25.01.16
Kürzlich
legte ein Student im Fach „Erziehungs- und Bildungswissenschaften“ der
Universität Marburg sein Bachelor-Arbeit zum Thema „Der biologisierende
Diskurs in der Kriminologie an Beispiel der Sicherungsverwahrung“ vor.
Seine Arbeit soll hier kurz vorgestellt werden.
Auf 46 Seiten bietet J. B. einen komprimierten Einblick in die Kriminalbiologie aus der Zeit vor 1933, die schließlich zur Einführung der Sicherungsverwahrung unter der Herrschaft der Nationalsozialisten führte und analysiert dann die aktuelle der Debatte um die Aufgabe der Neurowissenschaften im Bereich der Kriminologie.
Was meint „Biologismus“?
In der Kriminalistik gibt es in den letzten Jahren den Trend, sich intensiv mit genetischen und neurologischen Phänomen zu beschäftigen, also die Wurzeln für abweichendes Verhalten in der Biologie zu suchen - ob in den Genen, oder aber im Gehirn. Dadurch werden auch gesellschaftliche Konfliktfelder individualisiert, denn wo das Individuum mit seinen Genen und Hirnstrukturen verantwortlich ist für abweichendes Verhalten, braucht man sich um politische und soziale Ursachen nicht weiter zu kümmern.
Gelegentlich wird in Forschungsprojekten, so auch in Baden-Württemberg, untersucht, ob nach der Absolvierung einer (Psycho-) Therapie sich bspw. neuronale Veränderungen im Gehirn nachweisen lassen. Wer bestimmte genetische Dispositionen aufweist, oder dessen Hirn bestimmte Auffälligkeiten zeigt, gilt dann als Risiko.
Am Beispiel des Bielefelder Professors für physiologische Psychologie, Dr. Markowitsch, der 2007, gemeinsam mit einem FOCUS-Redakteur Werner Siefer das Buch „Tatort Gehirn“ publizierte, stellt Becker das (hohe) Gefahrenpotential in menschlicher, insbesondere jedoch in politischer Hinsicht dar, welches von der Wiederbelebung des biologischen Diskurs ausgeht.
Markowitsch und weitere Vertreter seiner Denkschule vertreten die Ansicht, für Kriminalität sei fast stets ein „hirnbiologischer Hintergrund“ ausschlaggebend, dass also „Veränderungen in bestimmten Hirnregionen“ des Typus des/der Verbrecher/Verbrecherin ausmache. Deshalb so Markowitsch sei künftig auch nicht mehr auf Strafe, sondern auf Sicherung abzustellen, wobei dann zusätzlich zu neurologischen Ursachen, auch genetischen „Defekte“ bemüht werden.
B. vertritt die Auffassung, dass die bewusst neutral konstruierten politischen Aussagen und Forderungen vom Schlage Markowitschs nur „schwer angreifbar oder widerlegbar“ seien, da entsprechenden KritikerInnen Schuld an zukünftigen Gewalttaten zugewiesen werde, sobald diese sich gegen diese Form der biologisch orientierten Kriminologie positionierten.
Allerdings betont B., Kritik sei unverändert notwendig und auch aus politisch emanzipatorischer Sicht geradezu notwendig, da nur die Einordnung der Forschungsergebnisse in die „jeweiligen Diskurse und Machtdynamiken“ dazu führe, dass deren Subjektivität aufgezeigt und deren Macht dekonstruiert werden könne.
Am Beispiel des Sicherungsverwahrung legt er dar, dass diese als Ergebnis eines solchen machtpolitischen Diskurses angesehen werden könne, in dessen Folge Menschen langfristig weggesperrt und ganze Lebenswege zerstört würden. Die Kritik dürfe, so fährt B. in Fazit seiner Arbeit fort, jedoch an dieser Stelle nicht halt machen, sondern müsse biologisierende, rassistische und nationalistische Konstrukte angreifen.
Es ist erfreulich zu sehen, wie eine neue Generation von Studierenden sich zumindest partiell mit den dunklen Randbereichen der deutschen Justiz und Justizpolitik kritisch auseinandersetzt und dabei dann durchaus auch kritische Wortmeldungen aus den Gefängnissen (vorliegend werden neben Claus Goldenbaum , “Du kommst nicht mehr als Mensch zurück“ auch ich selbst in der Arbeit zitiert und als Bezugspunkt gewählt) aufgreifen.
Gerade weil die Biologie scheinbar neutrale Ergebnisse zu liefern scheint, wird sie auch begeistert in der Kriminologie aufgegriffen - und die Folgen werden verheerend sein!
