Mittwoch, 26. Februar 2020

Sanktionen nach dem BVerfG-Urteil zu Hartz-IV-Sanktionen – wie weiter?


Dossier

Wer nicht spurt, kriegt kein Geld“… Vor allem hat das Urteil sofortige Wirkung – und sorgt daher zumindest aufschubweise für Sanktionsfreiheit für neue Fälle. Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat nach Informationen des »nd« die Jobcenter aufgefordert, bis zur Klärung der Umsetzung des Urteils zu den Hartz-IV-Sanktionen vorerst keine neuen Sanktionsbescheide zu vollstrecken. (…) Bereits sanktionierte würden hingegen weiterhin sanktioniert bleiben – und nur auf 30 Prozent zurückgestuft. Auch seien neue Verfahren wegen Regelverstößen weiterhin einzuleiten, nur eben erstmal nicht zu sanktionieren. (…) Wir »haben vereinbart, in den nächsten zwei, drei Wochen zunächst mal keine Sanktionen auszusprechen, auch nicht im Jugendbereich.« Auch bei den Jobcentern in kommunaler Trägerschaft haben sich nach Recherchen von »nd« mehrere dazu entschieden, übergangsweise erst einmal nicht mehr neu zu sanktionieren. (…) Ein großer Unsicherheitsfaktor, der mit zu dem derzeitigen Sanktionsaufschub geführt hat, ist die Frage, wer ab sofort ein Härtefall ist – und als solcher nicht mehr sanktioniert werden darf. (…) »Hier sind Abstimmungen mit dem BMAS, den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden notwendig.« »Die einzige Ausnahme bei den Sanktionen bleiben die Meldeversäumnisse. Diese werden wir weiter verhängen, weil wir damit rechnen, dass sie in ihrer heutigen Form Bestand behalten«, sagte Worm. Das diese auch bei der BA weiter geahndet werden, bestätigte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit…” Artikel von Alina Leimbach vom 07.11.2019 beim ND online externer Link: “Sanktionsaufschub in den Jobcentern. Nach dem Urteil zu Hartz-IV-Sanktionen bittet das Arbeitsministerium um Vollzugsstopp neuer Sanktionen”, siehe dazu u.a. die vorläufige Weisung der BA und des BMAS zu Sanktionen und Tacheles-Hinweise:
  • Gängelung auch nach Urteil zu Hartz-IV-Sanktionen New
    “Vier Monate sind seit dem Sanktions-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vergangen. Das Urteil besagt, dass Hartz-IV-Sanktionen in Form von Leistungskürzungen zwar weiterhin zulässig sind, aber nur bis maximal 30 Prozent. Während ein neues Gesetz ausgearbeitet werden muss, das das Urteil umstetzt, geht die Sanktionspraxis der Jobcenter indes weiter. Einige Jobcenter halten sich zwar an das Urteil, finden aber andere Wege der Gängelung von Leistungsbezieher*innen. Ein Beispiel dafür sind die Berliner Jobcenter. Wie das Urteil des Bundesverfassungsgericht vier Montate danach zu bewerten ist und wie es umgesetzt wird, darüber sprachen wir mit Harald Thomé vom Tacheles e.V., sowie mit Vertreter*innen der Berliner Erwerbsloseninitiative Basta und der solidarischen Aktion Neukölln.” Beitrag vom 17. Februar 2020 von und bei Radio Corax externer Link Audio Datei (Audiolänge: 8:50 Min.)
