Mittwoch, 3. Juli 2019

Erweiterte Polizei-Kompetenzen: Kabinett in Mecklenburg-Vorpommern billigt neues Sicherheits- und Ordnungsgesetz


Dossier

Cilip / Bürgerrechte & Polizei 117/2018 mit dem Themenschwerpunkt "Drohende Gefahren"“Geht es nach dem Willen der Landesregierung, dürfen Polizisten künftig Smartphones von Verdächtigen abhören und auf verschlüsselte Daten zugreifen. Auch der sogenannte finale Rettungsschuss, etwa bei Amokläufen, soll neu geregelt werden. Mecklenburg-Vorpommern passt sein Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) den neuen digitalen und rechtlichen Gegebenheiten an. Das Kabinett billigte einen entsprechenden Gesetzentwurf und gab ihn für die Verbandsanhörung frei, wie das Innenministerium am Dienstag mitteilte. Minister Lorenz Caffier (CDU) zufolge werden die für Polizei und Ordnungsbehörden notwendigen Kompetenzen für die Gefahrenabwehr neu geregelt. Dazu gehörten eine für Polizisten rechtssichere Formulierung des finalen Rettungsschusses etwa bei Amokläufen oder terroristischen Ereignissen sowie die Videoüberwachung im Polizeigewahrsam. Geregelt werde auch der Einsatz von Drohnen sowie die „gezielte Kontrolle” mutmaßlichen Drogenkurieren, Einbrechern oder Terroristen. Auch soll die Polizei künftig Veranstaltern mit Daten dabei helfen dürfen, das Securitypersonal bei Großereignissen wie Fußballspielen auf seine Zuverlässigkeit zu überprüfen. Der Katalog der Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes wird dem Ministerium zufolge ergänzt. Hinzugekommen sind demnach Terrorismusfinanzierung, Bildung terroristischer Vereinigungen, kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland sowie Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften, der besonders schwere Fall der Computersabotage sowie das Einschleusen von Ausländern und Geldwäsche. (…) Für das Gefahrenabwehrrecht sei daher die Aufnahme einer Rechtsgrundlage zur Online-Durchsuchung, also für den heimlichen technischen Eingriff in ein informationstechnisches System notwendig. Dazu gehöre auch eine sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung…” Meldung vom 29. Januar 2019 beim Nordkurier online externer Link – interessant, wie heimlich still und leise “das Einschleusen von Ausländern” mit Terrorismus auf eine Stufe gestellt wird… Siehe dazu:
  • Mecklenburg-Vorpommern: Staatstrojaner im neuen Polizeigesetz sind nur ein Teil der Überwachungspläne New 
    “Mecklenburg-Vorpommern soll ein neues Polizeigesetz bekommen, das zahlreiche Überwachungsbefugnisse enthält: Die Polizei dürfte erstmals Staatstrojaner gegen Personen einsetzen, die in der Zukunft mutmaßlich Straftaten begehen könnten. Außerdem dabei: Bestandsdaten und Drohneneinsätze. (…) Erst letztes Jahr bekam die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern die Erlaubnis, „elektronische Fußfesseln“ einzusetzen. Jetzt will die rot-schwarze Landesregierung die Polizei erneut mit Überwachungsbefugnissen ausstatten. Der Gesetzentwurf für ein neues Polizeigesetz hat die erste Hürde im Parlament genommen. Nun arbeitet der Innenausschuss am Entwurf. Der größte Streitpunkt: Die Polizei soll präventiv und heimlich Staatstrojaner einsetzen dürfen. Auch die Datenauskunft von Unternehmen an die Polizei, der Einsatz von Drohnen und der finale Rettungsschuss werden neu geregelt. (…) Am Sonntag demonstrierten in Schwerin rund 1.000 Menschen gegen die geplante Ausweitung der polizeilichen Befugnisse. Das Bündnis „Sogenannte Sicherheit“ hatte dazu aufgerufen. Sie lehnen den geplanten Einsatz von Staatstrojanern ab und fordern eine unabhängige Beschwerdestelle bei der Polizei. Die Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ und der Rapper „Marteria“ unterstützen den Protest. Zuletzt