Thomas Meyer-Falk
JVA c/o Sicherungsverwahrung
Hermann Herder Str.8
79104 Freiburg
freedomforthomas.wordpress.com
Link zur Bachelor-arbeit:http://ow.ly/WNc9N
Auf 46 Seiten bietet J. B. einen komprimierten Einblick in die Kriminalbiologie aus der Zeit vor 1933, die schließlich zur Einführung der Sicherungsverwahrung unter der Herrschaft der Nationalsozialisten führte und analysiert dann die aktuelle der Debatte um die Aufgabe der Neurowissenschaften im Bereich der Kriminologie.
Was meint „Biologismus“?
In der Kriminalistik gibt es in den letzten Jahren den Trend, sich intensiv mit genetischen und neurologischen Phänomen zu beschäftigen, also die Wurzeln für abweichendes Verhalten in der Biologie zu suchen - ob in den Genen, oder aber im Gehirn. Dadurch werden auch gesellschaftliche Konfliktfelder individualisiert, denn wo das Individuum mit seinen Genen und Hirnstrukturen verantwortlich ist für abweichendes Verhalten, braucht man sich um politische und soziale Ursachen nicht weiter zu kümmern.
Gelegentlich wird in Forschungsprojekten, so auch in Baden-Württemberg, untersucht, ob nach der Absolvierung einer (Psycho-) Therapie sich bspw. neuronale Veränderungen im Gehirn nachweisen lassen. Wer bestimmte genetische Dispositionen aufweist, oder dessen Hirn bestimmte Auffälligkeiten zeigt, gilt dann als Risiko.
Am Beispiel des Bielefelder Professors für physiologische Psychologie, Dr. Markowitsch, der 2007, gemeinsam mit einem FOCUS-Redakteur Werner Siefer das Buch „Tatort Gehirn“ publizierte, stellt Becker das (hohe) Gefahrenpotential in menschlicher, insbesondere jedoch in politischer Hinsicht dar, welches von der Wiederbelebung des biologischen Diskurs ausgeht.
Markowitsch und weitere Vertreter seiner Denkschule vertreten die Ansicht, für Kriminalität sei fast stets ein „hirnbiologischer Hintergrund“ ausschlaggebend, dass also „Veränderungen in bestimmten Hirnregionen“ des Typus des/der Verbrecher/Verbrecherin ausmache. Deshalb so Markowitsch sei künftig auch nicht mehr auf Strafe, sondern auf Sicherung abzustellen, wobei dann zusätzlich zu neurologischen Ursachen, auch genetischen „Defekte“ bemüht werden.
B. vertritt die Auffassung, dass die bewusst neutral konstruierten politischen Aussagen und Forderungen vom Schlage Markowitschs nur „schwer angreifbar oder widerlegbar“ seien, da entsprechenden KritikerInnen Schuld an zukünftigen Gewalttaten zugewiesen werde, sobald diese sich gegen diese Form der biologisch orientierten Kriminologie positionierten.
Allerdings betont B., Kritik sei unverändert notwendig und auch aus politisch emanzipatorischer Sicht geradezu notwendig, da nur die Einordnung der Forschungsergebnisse in die „jeweiligen Diskurse und Machtdynamiken“ dazu führe, dass deren Subjektivität aufgezeigt und deren Macht dekonstruiert werden könne.
Am Beispiel des Sicherungsverwahrung legt er dar, dass diese als Ergebnis eines solchen machtpolitischen Diskurses angesehen werden könne, in dessen Folge Menschen langfristig weggesperrt und ganze Lebenswege zerstört würden. Die Kritik dürfe, so fährt B. in Fazit seiner Arbeit fort, jedoch an dieser Stelle nicht halt machen, sondern müsse biologisierende, rassistische und nationalistische Konstrukte angreifen.
Es ist erfreulich zu sehen, wie eine neue Generation von Studierenden sich zumindest partiell mit den dunklen Randbereichen der deutschen Justiz und Justizpolitik kritisch auseinandersetzt und dabei dann durchaus auch kritische Wortmeldungen aus den Gefängnissen (vorliegend werden neben Claus Goldenbaum , “Du kommst nicht mehr als Mensch zurück“ auch ich selbst in der Arbeit zitiert und als Bezugspunkt gewählt) aufgreifen.
Gerade weil die Biologie scheinbar neutrale Ergebnisse zu liefern scheint, wird sie auch begeistert in der Kriminologie aufgegriffen - und die Folgen werden verheerend sein!
Thomas Meyer-Falk
JVA c/o Sicherungsverwahrung
Hermann Herder Str.8
79104 Freiburg
freedomforthomas.wordpress.com
Link zur Bachelor-arbeit:http://ow.ly/WNc9N
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