  • Der Kampf gegen Sanktionen ist vor allem ein politischer und kein rechtlicher 
    In einem Forderungspapier “zur gesetzlichen Neuregelung der Sanktionen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende” vom 27. Januar 2020 externer Link  treten die Landesarbeitsminister*innen von Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen, trotz der Sanktionsentscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 externer Link für den Weiterbestand von Sanktionen ggf. auch von 100 Prozent ein. (…) Die Akteure von CDU/CSU berufen sich hierbei ausdrücklich auf den Inhalt der BVerfGE. Doch ist das überhaupt möglich? (…) Eine von der realen Wirtschafts- und Sozialpolitik unabhängige verfassungskonforme Mitwirkung kann es insofern nicht geben. (…) Jede Mitwirkungspflicht bei sozialem Unterstützungsbedarf lässt sich jedoch nur verfassungskonform rechtfertigen, wenn überprüft wird, wobei denn überhaupt konkret mitgewirkt werden soll, also wenn genau das getan wird, von dem der Erste Senat in seiner Sanktionsentscheidung abstrahiert. (…) ob nun gewollt oder nicht, letztlich betreibt der Erste Senat hier vor allem (neoliberale) Politik im juristischen Gewand (…) als politischen Auftrag, die aktuelle Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik im Sinne des Primat der Menschenwürde und des Sozialen – und damit auch verfassungsgemäß – zu verändern. Denn nicht nur bei Hartz IV ist der Sozialstaat immer mehr zu einem Instrument neoliberaler wirtschaftspolitischer Steuerung verkommen. Das muss und kann nur durch politische Aktion geändert werden. Wenn uns das BVerfG hierbei auch wenig hilfreich ist; es kann uns das auch nicht verbieten.” Diskussionsbeitrag von Armin Kammrad vom 17. Februar 2020  – wir danken!
  • CDU/CSU Kampagne zur Umgehung des BVerfG – Urteils zu Sanktionen – Ziel: Ausweitung der Sanktionen auf wieder 100 %! 
    “Die Arbeitsministerinnen und -minister Karl-Josef Laumann (NRW, CDU), Nicole Hoffmeister-Kraut (BW, CDU), Kerstin Schreyer (BY, CSU) und Harry Glawe (MV, CDU) fordern eine rasche Neuregelung von Sanktionen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Und zwar fordern sie bei “hartnäckiger Weigerung zur Mitwirkung” auch den kompletten Leistungsentzug im SGB II, also wieder 100 % Sanktionen. Damit soll, unter Federführung des Herrn Laumann, das Urteil des Verfassungsgerichts umgangen und Druck auf das Gesetzgebungsverfahren ausgelöst werden. Diese Initiative ist unbedingt beachtenswert, besonders dass die geforderten Neuregelung als Anspruchsvoraussetzung für den SGB II – Bezug ausgestaltet werden sollen. Mit anderen Worten: Die Unterwerfung zur kapitalistischen Verwertung soll Anspruch auf Existenzsicherung und der Erlangung der Menschenwürde sein. Dazu ist zu sagen, das Menschenwürdeprinzip gilt bedingungslos…” Meldung Pkt.1 aus Thomé Newsletter 05/2020 vom 10. Februar 2020 bei Tacheles externer Link mit Links zu weiteren Beiträgen zum Thema – dass die “Unterwerfung zur kapitalistischen Verwertung” die zentrale Aussage der BVerfG-Sanktionsentscheidung ist, muss wohl leider erst die Praxis beweisen. Zumindest ist es – auch ohne korrekte juristische Urteilsreflexion – kein Mangel bzw. Fehler gegen Sanktionen über 30 Prozent und gegen die Umwandlung des sozialen in den neoliberalen Rechtstaat zu kämpfen.
