Abgesang auf Kardinal Norberto Rivera
Von Gerd Goertz
(Mexiko-Stadt, 5. Februar 2018, npl)-.
Eine der zwielichtigsten Gestalten der katholischen
Kirche in Mexiko musste am Montag, den 5. Februar 2018
endgültig abtreten. Kardinal Norberto Rivera Carrera
befindet sich nach 22 Jahren an der Spitze der
Erzdiözese von Mexiko-Stadt wegen des Erreichens der
Altersgrenze von 75 Jahren im Ruhestand. Papst
Franziskus machte nicht die geringsten Anstalten,
Rivera, wie in solchen Fällen sonst nicht ungewöhnlich,
noch einige Jahre im Amt zu lassen. Er ernannte am 7.
Dezember den Kardinal Carlos Aguiar Retes zum
Nachfolger. Dieser wird ab dem 5. Februar die Erzdiözese
leiten.
Der Stern des Kardinals und Erzbischofs Rivera, der
sich selbst einmal für papabel (fähig das Amt des
Papstes zu übernehmen, Anm.d.R.) hielt, war schon seit
Jahren im Sinken begriffen. Unter anderem gab es
wiederholt schwere und gut dokumentierte Vorwürfe gegen
Norberto Rivera, seine Hände schützend über pädophile
Priester gehalten zu haben. Rechtliche Konsequenzen für
ihn entstanden daraus letztlich aber nicht.
Des Kardinals Beziehungskisten
Verantwortlich für die wichtigste Diözese des Landes,
fühlte sich der Kardinal in der Nähe der
wirtschaftlichen und politischen Eliten Mexikos sichtbar
wohler als im Kontakt mit der gemeinen Bevölkerung.
„Politischen und finanziellen Allianzen mit den
säkularen Mächten der Gesellschaft“, wie es die
Wochenzeitschrift proceso schreibt, war er nie
abgeneigt. In den 1990er Jahren war Norberto Rivera
wegen seiner engen Kontakte in Politik und Wirtschaft
sowie der guten Beziehung zum umtriebigen päpstlichen
Nuntius Girolamo Prigione die wohl einflussreichste
Figur in der mexikanischen katholischen Kirche. Ebenso
fruchtbringend war seine Verbindung zu dem Priester
Marcial Maciel, dem Gründer der Kongregation der
Legionäre Cristi und entlarvten Päderasten.
Trotz seiner Macht: Beliebt war der
Kardinal mit dem gusto für das opulent Weltliche nie.
Auch bei den meisten mexikanischen Bischöfen nicht,
die ihn manchmal mit ihrer schweigenden Mehrheit
ausbremsten. In der Öffentlichkeit wurde Norberto
Rivera mehr als politischer Akteur denn als
spirituelle Führungspersönlichkeit wahrgenommen. Ein
Bild, das der über Jahre mit dem Kardinal verbündete
mexikanische Fernsehkonzern Televisa verfestigte.
Rivera ist, wie es der Kirchenexperte Bernardo
Barranco formuliert, einer der „letzten Überlebenden“
des ultrakonservativen sogenannten „Clubs von Rom“:
eine Gruppe innerhalb der mexikanischen
Bischofskonferenz, die sich ihrer guten Kontakte zum
Vatikan unter Johannes Paul II. rühmte.
Nachfolger kündigt kirchliche Erneuerung an
Doch diese Zeiten sind vorbei. Als
Papst Franziskus während seines Mexikobesuches im
Februar 2016 in der Kathedrale der Hauptstadt, also im
Wohnzimmer des Kardinals, „Kirchenfürsten“, „Klüngel“,
„Intrigen“, und „Karrierismus“ anklagte, musste er
einen der Hauptadressaten gar nicht namentlich
erwähnen. Dass die katholische Kirche in Mexiko in der
Hauptstadt noch deutlich mehr Mitglieder verliert als
im übrigen Land, ist teilweise auch ein Verdienst
Riveras und seines Desinteresses an der Seelsorge.
Nicht umsonst hat sein Nachfolger Aguiar Retes, eine
„kirchliche Erneuerung“ in der Erzdiözese angekündigt.
Retes wird dem konservativen, aber nicht
ultrakonservativen Flügel der mexikanischen
Bischofskonferenz zugerechnet. Seine Laufbahn weist
viele Stationen innerhalb der katholischen
Kirchenhierarchie auf nationaler und internationaler
Ebene auf. Ihm wird ein sehr gutes Verhältnis zu Papst
Franziskus nachgesagt.
„Der Kardinal hat niemanden
mehr, der ihm schreibt.“
Wenige Tage vor seinem Abgang wurde
Norberto Rivera von dem katholischen Wochenblatt
„Desde la fe“ (Vom Glauben aus) noch einmal vehement
verteidigt. Der kleine Haken: Das Blatt der Erzdiözese
wurde vor Jahren von ihm selbst gegründet. „Mission
erfüllt“, schreibt „Desde la fe“. Die erwähnte
Zeitschrift proceso sah das im vergangenen Jahr
angesichts der bevorstehenden schnellen Annahme des
obligatorischen Rücktrittsgesuches durch Papst
Franziskus wahrscheinlich realistischer: „Der Kardinal
hat niemanden mehr, der ihm schreibt.“
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