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Sie sagte Nein
Das Strafmaß des Obersten New Yorker Gerichts steht noch aus, das Urteil der Jury aber steht fest, und für die MeToo-Bewegung, die von dem Fall ausgelöst wurde, ist es ein Signalurteil: Die Geschworenen haben den früheren Filmproduzenten Harvey Weinstein am Montag in Manhattan der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung schuldig gesprochen. Das teilte die Jury aus sieben Männern und fünf Frauen nach einwöchiger Beratung mit. Weinstein, bis vor zwei Jahren eine der mächtigsten, mit Politik, Medien und Justiz bestens vernetzten Figuren der US-Unterhaltungsindustrie, waren von mehr als 80 Frauen, darunter Angelina Jolie, Uma Thurman und Salma Hayek, sexuelle Übergriffe vorgeworfen worden. Ende 2017 hatten sich von Missbrauch Betroffene erstmals öffentlich geäußert. Das führte schließlich zum jetzigen Prozess in New York und konkret zur Verhandlung zweier Vorwürfe: Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Miriam Haleyi zu sexuellen Handlungen gezwungen und 2013 Jessica Mann vergewaltigt haben. Die Jury befand ihn in diesen Fällen für schuldig.
In zwei weiteren Punkten wegen wiederholter sexualisierter Gewalt sprach sie ihn frei. Auch im schwersten, mit lebenslänglich bewehrten Anklagepunkt des »predatory sexual assault« (räuberische sexuelle Übergriffe) entlasteten ihn die Geschworenen. Das Strafmaß des Gerichts soll am 11. März verkündet werden. Dem Angeklagten droht Haft zwischen fünf und 25 Jahren. Die Verteidigung geht in Berufung.
Die Staatsanwaltschaft hatte in den vergangenen sieben Wochen im Gericht mit Hilfe von sechs Hauptzeuginnen ein Muster von Weinstein sichtbar gemacht: ein Mann, der seine Macht in der Filmindustrie benutzte, um sexualisierte Gewalt gegenüber jungen Frauen auszuüben - mit dem Versprechen auf Karriere und sie dann bei Widerstand zu vergewaltigen. Seine Verteidiger, angeführt von der Chicagoer Anwältin Donna Rotunno, wählten den Weg der Täter-Opfer-Umkehr, warfen den Zeuginnen Mitschuld vor und sahen ihren Mandanten in einer Opferrolle.
Strittig war in der Jury zuletzt der Straftatbestand des »predatory sexual assault«. Die Jury hatte deshalb vor dem Wochenende bei Richter James Burke angefragt, ob auch ein Geschworenenurteil anerkannt würde, das nicht in allen Punkten einstimmig sei. Das US-Strafrecht schreibt jedoch ein einstimmiges Urteil in allen Anklagepunkten vor. Der Richter entließ daher die Jury zum Wochenende nicht aus der Pflicht, weiter zu beraten.
Bei der Anklage des »predatory sexual assault« geht es nicht um eine Einzelstraftat, sondern um ein wiederkehrend rücksichtsloses Verhalten gegenüber Frauen. Hierin waren die Geschworenen in Manhattan uneins, zumal es dabei nicht nur um die Klägerinnen Haleyi und Mann, sondern auch um eine weitere Frau ging. Sie trat als Zeugin auf: Annabella Sciorra, Darstellerin in der Serie »Die Sopranos«. Sie beschuldigt Weinstein der Vergewaltigung. Die mutmaßliche Tat Anfang der 90er Jahre gilt als verjährt, weshalb Sciorra zwar nicht als Klägerin, aber als Zeugin für ein kriminelles Tatmuster des Angeklagten aussagte.
Harvey Weinstein, so die Sicht der Staatsanwaltschaft, hatte Gespür für die Verletzlichkeit, Schutzlosigkeit und Machtabhängigkeit der potenziell Betroffenen. Das zeigte sich auch am Beispiel von Jessica Mann: Mit 16 Jahren aus einem zerrütteten Elternhaus geflohen, kam sie nach Los Angeles - eine von vielen Jugendlichen, die auf Karriere in den Studios von Hollywood hoffen. Nach ersten Minijobs trifft sie auf einer Party den Produzenten, der in der Folge den Kontakt zu Mann ausbaut. Weinstein lädt sie in Bars ein, spricht über ihre Laufbahn und unterzieht sie, wie Staatsanwältin Meghan Hast es nannte, »ersten Tests«. Eines Abends bietet er Jessica eine Massage an. Sie sagt Nein.
Nach Aussage der Staatsanwältin setzte Weinstein die Frauen mit seiner Macht, Jobs und versprochenem Aufstieg unter Druck. Anwältin Hast spielte im Plädoyer auf Grimms Märchen »Hänsel und Gretel« an: »Er war die alte Frau im Lebkuchenhaus.« Die Taten selbst beschrieb die Anklägerin als brutale Übergriffe. Weinstein, 1,84 Meter groß, habe seinen Körper ebenfalls als Waffe eingesetzt. Gegenüber Jessica Mann war er mehrmals gewalttätig geworden.
Mit dem Prozess von New York, dem ersten großen Verfahren seit dem Bekanntwerden von gesamtgesellschaftlichen Defiziten im Umgang mit sexueller Gewalt, die unter anderem auch von der MeToo-Bewegung öffentlich gemacht wurden, hat sich Weinsteins Fall noch nicht erledigt. Schon am ersten Verhandlungstag in New York hatte der Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles weitere Klagen angekündigt. Dort wird Weinstein der Vergewaltigung sowie des sexuellen Missbrauchs im Jahre 2013 beschuldigt. Aus einem Mann, der bis vor Kurzem als unbezwingbar galt, ist ein verurteilter Straftäter geworden.
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