  • Manche wollen es nicht lassen: Sie sollen wieder auferstehen, die 100-Prozent-Sanktionen im Hartz IV-System. Aber hatte nicht das Bundesverfassungsgericht …? Hat es nicht 
    “Erinnern wir uns an den 5. November 2019. Ein wichtiger Tag nicht nur für viele Betroffene, sondern auch für das Verfassungs- und Sozialrecht insgesamt. Denn an diesem Tag verkündete das Bundesverfassungsgericht eine seit Jahren erwartete Entscheidung zu der Frage, ob Sanktionen im Hartz IV-System verfassungsrechtlich zulässig sind oder eben nicht. (…) Nach der Urteilsverkündung konnte man überall lesen, dass es in Zukunft keine Sanktionen mehr geben darf, die eine Absenkung des Existenzminimums um mehr als 30 Prozent überschreiten. Und dass die Betroffenen auch nicht mehr schematisch für drei Monate bestraft werden dürfen. Auch müssen die Jobcenter „Härtefälle“ berücksichtigen. Und jetzt wird man mit solchen Meldungen konfrontiert: »Hartz-IV-Beziehern sollte nach Auffassung mehrerer Arbeitsminister der Union auch künftig die Unterstützung komplett entzogen werden können, wenn sie nicht kooperieren.« (…) »Ein vollständiger Wegfall der Leistungen halte auch das Bundesverfassungsgericht im Extremfall für zulässig, betonten die Arbeitsminister aus NRW, Baden-Württemberg, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern in einer gemeinsamen Mitteilung.« Wie das? Kann das wirklich sein? (…) In vielen Berichten konnte man immer wieder lesen oder hören, dass Sanktionen über eine Kürzung von 30 Prozent der Regelleistungen hinaus nicht mehr zulässig seien, nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts.  Allerdings ist dem nicht so – und darauf wurde hier bereits am 6. November, also einen Tag nach der Urteilsverkündung hingewiesen (…) Vom „Überbau“ her gesehen sind zwei Begriffe von zentraler Bedeutung: Nachranggrundsatz und eine daraus abgeleitete Mitwirkungspflicht (…) Vor diesem Hintergrund sei in gewissen Grenzen auch eine Sanktionierung zulässig sei, solange sie die „in diesem Bereich geltenden strengen Maßstab der Verhältnismäßigkeit“ einhalten, was dann wiederum die Verfassungswidrigkeit einer 60- oder gar 100-Prozent-Sanktionierung erklärt. (…) Fazit: Eine Exegese des Urteils des BVerfG vom 5. November 2019 eröffnet tatsächlich die grundsätzliche Option einer auch über die immer wieder zitierte „Grenze“ von 30 Prozent-Kürzungen hinausreichende Sanktionierung. Genau das versuchen die zitierten Arbeitsminister aus einigen Bundesländern nun wieder auf das Spielfeld zu schießen. Fazit: Es wird am Ende eine politische Entscheidung sein, in welchem Ausmaß der Gesetzgeber die Sanktionen im SGB II begrenzt. Nicht helfen wird den Sanktionsgegnern wie dargelegt ein schlichter Verweis auf eine (angebliche) Verfassungswidrigkeit. Die kann man bei allen Restriktionen, die das Urteil dem Gesetzgeber als „Leitplanken“ mit auf den Weg gegeben hat, so nicht der Entscheidung entnehmen…” Beitrag von Stefan Sell vom 3. Februar 2020 auf seiner Homepage externer Link
  • »Leistungsgedanken« à la Schröder. Hohe Hartz-IV-Sanktionen sind verfassungswidrig. Verantwortliche wollen sie dennoch erhalten
    “… Die jüngste Statistik zu den Vollsanktionen für den Monat September 2019, welche die Bundesagentur für Arbeit (BA) am 10. Januar veröffentlicht hatte, gibt noch einmal einen Überblick über die härtesten Strafen. Danach hatten Jobcenter an einem Stichtag des Monats 6.178 Hartz-IV-Bezieher auf Null gesetzt, knapp die Hälfte davon war jünger als 25 Jahre. