Dossier
2006 wehrte sich SAP lautstark gegen die Betriebsratsgründung (wir berichteten). Seitdem konnte der Betriebsrat zum Beispiel betriebsbedingte Kündigung verhindern. Im Betriebsrat tummeln sich viele Listen, die viele Themen über ihre Newsletter versenden. Zur Betriebsratswahl 2018 und Aufsichtsratswahl 2019 fiel ein Betriebsratsmitglied durch seine kritischen Newsletter (“Team Freigeist”) auf. Dies wurde ihm nun zum Verhängnis: Die Personalleitung kündigte ihm fristlos. Der siebenköpfige Ausschuss für personelle Maßnahmen stimmte der fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitglieds 4:3 zu. Zwar versuchte das 43-köpfige Betriebsratsgremium durch einen Mehrheitsbeschluss die fristlose Kündigung zu verhindern, trotzdem sprach der Arbeitgeber die fristlose Kündigung aus. Was bedeutet, dass der Kollege sich nun selbst einklagen muss, kein Gehalt bezieht, sich arbeitslos melden muss, etc. Als Begründung für die fristlose Kündigung wurden zwei Beiträge seines Newsletters herangezogen. Ein Beitrag setzt sich mit der Beförderungsproblematik bei SAP auseinander. Ein zweiter Beitrag mit einer geplanten email-Vereinbarung, die insbesondere Betriebsräte bei ihrer Kommunikation an die Belegschaft sehr stark einschränken sollte (sie liegen uns vor). Die Personalleitung sieht in den kritischen Beiträgen eine Störung des Betriebsfriedens und der vertrauensvollen Zusammenarbeit – und kündigte dem Betriebsratsmitglied in der Funktion als Mitarbeiter – und nicht als Betriebsratsmitglied. Ob es sich um Behinderung von Betriebsratsarbeit durch die Personalleitung handelt, muss auch geklärt werden. Am 16. Oktober findet der Gütetermin beim Arbeitsgericht Mannheim statt, der Betroffene wird durch CGM vertreten. Siehe dazu auch einige Presse-Beiträge und die weitere Entwicklung:
- SAP und Betriebsratsmitglied einigen sich auf geheime Vereinbarung bei Güterverhandlung am Arbeitsgericht Mannheim
“… Wie das Arbeitsgericht Mannheim in einer Pressemitteilung vom 17.01.2020 mitteilt, haben sich SAP und das betroffene Betriebsratsmitglied im Rahmen einer Güterichterverhandlung (Az. 11 Ca 434/19) auf eine geheime Vereinbarung geeinigt. Die Güterichterverhandlung unter der Leitung von Kerstin Miess fand am 16.01.2020 statt, nachdem bei einem ersten Gütetermin am 16.10.2019 die Vorsitzende Richterin Claudia Fath sagte, dass sie eine 50:50 Chance für den Rechtsstreit sehe. Weder SAP, noch die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) äußerten sich zum Ausgang des Kündigungsstreits in irgendeiner Weise. Beide verwiesen auf die zwei Sätze kurze Mitteilung des Arbeitsgerichts Mannheims. Mitarbeiter aus dem Umfeld des Betriebsrats berichten jedoch, dass das betroffene Betriebsratsmitglied am Tag nach der Einigung mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurückgetreten ist. Die Rhein-Neckar Zeitung sieht das als Hinweis darauf, dass der Betroffene nicht mehr ins Unternehmen zurückkehren werde. Durch die Geheimhaltung der Vereinbarung ist unklar was die beiden Parteien genau vereinbart haben und wieso sich der Betriebsrat auf eine Einigung statt auf ein Urteil einlässt. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass der Betriebsrat eine hohe Geldsumme angenommen hat und dafür auf seine Rechte verzichtet?…“ Beitrag in Frontberichte 03/2020 von Kevin Hoffmann vom 21.02.2020 bei Arbeitsunrecht mit Links zu entsprechenen Pressemeldungen - Gütetermin am 16.10.2019 vor dem Mannheimer Arbeitsgericht – Fortsetzung folgt
“… Auch nach dem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht in Mannheim am 16.10.2019 stellt sich der Softwarekonzern SAP SE weiterhin mit allen Mitteln gegen unser Gewerkschaftsmitglied. Ursächlich steht dessen fristlose Kündigung mit den Inhalten des Newsletters „Team Freigeist“, vor allem dem Beitrag „Kritik an Personalprozessen zu Beförderungen“, in Zusammenhang. (…) Frau Dr. Reinhardt, die Anwältin der SAP von der Anwaltskanzlei Kliemt & Vollstädt, zu deren Spezialgebiet im Übrigen auch die rechtliche Beratung und Vertretung deutscher und internationaler Arbeitgeber in Auseinandersetzungen mit ihren Betriebsräten gehört, behauptete im Interview, dass der Newsletter Unwahrheiten verbreiten würde. Sie bemängelte ebenfalls die Wortwahl in den einzelnen Artikeln und behauptete, dass unser Mitglied im Zusammenhang mit der Beförderungspraxis von den Entscheidungsträgern als einem „Geheimbund“ gesprochen und Funktionsträger diffamiert habe. Dem ist entgegen zu halten, dass der Begriff „Geheimbund“ von unserem Kollegen zu keinem Zeitpunkt in den Newslettern verwendet wurde. Seine Argumentation war immer an den Sachfakten orientiert…“ Meldung vom 19.10.2019 von und bei CGM
