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.......... 21. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) ein Artikel zum Entwurf für einen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD;
2.) Alle Texte der neuen Februar-Ausgabe des IMI-Magazins Ausdrucks.
1.) Artikel Koalitionsvertrag
IMI-Standpunkt 2018/005 (Update 12.2.2018)
Koalition gegen den Frieden!
Die Militärpolitik im künftigen Koalitionsvertrag der Großen Koalition
http://www.imi-online.de/2018/02/07/koalition-gegen-den-frieden/
Tobias Pflüger und Jürgen Wagner (7. Februar 2018)
Am 12. Januar hatten die Verhandler von CDU/CSU und SPD ihre
Sondierungsgespräche abgeschlossen und hielten die Ergebnisse in einem
Sondierungspapier fest, dessen problematische außen- und
sicherheitspolitischen Aspekte leider in der anschließenden Debatte kaum
eine Rolle spielten (siehe IMI-Standpunkt 2018/002). Am 7. Februar 2018
einigten sich die Parteien dann auf einen Entwurf eines
Koalitionsvertrags, der wohl weitgehend identisch mit der Fassung sein
dürfte, über die die SPD-Mitglieder nun wohl abstimmen werden. Vieles
wurde aus dem Sondierungspapier direkt übernommen, einige Passagen
abgeändert und einige kamen – logischerweise angesichts eines Umfangs
von 177 (Koalitionsvertrag) zu 28 (Sondierungspapier) Seiten – neu hinzu.
Die Absätze zur EU sind weitgehend gleich geblieben, insbesondere das
flammende Bekenntnis zu PESCO, dem aktuell als „Meilenstein“ auf dem Weg
zur weiteren Militarisierung der EU gehandelten Vorhaben, ist
gleichgeblieben (siehe IMI-Standpunkt 2018/002 und IMI-Studie 2018/02).
Allerdings wurde im Koalitionsvertrag ein Satz zur beabsichtigten
Nutzung des geplanten „Europäischen Verteidigungsfonds“ hinzugefügt,
ein EU-Topf, aus dem in Kürze jährlich 500 Mio. für Rüstungsforschung
und 5 Mrd. für Rüstungsbeschaffung bereitstehen sollen (siehe
IMI-Analyse 2017/45). Neu ist beispielsweise auch, sich dafür einsetzen
zu wollen, dass für „Ertüchtigungsprojekte im Sicherheitsbereich auf
EU-Ebene (CBSD) rasch ein gesondertes Finanzinstrument außerhalb der
EU-Entwicklungsfinanzierung eingerichtet wird.“ Ertüchtigung – die
Aufrüstung und Ausrüstung „befreundeter Akteure“ – gewinnt als
vermeintlich politisch wie finanziell „kostengünstigerer“ Weg zur
indirekten Durchsetzung von Interessen immer mehr an Bedeutung. Aus
diesem Grund wurde mit EU-Entwicklungshilfegeldern hierfür ein eigener
Fonds eingerichtet (siehe IMI-Studie 2017/15). Die Entwicklungshilfe
hier vom Militärhaken zu lassen, ist zwar gut, ein eigenes
EU-Finanzinstrument zur Ertüchtigung einrichten zu wollen, wird diesen
Bestrebungen aber nur weiter Vorschub leisten.
Auch bezüglich der Eurodrohne gab es im Vergleich zum Sondierungspapier
eine Veränderung: Explizit ist nun die Rede von der Anschaffung der
Heron TP als „Brückenlösung“ bis die Eurodrohne zur Verfügung steht,
gleichzeitig wird die Frage der Bewaffnung vorbehaltlich einer
Bundestagsentscheidung gestellt: „Als Übergangslösung wird die Drohne
HERON TP geleast. Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche
Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher
und ethischer Würdigung gesondert entscheiden.“
Eine weiterer interessanter Unterschied zwischen beiden Papieren: Im
Sondierungspapier wurden lediglich „Völkerrechtswidrige Tötungen durch
autonome Waffensysteme“ abgelehnt. Nun lautet die Formulierung:
„Völkerrechtswidrige Tötungen lehnen wir kategorisch ab, auch durch
Drohnen.“ Tatsächlich erfolgt kaum eine Drohnen-Tötung gerade seitens
der USA – und zentral über Deutschland von Ramstein aus – aktuell
vollautonom. Allerdings ist kaum davon auszugehen, dass sich die Große
Koalition mit dieser Praxis anlegen will – weshalb dieser Passus dann
aber in dieser Form eingefügt wurde, ist recht unklar.