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) muss das Gesetz nun ändern. Es bleibt abzuwarten, ob er und seine Regierungskollegen Hintertürchen in die Novelle einbauen werden, um das Existenzminimum über Umwege weiterhin schärfer kürzen zu können. Einige gibt es schon jetzt. (…) Einer, der die harten Strafen lange mitgetragen hat, ist Heinrich Alt. Von 2002 bis 2015 war er Vorstandschef der BA. Bis heute verteidigt er den Strafapparat. Am 30. Dezember sagte er dem »Redaktionsnetzwerk Deutschland« (RND): »Was das Bundesverfassungsgericht und das Arbeitsministerium jetzt aus Hartz IV machen, ist die bedingungslose Grundsicherung.« Wenn jemand keine Angst vor höheren Kürzungen als 30 Prozent haben müsse, brauche »er sich nicht mehr zu melden, nicht mehr zu kooperieren und bekommt 70 Prozent des Regelsatzes und die volle Miete bezahlt«. Andere gingen schließlich »brav zur Arbeit« und »finanzieren das alles«, polemisierte Alt. So sieht das auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), unter dessen Regierung die Agenda 2010 inklusive Hartz IV eingeführt worden war. Am Silvestertag beharrte er gegenüber der Osnabrücker Zeitung auf harten Sanktionen: Man dürfe »Bedürftige nicht fördern, ohne zu fordern«, so Schröder. Was zähle, sei »der Leistungsgedanke«.” Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 22.01.2020 externer Link (im Abo), siehe zum Hintergrund:
    • Hartz IV: So massiv sind die Kürzungen bei Sanktionen
      Wer bei Hartz IV gegen Regeln verstößt, dem wird Geld gestrichen. Zahlen der Bundesregierung zeigen, wie massiv die Kürzungen sind. Termine beim Jobcenter nicht eingehalten, Arbeitsangebote abgelehnt: Tausenden Hartz-IV-Empfängern werden Monat für Monat die Leistungen gekürzt. Teilweise müssen sie drastische Einbußen hinnehmen. Das zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag. Im Durchschnitt wurden im Jahr 2018 in jedem Monat etwa 132.000 der insgesamt 4,1 Millionen Leistungsberechtigten die Bezüge gekürzt. In der Regel fällt die Kürzung nach den Zahlen der Bundesregierung glimpflich aus – in 43 Prozent der Fälle geht es um weniger als zehn Prozent des Regelsatzes, also weniger als 41,60 Euro. Damals lag der Regelsatz bei 416 Euro. Aktuell sind es 432 Euro. Weiteren 38 Prozent hat das Jobcenter 2018 die Leistungen um bis zu 30 Prozent gekürzt. Jeder fünfte sanktionierte Hartz-IV-Empfänger musste dagegen nach gravierenden Regelverstößen empfindlichere Einbußen bei der Grundsicherung hinnehmen. In 19 Prozent der Fälle lag die Kürzung bei mehr als 30 Prozent des Regelsatzes. Aus der Regierungsantwort geht zudem hervor, dass die Leistungen bei rund 7000 Empfängern komplett gestrichen worden sind. Das passiert, wenn Empfänger die gemeinsam mit dem Jobcenter getroffene Vereinbarung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt mehrfach in Folge nicht erfüllen…” Meldung in der WAZ online vom 19.1.2020 externer Link
  • Nach dem Urteil des BVerfG ist Hartz IV eine „bedingungslose Grundsicherung“ geworden? Was für ein Unsinn 
    “Das nunmehr vergangene Jahr war im Bereich der Grundsicherung vor allem durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 5. November 2019 geprägt (…), bei dem es um einen Teil der Sanktionen innerhalb des Hartz IV-Regimes ging. (…) »Der frühere Bundesagentur-Vorstand Heinrich Alt übt harte Kritik an der Lockerung der Sanktionsregeln für Hartz-IV-Empfänger. Hartz IV sei inzwischen eine „bedingungslose Grundsicherung”. Das sei ungerecht gegenüber denjenigen, die jeden Morgen brav zur Arbeit gehen«, kann man diesem Artikel entnehmen (…) Eine „bedingungsloses Grundsicherung“? Was für ein Unsinn. Davon kann keine Rede sein. Warum? Ganz einfach deshalb, weil wir es mit einer „nicht-bedingungslosen“ Grundsicherung zu tun haben, die man gerade nicht verwechseln darf mit einem „bedingungslosen Grundeinkommen“ (und der Bezug darauf schwingt hier immer mit bei solchen falschen Einordnungen). Denn beim Arbeitslosengeld II und dem Sozialgeld nach SGB II handelt es sich um eine bedürftigkeitsabhängige Sozialhilfeleistung. Das Vorliegen einer definierten