Montag, 26. Februar 2018

[Interview] Betriebsräte: "Die Gewerkschaften reden das Problem klein"


"... Wir wissen, dass 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder AfD 
gewählt haben. Wie viele sich für rechte Betriebsratslisten 
entscheiden werden, ist völlig unklar. Ich glaube aber nicht, dass es 
viele derartige Listen geben wird. Die Gruppen haben häufig noch keine 
ausreichende organisatorische Kraft. Auch fehlen Mitarbeiter, die die 
Positionen offen im Betrieb vertreten würden. (...) Das weitaus 
größere Problem sind Betriebsräte, die gewerkschaftlich organisiert 
sind und rechte Positionen teilen, ohne darüber offen zu sprechen. 
Dabei handelt es sich zum Teil um vorbildliche Gewerkschafter, die 
innerbetrieblich im Sinne des DGB handeln. Nach außen aber agieren sie 
mit der AfD und mit Pegida. In solchen Fällen ist die 
Auseinandersetzung viel schwieriger als mit den offen rechten Listen. 
ZEIT ONLINE: Wie unterscheiden sich solche Arbeitnehmervertreter von 
linken Betriebsräten? Dörre: Sie drängen auf die parteipolitische 
Neutralität der Gewerkschaften. Die Gewerkschaften sollen sich 
beispielsweise nicht mehr für Flüchtlinge und gegen rechts 
positionieren. Diese Forderung geht an die Wurzeln des 
gesellschaftlichen Selbstverständnisses der Gewerkschaften, die aus 
einem antifaschistischen Grundkonsens entstanden sind. Das ist 
langfristig eine viel größere Gefahr als die rechten Listen. (...) Sie 
treten im Betrieb so auf, als seien sie die Klassenkämpfer. Aber sie 
wollen gar keinen Klassenkampf, sie wollen Volksgemeinschaft. Das 
vertreten sie mit einem globalisierungskritischen Gestus und versuchen 
so, jene Mitarbeiter zu erreichen, die die Gewerkschaften und ihre 
Betriebsräte als zu nah am Establishment empfinden. Viele Teile der 
Kritik von solchen Mitarbeitern sind dabei gar nicht rechts. Wenn man 
kritisiert, was führende Betriebsräte in Konzernen verdienen, ist das 
durchaus berechtigt. Auch Skepsis gegenüber intransparenten Deals 
zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten ist nicht falsch. (...) 
[Gewerkschaften] müssen wieder zu sozialen Bewegungen werden. Und sie 
müssen härter in der Sache werden. Die Menschen wollen sehen, dass 
sich etwas ändert: höhere Löhne, stärkere Vertretung, mehr 
Öffentlichkeit für die Belange der durchschnittlichen Arbeitnehmer..." 
Interview mit Klaus Dörre von Sasan Abdi-Herrle vom 14. Februar 2018 
bei der Zeit online
http://www.zeit.de/wirtschaft/2018-02/betriebsraete-rechtsextremismus-unterwanderung-daimler-gewerkschaftsforschung

Siehe weitere neue Informationen und einen Veranstaltungshinweis im 
Dossier - wir erneuern unsere Bitte um Infos über bestehende 
Kandidaturen in den Betrieben!
http://www.labournet.de/?p=125057

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