Von Nina Aretz
Poonal v. 2.2.2018
(Berlin, 2.Februar, npl)-. Gerade 13 Tage war das Jahr 2018 alt, als
in Mexiko der erste Journalist des Jahres ermordet wurde. Maskierte
Unbekannte stoppten am 13. Januar 2018 das Auto des Journalisten
Carlos Domínguez Rodríguez im Zentrum von Nuevo Laredo, Tamaulipas
und erschossen ihn am helllichten Tag. Die Familienmitglieder, die
sich im Auto befanden, mussten dem Mord tatenlos zusehen.
Der erste Mord an einem unabhängigen Journalisten
Carlos Domínguez Rodríguez war Journalist und Kolumnist bei der
Tageszeitung Noroeste Digital und beim Nachrichtenportal Horizonte
de Matamoros. 40 Jahre hat er als unabhängiger Journalist
gearbeitet und sich durch seine kritische Haltung gegenüber
lokalen Machthaber*innen ausgezeichnet. Einen Tag vor seinem Tod,
veröffentlichte er einen Text mit dem Titel: „Die Gewalt im
Vorfeld der Wahlen lässt den mexikanischen Erdboden erzittern“ in
dem er die staatliche Sicherheitspolitik sowie die Straflosigkeit
in den letzten 18 Jahren anprangert. Der Sohn von Carlos Domínguez
Rodríguez gab an, dass einige lokale Staatsdiener*innen durch die
investigative journalistische Arbeit seines Vaters ihren Posten
verloren hätten.
Der Journalist Agustín Silva ist unauffindbar
Am 22. Januar 2018 meldete ein Anghöriger das Verschwinden des
Journalisten Agustín Silva Vázquez im südmexikanischen Bundesstaat
Oaxaca. Er arbeitet für die Zeitung El Sol de Istmo und El Sur. Am
16.Januar 2018 war er als Reporter bei einem Militäreinsatz
anwesend: Dort verhaftete das Militär drei Personen und
beschlagnahmte Waffen, Kokain und Crystal Meth. Lucio Silva, der
Vater von Agustín Silva, gab an, sein Sohn sei einige Tage nach
dem Militäreinsatz aufgefordert worden, Falschaussagen für die
Verhafteten zu machen, was der Journalist aber wohl ablehnte.
Zuletzt wurde er am Abend des 21.Januars 2018 gesehen, bevor er
sich, nach eigenen Angaben, auf den Weg zu einem Informanten
begab. Sein Auto wurde in 40km Entfernung von seinem Heimatort
Matías Romero gefunden. Mittlerweile haben sich die internationale
Organisation Article 19*, die Kommission für Menschenrechte von
Mexiko-Stadt (Comisión de Derechos Humanos de la Ciudad de México)
sowie die Ombudsstelle für Menschenrechte Oaxaca (Defensoría de
los Derechos Humanos del Pueblo de Oaxaca) eingeschaltet und
fordern den Bundesstaat Oaxaca auf, die Ermittlungen aufzunehmen
und deren Stand zu veröffentlichen. Auch die
Menschenrechtskommission der UNO forderte eine lückenlose
Aufklärung des Verschwindens von Agustín Silva und solidarisierte
sich mit der Familie.
Nach der Statistik von Reporter ohne Grenzen ist Mexiko mit elf ermordeten
Journalist*innen im Jahr 2017, nach Syrien (zwölf Ermordete), das
gefährlichste Land für Pressevertreter*innen.
Streikführer Quintín Salgado Salgado erschossen
Quintín Salgado, 37 Jahre, arbeitete als Kumpel in der Mine Media
Luna der kanadischen Firma Torex Gold. Am 24.Januar 2018 erschoss
ihn eine Gruppe Bewaffneter in Nuevo Balsas, Cocula, Guerrero. Das
ist bereits der dritte Mord an (Ex-)Minenarbeitern, der im Kontext
der Arbeitskämpfe und der Besetzung der kanadischen Mine Torex
Gold geschehen ist: Am 18. November 2017 wurden die Brüder Víctor
und Marcelino Sahuanitla Peña an einem Streikposten, der der
Leitung der Mine den Zugang verwehren sollte, exekutiert. Torex
Gold ist schon länger wegen Missachtung der Arbeitsrechte sowie
Verstößen gegen Umweltauflagen in den Schlagzeilen. Seit dem
3.November 2017 befinden sich die Arbeiter im Streik, um u.a. den
Abschluss eines Tarifvertrags zu erreichen.