Bedürftigkeit ist Zugangsvoraussetzung in das Hilfesystem. (…) Und daraus resultieren für die Betroffenen umfangreiche Mitwirkungspflichten (beim Verfahren vor dem BVerfG ging es mit Blick auf einen Teil der Sanktionen um eine Verletzung eines Teils der Mitwirkungspflichten). Und die hier zentrale Mitwirkungspflicht, die staatlich definierte Bedürftigkeit nachzuweisen, bevor man Leistungen bekommen kann, ist nun keineswegs durch die Entscheidung des BVerfG vom 05.11.2019 aufgehoben worden. (…) Natürlich kennt der Herr Alt als nunmehr ehemaliges Vorstandsmitglied der Sozialbehörde BA diese rechtlichen Regelungen. Er will uns hier mit seinem Gerede von der „bedingungslosen“ Grundsicherung ganz offensichtlich hinter die Fichte führen. Es geht hier nicht oder weniger darum, dass erneut mal wieder Menschen unten gegen Menschen ganz unten in Stellung gebracht werden sollen. Offensichtlich betrübt den Mann die Tatsache, dass das BVerfG einen Teil der besonders harten Sanktionen gegenüber Hartz IV-Empfänger begrenzt hat. Beispielsweise die „100-Prozent-Sanktionen“, also den vollständigen Entzug von Hartz IV-Leistungen, die das Vorliegen von Bedürftigkeit voraussetzt, beispielsweise aufgrund von verhaltensbedingten Verletzungen eines Teils der Mitwirkungspflichten. Das führt im Ergebnis natürlich zu einer (teilweisen) Begrenzung der Durchgriffsmacht der Jobcenter, also einem „Machtverlust“ auf der strafenden Seite des Systems…” Beitrag von Stefan Sell vom 1. Januar 2020 auf seiner Homepage externer Link
  • [Buch] Hartz IV: das Urteil – Der Kampf geht weiter! Ein ExistenzMINIMUM kann man nicht kürzen 
    Von Burkhard Tomm-Bub, M. A. ist am 22.11.2019 ein Book on Demand externer Link erschienen (Paperback, 92 Seiten, ISBN-13: 9783750421783, 4,49 € inkl. MwSt. / portofrei) mit folgernder Gliederung: 1) Das Sanktions-Urteil 2) Beraterische Konsequenzen 3) Analyse der Sanktionen – oder – Die Vernichtung des Hartz IV anhand von Fakten und Erkenntnissen unterschiedlicher Wissenschaften. 4) Konkreter Widerstand gegen Hartz IV. Taktiken und Strategien. 5) Unsere Ohrfeigen – Performance vor dem BVerfG am 05.11.2019 6) Hall Of Fame.
  • SGB II-Sanktionen: Neue Weisung der BA
    “… Nun gibt es die Weisung der BA, in der sie klipp und klar sagt: keine Leistungsminderung durch Sanktionen oberhalb 30 % des Regelbedarfes. Den ganzen Vorgang hat Inge Hannemann auf der Homepage von Tacheles e.V. dargestellt externer Link, am Ende des Textes gibt es die neuen Weisungen und eine Gegenüberstellung alte/neue Weisung, um die Änderungen nach unserer Intervention nachvollziehen zu können. (…)  Dann möchte ich neben den oben genannten grundsätzlichen Erwägungen des EuGH folgende Punkte anmerken:Das BVerfG sagt eine Leistungsminderung soll nicht erfolgen, wenn dies im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu einer „außergewöhnlichen Härte“ führen würde. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn eine Minderung in der Gesamtbetrachtung des Einzelfalls untragbar erscheint. Diese liegt meines Erachtens an folgenden Punkten vor, wenn…”Aus dem Thomé Newsletter 44/2019 vom 09.12.2019 externer Link
  • Schulden an die Regionaldirektion oder sonstige Forderungseinzugsstellen getilgt werdenGibt das Jobcenter Forderungen wegen Aufhebung, Erstattungs- oder Kostenersatz oder Darlehen an den jeweiligen Forderungseinzug weiter und werden dort Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen, werden diese Forderungen bei Nichteinhaltung einer vereinbarten Zahlung sofort in voller Höhe fällig. In der Folge fallen Zinsen, Mahngebühren und ggf. Vollstreckungskosten an. In diesem Fall liegt eine besondere Härte vor, was dazu führen muss, dass nicht sanktioniert werden darf. Ansonsten würde das Existenzminimum deutlich unterschritten werden.