gab es erfolgreiche Proteste in Brandenburg, wo die Linkspartei den Staatstrojaner aus dem geplanten Polizeigesetz herausverhandelte. In Bremen wurde das geplante Polizeigesetz nach Protesten komplett auf Eis gelegt. Der Innenausschuss wird nun Expert*innen zum Gesetzentwurf anhören und gegebenenfalls Änderungen vorschlagen. Um das geplante Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern zu stoppen, müssten auch Abgeordnete aus den Regierungsparteien SPD und CDU dagegen stimmen. Ob das passiert, wird sich nach der Sommerpause zeigen.” Beitrag von Marie Bröckling vom 25. Juni 2019 bei Netzpolitik externer Link
  • Staatlicher Angriff auch auf Journalisten: Mecklenburg-Vorpommern: Verschärftes Polizeigesetz passiert Landtag  
    “Nachdem in den letzten Monaten bereits in verschiedenen Bundesländern die Polizeigesetze verschärft wurden, ziehen nun die übrigen Länder nach. Am Mittwoch hat Lorenz Caffier (CDU), Landesinnenminister von Mecklenburg-Vorpommern, den Entwurf für ein neues Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) vorgestellt. Der Gesetzesentwurf geht in einzelnen Punkten über die in anderen Bundesländern beschlossenen oder noch geplanten Verschärfungen hinaus. Geht es nach der Landesregierung aus SPD und CDU, soll zukünftig mit Journalisten eine besonders unter Schutz stehende Berufsgruppe ihre Rechte verlieren. So soll das Zeugnisverweigerungsrecht kassiert werden, welches die Grundlage für den Schutz von Informanten bildet. Behörden sollen zudem deutlich mehr Befugnisse erhalten, um sogenannte Onlinedurchsuchungen – also das möglichst unbemerkte Eindringen über die Internetverbindung – auf Computern und Smartphones durchführen zu können. (…) Tatsächlich hat die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern mit mehreren schwerwiegenden Skandalen zu kämpfen. So wurden im kürzlich veröffentlichten Bericht des Landesdatenschutzbeauftragten Heinz Müller Vorfälle aufgeführt, die kein gutes Licht auf die Beamten werfen. So sollen ausgerechnet Polizisten eine Minderjährige per SMS zu einem Fotoshooting eingeladen haben – nachdem diese bei eben jenen Polizisten eine Strafanzeige wegen ungewollter Veröffentlichung von Fotos erstatten wollte, auf denen sexuelle Handlungen zu sehen seien. Erinnert sei auch an die in diesem Monat erlassenen Haftbefehle gegen zwei SEK-Beamte in Mecklenburg-Vorpommern, denen vorgeworfen wird, Munition beiseite geschafft zu haben und sich im Umfeld von gewaltbereiten Neonazis, genauer »Preppern« und »Reichsbürgern« zu bewegen (jW berichtete). Teile der »Prepper«-Szene bereiten sich nicht nur auf eine bald bevorstehende Apokalypse, sondern auch auf den bewaffneten Kampf gegen den politischen Gegner vor. Sogenannte Reichsbürger leugnen die Existenz der Bundesrepublik als Staat und sprechen ihren Institutionen jegliche Legitimität ab. Unterdessen soll das neue Sicherheits- und Ordnungsgesetz bereits nach der parlamentarischen Sommerpause vom Landtag in Schwerin beschlossen werden.” Beitrag von Markus Bernhardt bei der jungen Welt vom 21. Juni 2019 externer Link
  • Demonstration am 16.06. in Schwerin gegen neues Polizeigesetz Mecklenburg-Vorpommern  
    “Im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern wird aktuell eine Novellierung des Polizeigesetzes verhandelt. Dieses „Sicherheits- und Ordnungsgesetz“ – kurz SOG M-V – regelt die Befugnisse der Polizei zur präventiven Gefahrenabwehr. Es geht also nicht um die Verfolgung bereits begangener Straftaten, sondern um das Eingreifen, bevor sie geschehen. Der aktuelle Entwurf weitet diese Befugnisse massiv aus und betrifft alle Bürgerinnen und Bürger in M-V. Wir als überparteiliches Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ wenden uns gegen diese Verschärfung…” Stellungnahme und Aufruf des Bündnisses ‘SOGenannte Sicherheit’ vom 7. Juni 2019 externer Link zur Demo am 16. Juni in Schwerin, 12:00 Uhr, Grunthalplatz (vor dem Bahnhof). Siehe dazu den Flyer “Das neue Polizeigesetz in MV verhindern!” bei Pro Bleiberecht vom 3. Juni 2019 externer Link 
