Einer der Hauptverantwortlichen
des Massakers in Mexiko, Ingualas Polizeichef, wurde
gefasst. Immer noch ist unklar, was den 43 Studenten
passiert ist.
von W.-D. Vogel
taz vom 23.10.2016
BERLIN taz
| Die Angehörigen der in Iguala verschwundenen Studenten können
wieder etwas mehr Hoffnung hegen, dass der Verbleib ihrer Söhne
oder Brüder aufgeklärt wird. Am Freitag haben Sicherheitskräfte
den ehemaligen Polizeichef der Stadt, Felipe Flores Velázquez,
verhaftet. Der 58-Jährige gilt als einer der
Hauptverantwortlichen des Massakers vom 26. und 27. September
2014, bei dem sechs Menschen getötet und 43 junge Männer
verschleppt wurden.
Bis heute ist unklar, was mit den
Studenten passiert ist, nachdem sie von Polizisten festgenommen
und danach Mitgliedern der kriminellen Organisation „Guerreros
Unidos“ übergeben wurden. Flores hat nicht nur die Verhaftung
angeordnet. Er soll laut Angaben der Ermittler auch dafür
gesorgt haben, dass seine Beamte die jungen Männer den
Verbrechern ausliefern.
Der Polizeichef ist ein Vetter des
Bürgermeisters José Luis Abarca, der wie seine Ehefrau María de
los Ángeles wegen des Angriffs in Haft sitzt. Am Tag nach dem
Massaker wurde er vernommen, kam jedoch wieder auf freien Fuß
und war seither auf der Flucht. Viele hatten befürchtet, dass er
längst ermordet worden sei, da er zu viel über die Kooperation
von Kriminellen, Politikern und Polizisten aussagen könnte. Doch
offensichtlich konnte sich Flores in seiner Kleinstadt von
lokalen Beamten bis zu seiner Verhaftung unbehelligt bewegen. In
der Amtszeit Bürgermeister Abarcas nahmen Entführungen und
Erpressungen immens zu.
Hunderte von Menschen
verschwanden, manche wurden von ihren Angehörigen in den
angrenzenden Bergen ausgegraben. Niemand bezweifelt, dass Flores
an den Taten beteiligt war. Er galt als „Henker“ der Guerreros
Unidos und unterhielt in seiner Polizeitruppe eine Gruppe von
Auftragsmördern, die „los bélicos“ – „die Kriegerischen“ –
genannt wurde.
Das Menschenrechtszentrum ProDH
forderte nach der Verhaftung, dass die Angehörigen der Studenten
von Anfang an bei den Anhörungen von Flores anwesend sein
können. „So könne endlich bewiesen werden, dass es ein Interesse
daran gibt, den Fall wirklich aufzuklären“, sagte ProDH-Anwalt
Santiago Aguirre. Die Väter, Mütter und Schwestern der
Verschleppten werfen den Strafverfolgern vor, das Verschwinden
ihrer Angehörigen nicht ernsthaft aufklären zu wollen.
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