Mittwoch, 26. Februar 2020

Nach der Hamburg-Wahl wird die Krise der CDU vollends offenbar - und in Berlin herrscht Ratlosigkeit

Neue Erfahrung: Kontrollverlust

Marcus Weinberg trägt einen schönen Namen, eine passende Ausstrahlung wird dem Hamburger Spitzenkandidaten der CDU jedoch parteiübergreifend abgesprochen. Mangelndes Charisma war allerdings in anderen Jahren kein Grund für konservative Wähler, Kandidaten der angeblichen Volkspartei CDU die Stimme zu verweigern. Und so gibt es andere Gründe als Weinberg für die Niederlage, die die Christdemokraten am Sonntag in Hamburg erlitten.
Eine Niederlage war es. 11,2 Prozent der Wählerstimmen stehen unter dem Strich. Das ist das zweitschlechteste Ergebnis der CDU in bisherigen Landtagswahlen. Die Partei liegt in sechs von 17 Wahlkreisen noch hinter der Linkspartei. Unter den Erst- und Jungwählern zwischen 16 und 24 Jahren nahm die CDU mit sechs Prozent gerade einmal die Fünfprozenthürde. Allein Stammwähler über 60 haben die Partei vor dem vollständigen Untergang gerettet. Die Fridays-for-future-Bewegung könnte hier ihre Stimmungsausläufer gesandt haben. Doch vor allem das Bild, das die Partei seit Monaten in Thüringen und auf Bundesebene bietet, dürfte seinen Anteil am Wählerschwund haben.
Dies sehen auch CDU-Politiker so. In Hamburg könne jeder sehen, welche Vertrauensverluste eine irrlichternde CDU« erleidet, meinte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther. »Eine Partei, die keine Führung im Moment hat und nach Führung sucht und gleichzeitig auch in Thüringen keine klaren Signale aussendet, die bekommt auch kein Vertrauen von den Menschen.« Dass die Thüringer Ereignisse die Wahl der Hamburger direkt beeinflusst haben, ist vielleicht eine gewagte These. Doch zumindest sind die beteiligten Parteien CDU, FDP und AfD bei der gestiegenen Wahlbeteiligung in Hamburg gemeinsam leer ausgegangen. Auch wenn der AfD entgegen den Hochrechnungen vom Sonntagabend letzten Endes mit 5,3 Prozentpunkten noch der Wiedereinzug in die Bürgerschaft gelang.
Tags darauf trat das CDU-Präsidium in Berlin zusammen. Hamburg stand auf der Tagesordnung. Neben dem Punkt »Verschiedenes«: Die von der Vorsitzenden in der vergangenen Woche geführten Gespräche mit den potenziellen Kandidaten für die Nachfolge an der Parteispitze sollten ausgewertet werden. Eine Präferenz für einen von ihnen - Friedrich Merz, Gesundheitsminister Jens Spahn und Armin Laschet, der NRW-Ministerpräsident - werde es von Kramp-Karrenbauer nicht geben, hieß es. Womit zugleich gesagt ist, dass eine Teamlösung, von der zuletzt die Rede war, unwahrscheinlicher wird. Vermutlich werden sich die Kandidaten auf einem Parteitag gegeneinander behaupten müssen. Bisher hat allerdings nur einer seinen Hut offiziell in den Ring geworfen. Zu diesem Zweck war der CDU-Politiker Norbert Röttgen, Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses im Bundestag, eigens vor die Bundespressekonferenz getreten. Zum Gespräch bei Kramp-Karrenbauer wurde er trotzdem nicht eingeladen.
Auch der Termin, den die Vorsitzende für den Parteitag vorgesehen hatte, ist hinfällig. Nicht erst im Dezember, sondern bereits im April oder Mai soll die Partei über ihre neue Führung entscheiden. Die Verabredung sei in enger Absprache mit dem bayerischen Ministerpräsidenten, CSU-Chef Markus Söder, erfolgt, ließ Kramp-Karrenbauers Umgebung mit eilfertigem Blick nach München verlauten. Söder hatte in den vergangenen Tagen immer wieder auf eine baldige Lösung der Führungskrise in der Schwesterpartei gedrängt und zugleich darauf hingewiesen, dass erst später über einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Unionsparteien entschieden werden sollte. Eine Vorentscheidung der CDU wolle er nicht hinnehmen, heißt das. Und Kramp-Karrenbauer hat es verstanden, auch wenn sie den Zustand schnellstens beenden will, dass CDU-Vorsitz und Kanzlerschaft in verschiedenen Händen liegen.
Als wäre die Ämtertrennung schuld an der verfahrenen Lage, in die sich die CDU etwa in Thüringen geritten hat. Für alle Welt offensichtlich hindert hier das archaische Weltbild die CDU daran, der Linkspartei entgegenzukommen und damit die politische Krise in Thüringen zu beenden. Viel lieber hatte die CDU-Fraktion im Landtag gemeinsam mit der AfD einen alternativen FDP-Kandidaten »der Mitte« gewählt. Und unverändert pocht die Spitze auf die angeblich notwendige Gleichbehandlung von links und rechts. Parteivize Thomas Strobl kritisierte am Montag erneut die Thüringer CDU wegen ihres Vorhabens, Bodo Ramelow (Linke) ins Ministerpräsidentenamt zu verhelfen. Das sei »gar nicht vorstellbar«, sagte Strobl im ZDF und sprach von »nahezu gespenstischen Vorgängen«. Für Strobl ist der »Zick-Zack-Kurs« in Thüringen Grund für den schlechten Zustand der CDU - und nicht die absurde Gleichbehandlung von Linkspartei und AfD. Mit Agenturen
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