Mittwoch, 26. Februar 2020

WSI-Studie bescheinigt beim Gender-Pay-Gap nur wenig Erfolge

Lücken beim Lohn

Der sogenannte Gender-Pay-Gap, also die Lücke zwischen den Gehältern von Frauen und Männern, sinkt seit Jahren nur wenig. 2006 erhielten Frauen 23 Prozent weniger Lohn als Männer, 2018 waren es 21 Prozent. Auch wenn die Abstände bei Arbeit, Bildung und sozialer Absicherung kleiner geworden sind, die durchschnittliche berufliche, wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen ist weiterhin oft schlechter als die von Männern. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat in einer am Mittwoch vorgelegten Studie aufgezeigt, wo es Fortschritte, Stagnation oder gar Verschlechterungen gegeben hat.
Die Auswertung zeigt: In Schule und Ausbildung haben Frauen weitgehend mit den Männern gleichgezogen. Im Berufsleben arbeiten nur knapp acht Prozent weniger Frauen als Männer - vor knapp 30 Jahren war die Differenz laut WSI noch fast dreimal so groß. Hintergrund ist, dass Frauen sich noch immer mehr um Kinder oder andere Familienangehörige kümmern. Und sie schmeißen nach wie vor stärker den Haushalt: Bei Frauen macht unbezahlte Arbeit nach den neuesten verfügbaren Zahlen 45 Prozent an der Gesamtarbeitszeit aus. Bei Männern sind es hingegen nur 28 Prozent, auch wenn Männer zum Beispiel bei der Pflege langsam mehr Aufgaben übernehmen.
In der Konsequenz arbeiten Frauen deshalb häufiger in Teilzeit und verdienen in diesen Jobs mangels Aufstiegschancen weniger als Männer. So sind 62 Prozent der Erwerbstätigen, die ausschließlich einen Minijob haben Frauen. Insgesamt arbeiten Frauen gut viermal so häufig in Teilzeit wie Männer.
Hinzu kommt, dass »Männerjobs«, also irgendwas mit Technik, noch immer besser bezahlt werden als »Frauenarbeit«, also irgendwas mit Kümmern. Bei der Berufswahl sind diese beiden vermeintlichen Varianten noch oft in den Köpfen von Jungen und Mädchen. In Zahlen: 25 Prozent der weiblichen Beschäftigten mit Vollzeitstelle verdienen weniger als 2000 Euro brutto im Monat, bei den Männern sind es 14 Prozent. »Immerhin wurde der Abstand bei den Entgelten in den vergangenen Jahren etwas kleiner, wozu auch der gesetzliche Mindestlohn beigetragen hat«, schlussfolgern die WSI-Experten.
Besonders deutlich bleibt die Verdienstlücke im Alter. Nimmt man gesetzliche Rente, betriebliche und private Alterssicherung zusammen, beziehen Frauen durchschnittlich ein um 53 Prozent niedrigeres Alterseinkommen als Männer. Anfang der 1990er Jahre lag der Gender-Pension-Gap sogar bei 69 Prozent. »Diese Entwicklung zeigt: Der Rückstand der Frauen wird in wichtigen Bereichen kleiner. Aber Fortschritte bei der Gleichstellung vollziehen sich meist sehr langsam«, sagt WSI-Forscherin Karin Schulze Buschoff, die die Studie zusammen mit ihrer WSI-Kollegin Yvonne Lott sowie Svenja Pfahl und Dietmar Hobler vom Berliner Forschungsinstitut Sowitra erstellt hat.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Verdienstabstand bis zum Jahr 2030 auf zehn Prozent zu senken. In ihren eigenen Behörden meldete sie jetzt bescheidene Erfolge: Laut dem am Dienstag veröffentlichten Gleichstellungsindex haben immer mehr Frauen Leitungsfunktionen in den obersten Bundesbehörden. Im vergangenen Jahr sei deren durchschnittlicher Anteil von 34 auf 36 Prozent gestiegen. »Der öffentliche Dienst muss als Arbeitgeber mit gutem Beispiel vorangehen«, sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD). Ihr Ministerium hat dem Index zufolge mit rund 60 Prozent Frauen in Führungspositionen den höchsten Anteil.
In 20 Behörden ist es jedoch vorbei mit dem guten Beispiel. Am wenigsten Frauen an der Spitze finden sich im Auswärtigen Amt (22,8 Prozent), im Bundesrechnungshof (27 Prozent) sowie im Finanzministerium (28 Prozent). Das ist vergleichbar mit den Zahlen aus der Privatwirtschaft. Hier liegt der Anteil bei 26 Prozent.
Die Forscherinnen des WSI fordern verbesserte strukturelle Maßnahmen, um die Entgeltlücke endlich weiter zu schließen. Dazu zählten bessere Kinderbetreuung und die Ausweitung von Geschlechterquoten in Aufsichtsräten und Vorständen. In Deutschland gilt seit 2016 für die Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen eine verbindliche Geschlechterquote in Höhe von 30 Prozent. Laut WSI greift die Quote durchaus, sie gilt aber nur für rund 100 Unternehmen. Damit sorge sie nicht für einen grundsätzlichen Kulturwandel. »Die Mehrzahl der Unternehmen, die die Quote bereits erfüllen müssen, stellt nur so viele weibliche Aufsichtsratsmitglieder wie gesetzlich erforderlich«, erklärt Marion Weckes vom Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung.
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