Torex Gold entließ Quintín Salgado im Jahr 2016, da er sich mit
den Fischer*innen solidarisiert hatte, die die Mine besetzt
hielten, um eine Entschädigung zu erhalten. Sie können ihrer
Arbeit nicht mehr nachgehen, da der Fluss Balsas durch den
Goldabbau mit Zyanid verseucht ist. Auch nach seiner Entlassung
engagierte sich Quintín Salgado weiterhin stark im Arbeitskampf
der Minenarbeiter.
Schon der dritte Mord im Zusammenhang mit den
Arbeitskämpfen bei Torex Gold
Alle drei Morde werden dem Unternehmen Torex Gold und ihren
Handlangern, dem größten mexikanische Gewerkschaftsbund CTM
(Confederación de Trabajadores Mexicanos), zugeschrieben. Roberto
Hernández Mojica, Generalsekretär der Abteilung 17 der
Gewerkschaft für Bergbau und Metall SNTMMSSRM (Sindicato Nacional
de Trabajadores Mineros, Metalúrgicos, Siderúrgicos y Similares de
la República Mexicana) gab an, dass der Mord an Quintín Salgado im
Zusammenhang mit seiner Unterstützung für die Streikenden stehe.
Der Gewerkschafter Napoleón Gómez Urrutia fügt hinzu: „Das
Attentat, verübt von den Killern der CTM und geschickt von Torex
Gold, wurde auf heimtückische und brutale Art und Weise
ausgeführt. Es reiht sich in die Aggressionen und Willkür dieser
unternehmerischen und gewerkschaftlichen Mafia ein.“
Guadalupe Campanur, Waldschützerin und indigene
Aktivistin der p’urhépecha, erdrosselt
Die Leiche der 32-jährigen Guadalupe Campanur, wurde am 16.
Januar 2018 auf der Landstraße zwischen Carapan und Playa Azul in
der Gemeinde Chilchota im Bundesstaat Michoacán aufgefunden. Die
Aktivistin kämpfte seit 2011 für die Rückgabe des Gemeindelandes
Cherán in Michoacán, war Mitbegründerin der Selbstverwaltung der
Gemeinde (Ronda Comunitaria) und Teil der Waldschutzgruppe.
Seit 2011 kämpft die indigene p’urhépecha Gemeinde Cherán gegen
illegale Abholzung, die mit Hilfe der Drogenmafia und der lokalen
Polizei vorangetrieben wird. Nachdem die Holzfäller 2011 zwei
Dorfbewohner ermordet und weitere verletzt hatten, beschlossen die
p’urhépecha ein eigenes Sicherheitskonzept aufzubauen. Sie
benötigen für ihr Leben das Holz, den Harz und medizinische
Pflanzen, die ihnen der bereits stark dezimierte Wald zur
Verfügung stellt.
Einschüchterungen gegen widerständige Gemeinde
Carolina Lunuen, Freundin von Guadalupe Campanur, schreibt: „Den
Mord kann man auch als Einschüchterungsversuch interpretieren, um
die zum Schweigen zu bringen, die, mit ihren über den Widerstand
hinausgehenden Gemeindeaktivitäten, das Leben wirklich verbessern
wollen. Es ist auch eine Form des Terrors gegen Frauen und zeigt
schließlich die Methode des Ethnozids, um den Kampf für das Leben
durch die p’urhépecha Gemeinde von Cherán, zurückzudrängen.“
Aktivist*innen, Journalist*innen, Familie und Freunde haben eine
Kampagne unter dem Hashtag #JusticiaparaLupita ins Leben gerufen,
in der gefordert wird, dass der Mord an Guadalupe Campanur nicht
ungestraft bleibt.
Der Mord an Campanur geschah fast ein Jahr nach dem Mord an dem
Waldschützer
Isidro Baldenegro, der für seinen unermüdlichen Kampf für
die Wälder der Sierra von Chihuahua den Goldman-Umweltpreis
erhielt.
Der Bericht „Die Erde verteidigen“ (Defender la Tierra)
von Global Witness gibt an, dass im Jahr 2016 mit 201 Fällen die
meisten Morde an Umweltschützer*innen in 24 Ländern registriert
wurden. 60 Prozent der Ermordeten, wurden in Lateinamerika
getötet. Besonders betroffen sind Brasilien (49), Kolumbien (37),
Honduras (14) und Nikaragua (11). In Mexiko gab es im Jahr 2016
drei registrierte Fälle. Auch in Guatemala (6) und in Peru (2) kam
es zu Morden an Umweltschützer*innen.
*Unabhängige britische Organisation, die es sich seit 1987 zur
Aufgabe macht den Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte auf Meinungsfreiheit zu verteidigen.
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