  • Bundesagentur für Arbeit korrigiert nach einem Leak den Entwurf der neuen Sanktionsregelungen
    Das war schon ein starkes Stück, was sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) und das Bundesarbeitsministerium geleistet haben. Obwohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Anfang November entschieden hat, dass Hartz-IV-Sanktionen über 30 Prozent „verfassungswidrig“ sind, sollen auch in Zukunft Kürzungen über 30 Prozent möglich sein. Das geht aus einem Entwurf der neuen fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit hervor, die zunächst vom Erwerbslosenverband Tacheles e.V. in Wuppertal geleakt wurden. Und die sind brisant. Auf der Webseite des Verbandes schreibt Tacheles: „Bundesagentur für Arbeit plant mit neuen Dienstanweisungen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen zu unterlaufen!“ Das sitzt. (…)Nach der Veröffentlichung des Entwurfes musste die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesarbeitsministerium umschwenken. Das fordert bereits schon das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5.11.2019. Es ist trotzdem erschreckend, wie versucht wurde, dieses Urteil mit Tricks zu umgehen.” Beitrag von von Inge Hannemann vom 04.12.2019 bei Tacheles externer Link mit allen Dokumentien, siehe dazu auch:
    • BA und BMAS haben versucht, das Urteil des Verfassungsgerichts zu umgehen – und konnten dabei gestoppt werdenBA und BMAS wollten mit einer neuen Weisung entgegen des Urteils des BVerfG wieder Sanktionen oberhalb von 30 % des Regelbedarfes durchsetzen. Diese Umgehung sollte mit einer Addierung der 30 % Sanktionen wegen Pflichtverstößen und 10 % wegen Meldeversäumnissen erfolgen. Die Argumentation der Verantwortlichen war: da das BVerfG diese Addierung nicht explizit untersagt habe, sei sie zulässig und wenn sie zulässig ist, und wenn wir es nicht untersagt bekommen, dann machen wir es auch. Tacheles hatte dieses Projekt am Mittwoch bekannt gemacht und Alarm geschlagen, die Weisungsentwürfe veröffentlicht und die Medien und interessierte Öffentlichkeit auf diesen Versuch der Aushebelung der Begrenzung von Sanktionen aufmerksam gemacht. Herr Heil, als zuständiger Minister ist dann sofort zurückgerudert, hat was von “Missverständnissen” erzählt und eigentlich für das Wochenende  eine neue Weisung ohne Missverständnisse angekündigt, die doch noch nicht ergangen ist. So jetzt nochmal zusammengefasst: dieser Kampf ist gewonnen, das Projekt Sanktionen oberhalb 30 % durchzusetzen, ist für das BMAS und die BA erstmal gescheitert. Wir sind schon gespannt darauf, was sich die BA und das BMAS das nächste Mal ausdenken, um das Sanktionsregime nun wieder durchzuziehen oder ob sie es mal sein lassen und im Lichte des Urteils des BVerfG wirklich mal an geeigneten Weisungen arbeiten, die nicht nur darauf abstellen mit juristischer Winkelakrobatik die maximal mögliche Existenzvernichtung der ALG II-Beziehenden jederzeit und immer durchsetzen zu können…” Aus dem Thomé Newsletter 43/2019 vom 01.12.2019 externer Link
  • [Gemeinsame Erklärung] Arbeitslose fördern statt ins Existenzminimum eingreifen“In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Arbeiterwohlfahrt, die Diakonie Deutschland und der Paritätische Wohlfahrtsverband gemeinsam mit weiteren Partnern, Verbänden, und Organisationen wie Tacheles, die bestehenden Sanktionsregelungen im Hartz-IV-System aufzuheben und ein menschenwürdiges System der Förderung und Unterstützung einzuführen. Anlass ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019, nach dem die Sanktionen nur teilweise verfassungswidrig sind. Die Unterzeichnenden sind sich einig: Es darf keine Kürzungen am Existenzminimum geben. Durch Sanktionen werde das Lebensnotwendige gekürzt und soziale Teilhabe unmöglich gemacht. Die Politik ist schon lange in der Verantwortung, das Hartz-IV-System so zu ändern, dass die Würde der Leistungsbezieher geachtet und nicht durch Sanktionen beeinträchtigt wird.” Gemeinsame Erklärung vom 5. November 2019 externer Link  – wir danken Harald Thomé für den Hinweis
  • Bundesagentur für Arbeit plant mit neuen Dienstanweisungen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen zu unterlaufen! 