- SAP-Betriebsrat klagt gegen Kündigung
“Weil er den Betriebsfrieden gestört haben soll, hat der Walldorfer Softwarekonzern SAP ein langjähriges Betriebsratsmitglied fristlos gekündigt. Dagegen wehrt sich der frühere Mitarbeiter nun vor Gericht.” Video des SWR Aktuell-Beitrags vom 16.10.2019 in der ARD-Mediathek
- Streit um außerordentliche Kündigung: SAP-Betriebsratschef widerspricht Management“Im Fall des gekündigten Betriebsratsmitglieds bei dem Softwarekonzern SAP hat Ralf Zeiger (Bild), Vorsitzender des Arbeitnehmergremiums, der Geschäftsführung widersprochen. „Die Kündigung halte ich für ungerechtfertigt, da diese meines Erachtens mit der Betriebsratstätigkeit zu tun hat“, teilte er in einer persönlichen Stellungnahme mit. Letzten Endes werde das vor dem Arbeitsgericht Mannheim geklärt werden. (…) Mit seiner jetzt abgegebenen Stellungnahme rückt Betriebsratschef Zeiger von dem Votum des zuständigen „Ausschuss für personelle Maßnahmen“ in dem Arbeitnehmergremium ab. Dieser hatte im Juli überraschend mit knapper Mehrheit der Entlassung zugestimmt. Dies war die Voraussetzung dafür, dass dem Betriebsratsmitglied überhaupt gekündigt werden konnte…” Artikel von Matthias Kros vom 31. August 2019 beim Mannheimer Morgen online
- Gewerkschaft [CGM] stellt sich hinter Betriebsrat – Rauswurf wegen Kritik an SAP?“Der Unmut der Geschäftsführung über betriebsinterne Rundschreiben könnte der Grund für die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds bei dem Softwarekonzern SAP gewesen sein. Das vermutet Martin Gerhardt, Leiter der Rechtsabteilung bei der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) in Stuttgart, die den Betroffenen vertritt. Andere Entlassungsgründe seien dem Betriebsratsmitglied weder mündlich noch schriftlich mitgeteilt worden, so der Gewerkschafter. SAP hatte dem Betriebsrat Anfang August außerordentlich gekündigt und diese Maßnahme als „Individualentscheidung“ bezeichnet, die nichts mit dem Amt als Betriebsrat zu tun habe. Die genauen Gründe dürften erst am 14. Oktober bei einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Mannheim bekanntwerden…” Meldung vom 27.08.2019 im Mannheimer Morgen online
- SAP-Betriebsrat wehrt sich gegen Kündigung. Gütetermin vor Mannheimer Arbeitsgericht angesetzt – Ausschuss der Arbeitnehmervertretung stimmte Entlassung zu“Der Softwarekonzern SAP hat Anfang August einem Betriebsratsmitglied außerordentlich fristlos gekündigt, wie ein Unternehmenssprecher am Donnerstag bestätigte. Der Betroffene wehrt sich allerdings gegen diese Kündigung und hat beim Arbeitsgericht Mannheim eine Klage auf Wiedereinstellung eingereicht. Mitte Oktober ist ein Gütetermin vor Gericht angesetzt. Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ist ungewöhnlich. Auch bei SAP war es dazu bislang nicht gekommen. (…) Die Zustimmung erteilte in diesem Fall ein siebenköpfiger “Ausschuss für personelle Einzelmaßnahmen” (PEM), an den der Betriebsrat die Entscheidung delegiert hatte. Kurz darauf stimmte jedoch noch einmal der gesamte Betriebsrat ab – und lehnte die Kündigung ab. Fraglich ist nun unter anderem, ob die Entscheidung überhaupt an den Ausschuss delegiert werden durfte. Und ob die zweite Abstimmung irgendeinen Wert hat. Zu den Gründen für die Kündigung äußerte sich der SAP-Sprecher lediglich vage. (…) Hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass der gekündigte Kollege keinen großen Rückhalt genossen habe. Er habe Stimmung gegen bestimmte Gruppen gemacht und zum Teil populistische und fragwürdige Thesen vertreten. Dennoch, heißt es, werde die außerordentliche Kündigung als harter Tobak empfunden. Ob sie gerechtfertigt ist, muss nun das Mannheimer Arbeitsgericht entscheiden. Große Einigkeit herrscht im SAP-Betriebsrat offenbar ohnehin nicht. Das 43-köpfige Gremium ist stark zersplittert, derzeit gibt es zehn verschiedene Gruppierungen – die zum Teil sehr verschiedene Interessen vertreten. Es gibt Berichte über Schmutzkampagnen und gegenseitige öffentliche Diffamierungen. Unter anderem war die Rede von systematischen Diskreditierungskampagnen. Bei der zurückliegenden Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sah sich die Personalabteilung veranlasst, um die Wahrung des Betriebsfriedens zu bitten…” Artikel von Barbara Klauß vom 23.08.2019 bei der Rhein-Neckar-Zeitung online
- Siehe die Genese des SAP-Betriebsrats auch in unserer Berichterstattung im LabourNet-Archiv
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=153827
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