Montag, 25. Januar 2016

Stuttgart – Maßnahmen wegen Feinstaubalarm sind völlig unzureichend

Stuttgart – Maßnahmen wegen Feinstaubalarm sind völlig unzureichend
Demonstration gegen die Feinstaubbelastung in Stuttgart (Screenshot)
23.01.16 - In vielen deutschen Großstädten gibt es eine hohe Feinstaubbelastung. Jetzt gilt seit dem 18. Januar 2016 erstmals in einer deutschen Stadt Feinstaub-Alarm. Bereits seit vier Tagen werden in Stuttgart die europäischen Grenzwerte von 50 µg/m3 um nahezu das Dreifache überschritten. Statt wirksame Maßnahmen einzuleiten, appelliert Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) lediglich an die Bevölkerung und an die Pendler, sie sollen ihre PKWs stehelassen und auf Zusatzfeuerungen wie z.B. Kaminfeuer zu verzichten. Es kam zu kaum einer merklichen Einschränkung des Verkehrsaufkommens. Am 19. Januar erreichten die Feinstaubwerte einen neuen Spitzenwert von 141 µg/m3. Claus Schmiedel, Fraktionsvorsitzender der SPD im Baden-württembergischen Landtag, kommentierte zynisch: "Feinstaubalarm ist eine feine Sache. Ich kam völlig problemlos durch."
Die "feine Sache" ist in Wirklichkeit hochgiftig. An Feinstäuben lagert sich ein ganzer Cocktail verschiedenster Gifte und Abgase aus Industrie, Verkehr und Heizungen an. Während größere Staubpartikel beim Atmen im Rachenraum oder der Nase hängen bleiben, dringen die sogenannten "lungengängigen" Feinstäube  tief in die feinen Gewebe von Lungen und Bronchien ein. Dort können sie zu Entzündungen und Wucherungen, im schlimmsten Falle zu Krebs führen, und den Gasaustausch in den kleinen Lungenbläschen beeinträchtigen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO errechnete, dass jährlich sieben Millionen Menschen infolge der weltweiten Luftverschmutzung sterben. Deshalb drängt sie schon lange darauf, den Grenzwert auf 25 Mikrogramm pro Kubikmeter zu senken.
Tatenlos schauen Bundesregierung, Grüne-SPD-Landesregierung und auch der grüne Oberbürgermeister Kuhn zu, wie die seit 2005 gültige EU-Richtlinie von der deutschen Automobilindustrie Jahr um Jahr ignoriert wird. Die Autoindustrie zögerte die Einführung von Filtern so lange heraus, wie es ging - und die Behörden ordneten Messmethoden für die Emissionen an, die mit den realen Werten auf der Straße kaum etwas zu tun haben. Damit opfern sie die Gesundheit der Bevölkerung  zugunsten der Interessen von Daimler und Porsche. Schon der VW-Skandal hat anschaulich die Skrupellosigkeit des Topmanagement dokumentiert, gedeckt durch verantwortungslose Spitzenpolitiker. Mutwillig nehmen sie hin, dass jährlich ca. 46.000 Menschen aufgrund von Feinstaub vorzeitig sterben (Schätzung des Umweltbundesamtes).
Völlig aus der Schusslinie werden von der Stadt Stuttgart zudem die mindestens ebenso schlimmen Giftschleudern genommen: das Kohlekraftwerk in Altbach, die Alugießerei in Mettingen und vor allem die Müllverbrennungsanlage in Stuttgart-Münster verschmutzen die Luft mit einem ganzen Cocktail hochgiftiger Substanzen wie Dioxine. Eine Abschaltung dieser in Stuttgart enorm hohen Industrie- und LKW-Emissionen wurde noch nicht mal in Erwägung gezogen.
Trotz aller Versuche der Verharmlosung und des Runterspielens  wird der Bevölkerung die Feinstaub-Gefahr immer mehr bewusst.  Inzwischen haben die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Fahrverbote gefordert. Die DUH hat zudem eine Klage gegen mehrere Städte angestrengt, um diese zu konkreten Schritten gegen die Luftverschmutzung zu zwingen. Die Bürgerinitiative Neckartor rief zu einer Demonstration auf, an der sich 150 Menschen beteiligten und den Verkehr auf der B14 zeitweise lahm legten. Sie vereinigten sich am Schlossplatz mit der Montagsdemo gegen das Bahnprojekt S21, das die Feinstaubproblematik mit der Verschlechterung des öffentlichen Nahverkehrs noch weiter verschärfen wird.

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