    Die BA möchte entgegen des Urteils des BVerfG wieder Sanktionen oberhalb von 30 % des Regelbedarfes durchsetzen. Wir erlauben uns deshalb die dahingehenden  internen Weisungen im Entwurfsstadium  zu veröffentlichen um dieses Kalkül offenzulegen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) überarbeitet derzeit ihre Dienstanweisungen zu den Sanktionen im SGB II. Das wurde nötig, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil vom 5. November 2019 die Hartz-IV-Sanktionen für verfassungswidrig erklärt hatte. Dem Verein Tacheles, der bei dem Sanktionsverfahren als sachverständiger Dritter beteiligt war, liegen nun die Entwürfe der geplanten Änderungen vor und diese sind erschreckend. Die BA versucht nach Ansicht des Vereins die Entscheidung des BVerfG durch ihre Weisungen zu umgehen. Die Dienstanweisungen sind für alle Jobcenter in sogenannten gemeinsamen Einrichtungen verbindlich, auch die Jobcenter in Optionskommunen orientierten sich in der Regel an diesen Vorgaben. (…)Die BA plant nun, Sanktionen wegen Pflichtverletzungen (30 %) und Sanktionen wegen Meldeversäumnissen (10 %) gegebenenfalls zu addieren (Quelle: Rz 31.34, Rz 32.4a Weisungsentwurf). Durch eine solche Addition würde eine wesentliche Vorgabe des BVerfG missachtet, weil bei zeitlichem Zusammentreffen von mehreren Sanktionen das 30-Prozent-Limit überschritten würde. (Hintergrundinformationen in der Anmerkung) Zudem hat das BVerfG ausdrücklich erklärt, dass bezüglich der Gewährung von Sachleistungen und Wertgutscheinen erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel bestehen, da kein verbindlicher Anspruch auf diese Ergänzungsleistungen besteht und diese auch der Höhe nach nicht konkret quantifiziert sind. Nun sieht der Entwurf der neuen Weisung vor, dass solche Sachleistungen und Wertgutscheine weiterhin möglich sein sollen. Sie sind vorgesehen, wenn die Leistungen infolge des Zusammentreffens mehrerer Sanktionen um 50 Prozent und mehr gekürzt werden. (Quelle: Rz 31.37). Auch mit dieser Weisung stellt sich die BA gegen die Vorgaben des BVerfG. Schließlich bleibt im vorliegenden Weisungsentwurf auch der Umstand unberücksichtigt, dass bei vielen Leistungsbeziehenden die tatsächlichen Unterkunftskosten nicht anerkannt werden. Diese müssen einen Teil der Unterkunftskosten aus dem Regelsatz finanzieren. In solchen Fällen ist die Wohnung bei Sanktionen von 30 Prozent und mehr akut gefährdet, was bei einer Entscheidung über Leistungskürzungen zwingend zu beachten wäre. In dem Weisungsentwurf wird dieser Aspekt bei der Prüfung, ob ein Härtefall vorliegt, jedoch nicht einmal erwähnt. „Die BA will mit den geplanten Weisungen, die vom Verfassungsgericht auf 30 Prozent begrenzten Sanktionen aushebeln. Tacheles verurteilt diesen Versuch, Leistungskürzungen in das unverfügbare Existenzminimum hinein aufrecht zu erhalten, auf das Schärfste. Deshalb schlagen wir Alarm und fordern die BA auf, sich an die Vorgaben des BVerfG zu halten und diese zeitnah mit Augenmaß umzusetzen“, so Harald Thomé vom Erwerbslosenverein Tacheles…” Tacheles-Mitteilung vom 27.11.2019 externer Link mit den Weisungsentwürfen der BA in Abstimmung mit dem BMAS zum Download. Siehe dazu:
    • ver.di zu Hartz-IV-Sanktionen: Existenzminimum darf nicht angetastet werden
      Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert den Gesetzgeber auf, dafür zu sorgen, dass das Existenzminimum künftig komplett frei von Maßregelungen bleibt. „Betroffene brauchen Unterstützung und keine Sanktionen“, bekräftigte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke am Mittwoch. Zuvor war berichtet worden, dass die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesministerium für Arbeit (BMAS) an einer internen Weisung arbeiten, die die kürzlich vom Bundesverfassungsgericht gezogene Grenze bei Sanktionen im Sozialgesetzbuch II (SGB II) über 30 Prozent hinaus erweitern könnte. Das BMAS will einer Mitteilung zufolge sicherstellen, dass die rote Linie des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen nicht überschritten wird, was ver.di zwar grundsätzlich begrüße. Das reiche jedoch nicht aus, betonte Werneke: „Vor allem müssen die bestehenden Regelungen aufgehoben und durch ein menschenwürdiges und verfassungskonformes System ersetzt werden. Das Sozialstaatsgebot und die Menschenrechtsartikel im Grundgesetz geben eindeutig vor, dass das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum überhaupt nicht sanktioniert werden darf“, stellte der ver.di-Vorsitzende klar…” ver.di-PM vom 27.11.2019 externer Link
  • Hartz-IV-Urteil: Bundesagentur kassiert Sanktionsbescheide für alle 
    “… Nach dem Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die Bundesagentur für Arbeit Sanktionen auch gegen Betroffene unter 25 Jahren ausgesetzt. “Wir verschicken derzeit keine Sanktionsbescheide”, sagte Arbeitsagentur-Chef Detlef Scheele den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Den Jobcentern sei mitgeteilt worden, dass die vom Gericht angemahnte Änderung der Sanktionspraxis auch für junge Arbeitslose gelte. (…) Neue Bescheide zu Sanktionen würden derzeit nicht versendet, sagte Scheele. “Arbeitslose, die aktuell mit Abzügen von 60 oder 100 Prozent sanktioniert werden, bekommen ihre Sanktionen auf 30 Prozent reduziert.” Bis Ende November solle eine rechtlich verbindliche Übergangslösung geschaffen werden, die bis zur für kommendes Jahr angestrebten gesetzlichen Neuregelung gelte. (…) Das Deutsche Kinderhilfswerk forderte, Sanktionen für Familien mit Kindern komplett abzuschaffen. “Bundesregierung und Bundestag sollten das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von letzter Woche zum Anlass nehmen, die bisherige Hartz-IV-Mithaftung von Kindern für ihre Eltern zu beenden”, erklärte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann am Donnerstag. “Die schlichte Umsetzung des Karlsruher Urteils ist aus Sicht von Familien mit Kindern zu wenig”, erklärte er. “Kinder leiden unter jeder Kürzung der Hartz-IV-Leistungen, denn schon der normale Hartz-IV-Regelsatz von Kindern entspricht nicht dem notwendigen soziokulturellen Existenzminimum.” Jede Kürzung sei somit eine “außergewöhnliche Härte für die Kinder”…” Meldung vom 14. November 2019 beim Spiegel online externer Link
  • Tacheles e.V.: Folgen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Sanktionen
    Wir fassen mit diesem Papier die relevanten unmittelbaren zu beachtenden Folgen und Ergebnisse, die sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den Sanktionen vom 05. Novem-ber 2019 – 1 BvL 7/16 ergeben, zusammen…” Hinweise vom 10.11.2019 externer Link und ein Beratungsinfoblatt externer Link 
  • Die interne vorläufige Weisung der BA und des BMAS zu Sanktionen vom 6.11.2019Öffentlich wird gesagt, keine Sanktionen für U – 25’er (Scheele im DLF 07.11.), hier wird gesagt, das BVerfG hat darüber gar nicht entschieden. Jetzt mal Klartext, es ist ein sofortiges SANKTIONSMORATORIUM durchzuführen. Es sollte jede Sanktion bis auf weiteres Ausgesetzt werden, dann muss zusätzlich geklärt werden, wie mit gekürzten KdU und Sanktionen umgegangen wird, wie mit der Daueraufrechnung nach § 43 SGB II umgegangen wird. Ziel, erstmal SECHS MONATE KOMPLETTES AUSSETZEN JEDER SANKTION, einschließlich der Aufrechnungen nach §§ 42a, 43 SGB II und Diskussion, unter Einbeziehung der Wohlfahrts- und Sozialverbände.” Harald Thomé auf Fratzebuch samt Foto der Weisung externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=157074

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