “Wer Stellen nach den Sommerferien nicht besetzen kann, sollte sich kein Hire-and-Fire-Prinzip leisten”, sagte Tepe der dpa…” Arbeitsrecht aktuell 16/270 vom 31. August 2016 bei der RA-Kanzlei Hensche . Siehe dazu:- Befristete Lehrerverträge: Ohne Bezahlung in die Sommerferien?
Während der Sommerferien müssen viele Lehrer darum bangen, im nächsten Schuljahr wieder eingestellt zu werden. Schuld daran sind befristete Verträge. Einen zufriedenstellenden Lösungsansatz gibt es bisher nicht. (…) Jochen Nagel vom GEW-Landesverband Hessen sagt, es gehe bei dem Thema um die grundsätzliche politische Frage, „inwieweit man bereit ist, durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse Geld einzusparen“. Eine Sprecherin des baden-württembergischen Kultusministeriums sagt dazu, mit Blick auf den Landeshaushalt sei „die Weiterbeschäftigung aller befristet Beschäftigten über die Sommerferien hinweg schlichtweg nicht finanzierbar“….” Bericht von Christoph Strauch vom 7. September 2016 bei der FAZ online
- Befristete Lehrerverträge: Ohne Bezahlung in die Sommerferien?
- Erneut tausende „Elf-Monatslehrkräfte“ über die Sommerferien entlassen
„Viele Bundesländer kündigen auch in diesem Sommer erneut viele befristet angestellte Lehrerinnen und Lehrer, um kurzfristig Gehälter zu sparen. Als „Skandal“ bezeichnete GEW Vorstandsmitglied Andreas Gehrke die Tatsache, dass sich daran auch nach weiteren zwei Jahren nichts geändert habe. Bereits 2013 hatte die GEW die Bundesländer zum wiederholten Male dazu aufgefordert, Lehrerinnen und Lehrer über die Sommerferien nicht in die Arbeitslosigkeit zu schicken…“ GEW-Pressemitteilung vom 11.08.2015
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