Was die Rüstungsexportpolitik anbelangt, wurde der umstrittene Satz aus
dem Sondierungspapier beibehalten, keine Rüstungsgüter an Länder zu
liefern, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Berichten zufolge sollen
hier Vertreter von CDU und CSU versucht haben, eine Aufweichung zu
erreichen, was augenscheinlich nicht gelang. Ansonsten bleiben die
kritischen Anmerkungen zur bereits im Sondierungspapier bekundeten
Absichtserklärung, die Rüstungsexporte „einschränken“ zu wollen, ebenso
für den Koalitionsvertrag gültig (siehe IMI-Standpunkt 2018/002). Neu
ist die explizite Ankündigung, die Rüstungssexportrichtlinien von 2000
noch in diesem Jahr überabreiten zu wollen.
Auffällig und neu sind auch Passagen zur atomaren Rüstungskontrolle:
„Wir wollen ein neues konventionelles und nukleares Wettrüsten auf
unserem Kontinent vermeiden.“ Im besten Fall kann dies als eine Absage
gegenüber den immer lauter werdenden Forderungen nach einer
Stationierung weiterer US-Atomwaffen in Europa verstanden werden. Auf
der anderen Seite wird aber der – eigentlich vom Bundestag 2010 von
allen Fraktionen in einem gemeinsamen Antrag geforderten – Abzug der
US-Atomwaffen in Deutschland an „erfolgreiche Abrüstungsgespräche“
gekoppelt, also angesichts der aktuellen westlich-russischen Konflikte
einstweilen auf den St. Nimmerleinstag verschoben: „Erfolgreiche
Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in
Deutschland und Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen.“
Was die Bundeswehreinsätze anbelangt, hat sich zwischen
Sondierungspapier und Koalitionsvertrag wenig verändert. Vor allem die
Ankündigung, das Afghanistan-Kontingent aufstocken zu wollen, wurde
beibehalten.
Angesichts zahlreicher aktueller Versuche zur Gegenkonversion, also dem
Bestreben, frühere Bundeswehrliegenschaften zu reaktivieren oder sich
neue Gelände unter den Nagel zu reißen (siehe IMI-Analyse 2017/038b),
ist folgende neue Absichtserklärung von Interesse: „Vor einer
endgültigen Abgabe von Liegenschaften der Bundeswehr werden wir vor dem
Hintergrund der Trendwenden [Personal, Material, Finanzen] jeweils noch
einmal den zukünftigen Bedarf prüfen. Unseren Bedarf werden wir auch in
Hinblick auf Liegenschaften prüfen, deren Abgabe bereits vollzogen ist.“
Rüstungspolitisch wichtig ist zudem einerseits, dass eine starke
Betonung auf die Rüstungskooperation in Europa und damit
länderübergreifende Rüstungsprojekte gelegt wird. Hierdurch sollen
Fusionen und Übernahmen und dadurch die Bildung sogenannte Eurochampions
gefördert werden. Andererseits, dort nämlich, wo deutsche Konzerne aus
dem großen Fressen nicht als Sieger hervorgehen könnten und so
„nationale Schlüsseltechnologien“ in fremde Hände überzugehen drohen,
sollen diese geschützt werden. Dieser Rüstungsprotektionismus war
bereits ein Kernelement im "Strategiepapier der Bundesregierung zur
Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland" vom 8. Juli 2015,
von einer Möglichkeit, wie dies geschehen könnte, war darin damals
allerdings noch keine Rede. Im Koalitionsvertrag heißt es nun, man wolle
„prüfen, inwieweit der Ausnahmetatbestand des Art. 346 des Vertrages
über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Beschaffungspraxis
stärker herangezogen werden kann.“ Artikel 346 setzt die Regeln des
Binnenmarktes für den Rüstungssektor aus. Das heißt, Rüstungsprojekte
müssen unter Berufung auf diesen Artikel nicht europaweit ausgeschrieben
– und die heimischen Konzerne damit einer ggf. stärkeren Konkurrenz
ausgesetzt – werden, sofern ein Staat geltend macht, hier seien
nationale Sicherheitsinteressen im Spiel.
Und schließlich ist vor allem ein Aspekt gleichgeblieben: Weiter soll
alles „auf Grundlage des 51. Finanzplans“ finanziert werden, was zu
deutlich saftigeren Steigerungen des Rüstungshaushaltes führen wird, als
es unter einer Jamaika-Koalition wohl der Fall gewesen wäre. Insgesamt
dürfte es sich hier um Mehrausgaben von zusammen mindestens 10,2 Mrd.
Euro zwischen 2018 und 2021 handeln, möglicherweise sogar um noch mehr.