  • Polizeigesetz Mecklenburg-Vorpommern: Kritik von Datenschutzbehörde  
    “Der Entwurf für das Sicherheits- und Ordnungsgesetz fällt beim Datenschutzbeauftragten durch. Einzelne Vorschriften halten Datenschützer für verfassungswidrig. (…) Der Entwurf werde den Anforderungen an klare, präzise Regelungen und gute Verständlichkeit nicht gerecht und werde es Polizisten kaum möglich machen, ihre Aufgaben fehlerfrei zu erfüllen, heißt es in einer internen Stellungnahme des Landesdatenschutzbeauftragten (LfDI) an das Innenministerium, die der dpa vorliegt. “Bei einem eingriffsintensiven Gesetz wie dem SOG ist es schlicht ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, dass das Gesetz möglichst gut verständlich, lesbar und anwenderfreundlich ist”, heißt es. Derzeit genüge der Entwurf nicht den Standards moderner Gesetzgebung und bleibe hinter Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europarechts zurück. (…) Den Datenschützern fehlt es an unabhängiger Kontrolle. Sie berufen sich dabei auf das Bundesverfassungsgericht, das 2016 entschied, dass schwerwiegende Eingriffe, die tief in die Privatsphäre der Betroffenen eindringen, nur verhältnismäßig sind, wenn die Polizei effektiv und unabhängig kontrolliert wird. Die Landesregierung plane hingegen, dass ein polizeiinterner Beauftragter die Ermittler kontrollieren, das erlangte Material sichten und auf die Einhaltung der Regeln achten soll. Um die vom Verfassungsgericht aufgestellten Anforderungen zu erfüllen, müsse der LfDI die Polizei kontrollieren können. Dem fehlten jedoch Befugnisse, weil MV eine dafür nötige EU-Richtlinie noch nicht in Landesrecht überführt habe. Besondere Aufmerksamkeit widmen die Datenschützer auch dem Scannen von Autokennzeichen. Das soll weiterhin von den Grenzen bis einschließlich der A20 erlaubt bleiben, ist aus Sicht der Datenschützer in dieser Form aber verfassungswidrig. (…) Grundsätzlich fordert der Datenschutzbeauftragte, bei Verstößen von Behörden auch gegen diese tätig werden zu dürfen…” Beitrag vom 17. März 2019 von und bei heise news externer Link
  • „Staatstrojaner”: Kritiker schießen sich auf Polizeigesetz ein  
    Erneut soll das Polizeigesetz in MV erneuert und verschärft werden. Während das Innenministerium dies für nötig hält, sprechen Kritiker von staatlichem Hacking und gefährlicher Datensammelei. Gegen den Entwurf für das neue Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) regt sich erste Kritik. Vor allem an Onlinedurchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) stören sich Kritiker, die FDP spricht von einem nicht akzeptablen Eingriff in Privatsphäre und Sicherheit der Menschen. Kritiker sprechen bei beiden Ermittlungsmethoden vom „Staatstrojaner”. Denn die Ermittler erhalten damit das Recht, mit einer Software unbemerkt in Computer, Smartphones oder Tablets einzudringen. (…) Während die Onlinedurchsuchung nur erlaubt werden soll, wenn Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder der Bestand von Land oder Bund gefährdet ist, soll die Quellen-TKÜ immer eingesetzt werden dürfen, wenn die Polizei auch „normal” Telefone abhören kann. (…) Die Landesregierung hatte den SOG-Entwurf am Dienstag auf den Weg gebracht. Zunächst dürfen Verbände ihre Stellungnahme abgeben, bevor sich der Landtag mit dem Entwurf befassen wird…” dpa-Meldung vom 02.02.2019 beim Nordkurier online externer Link

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