Reuters rechnete beispielsweise bereits zum Sondierungspapier vor: „Das
Entscheidende ist dabei der Verweis auf den 51. Finanzplan: Er hat zwar
auch keine bindende Wirkung, ist aber die Absichtserklärung der
bisherigen großen Koalition, wie sie sich die Entwicklung des
Bundeshaushalts in den vier Jahren von 2018 bis 2021 vorstellt. Für den
Wehretat sieht der Finanzplan für diesen Zeitraum eine Steigerung um
knapp neun Milliarden Euro auf 42,4 Milliarden Euro vor. Sollte es zu
einer Neuauflage der großen Koalition kommen, kann die Bundeswehr also
mit einer Aufstockung ihres Budgets um neun Milliarden Euro plus ihrem
Anteil an den zwei Milliarden Euro für Verteidigung und
Entwicklungshilfe rechnen.“
Wohlgemerkt: Hierbei handelt es sich um die Mindesterhöhung, sobald
zusätzliche „Spielräume“ entstehen, sollen diese zuerst dem Rüstungsetat
zugeführt werden, wie explizit in den Koalitionsvertag eingeschrieben
wurde. Streitkräfte und Strategien zitiert diesbezüglich den
CDU-Abgeordneten Johann Wadephul: „Na immerhin steht drin, dass alle
weiteren Haushaltsspielräume prioritär - und das soll halt betont
werden, und das war auch umstritten - für diesen Bereich
eingesetzt werden sollen.“ In eigene Worte übersetzt dies Streitkräfte
und Strategien noch einmal folgendermaßen: „Das heißt: wenn die
Steuereinnahmen besser ausfallen als berechnet und weitere Milliarden
übrig bleiben, dann soll die Bundeswehr zusätzliches Geld erhalten,
‚prioritär‘, wie im Koalitionsvertrag steht.“
Pflichtschuldig haben SPD und CDU/CSU einen Koalitionsvertrag gegen den
Frieden und für Krieg und Aufrüstung auf den Weg gebracht – und genau
dies wird von ihnen quasi wörtlich auch noch so formuliert: „Wir stärken
unsere Bundeswehr und die europäische Verteidigungsstruktur: Mehr
Personal, beste Ausbildung und moderne Ausstattung bei der Bundeswehr
durch einen höheren Verteidigungsetat. Ausbau der europäischen
Verteidigungsunion mit PESCO, europäischem Verteidigungsfonds und
weiteren Schritten auf dem Weg zur ‚Armee der Europäer‘.“
Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die SPD-Mitglieder dem
Koalitionsvertrag die Zustimmung bei der anstehenden Abstimmung
verweigern, auch wenn die allermeisten es, sollte es dazu kommen, aller
Wahrscheinlichkeit nicht aus friedenspolitischen Motiven tun werden.
2.) Ausdruck – Das IMI-Magazin (Februar 2018)
Soeben wurde die Februar-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK online
gestellt. Auf einige der darin enthaltenen Artikel wurde bereits mit
früheren IMI-Lists verwiesen. Neu sind aber u.a. Beiträge zur
Militarisierung der Polizei und zur Situation in Tunesien sowie über den
problematischen Umgang mit der deutschen kolonialen Vergangenheit. Auch
eine zweiteilige Studie über Bosnien und Herzegowina ist frisch
erschienen, die wir in der nächsten Ausgabe fortsetzen werden.
AUSDRUCK – Das IMI-Magazin (Februar 2018)
Ganze Ausgabe zum download:
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-Web.pdf
DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Kontinuität oder Bruch? Der Entwurf zu einem neuen Traditionserlass
der Bundeswehr (Lucius Teidelbaum)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-LT.pdf
-- Die Rehabilitierung des Kolonialismus? Umdeutungen kolonialer
Geschichte und Gegenwart im Kontext der Kontroverse um die
Straßenumbennung (Tobias Schmitt)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-TS.pdf
-- Gegen den Frieden sondiert! Die GroKo zur Aufrüstung (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-JW.pdf
MILITARISIERUNG DER POLIZEI
-- Neues Polizeigesetz in Baden-Württemberg: Militarisierung der Polizei
und schwere Eingriffe in Grundrechte (Alexander Kleiß)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-AK.pdf
-- Polizeiaufrüstung nach sächsischer Art? Über Polizeipanzer, rechte
Stickereien und militarisierter Polizeieinheiten gegen Demonstrationen
(Martin Kirsch)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-MK.pdf
EU-MILITARISIERUNG
-- Die PESCO der Großmächte: Die EU auf dem Weg zur Aufrüstungs- und
Interventionsunion (Florian Nesch) [Langfassung:
http://www.imi-online.de/2018/02/02/die-pesco-der-grossmaechte/]
-- Pilotprojekt Bosnien und Herzegowina: EUropas neoliberaler
Abenteuerspielplatz (Sven Wachowiak) [Langfassung folgt]
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-SV.pdf
NORDAFRIKA & ARABISCHER OSTEN
-- Afrin: Entfesselte Geopolitik (Bernhardt Klaus)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-BK.pdf
-- Luftschläge im Sinai sind kein stiller Gruß! Merkels fatales
Kondolenztelegramm (Jacqueline Andres)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-JA.pdf
-- ‚Freiheit, Würde, Arbeit‘: Ein leeres Versprechen von neun
tunesischen Regierungen (Nabil Sourani)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-2018-1-NS.pdf
IMI-List - Der Infoverteiler der
Informationsstelle Militarisierung
Hechingerstr. 203
72072 Tübingen
imi@imi-online.de
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