Dokumentation
Rede des Tübinger Friedensplenum/Antikriegsbündnis anlässlich der Kundgebung gegen Krieg und Abschiebungen am 22.10.2016 in Tübingen
von: 25. Oktober 2016
Alljährlich führen der Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge und die Stadt Tübingen gemeinsam am Volkstrauertag
eine Gedenkfeier auf dem Tübinger Bergfriedhof durch. Die lokale
Prominenz ist gewöhnlich vollzählig versammelt. Der Landrat spricht, der
Oberbürgermeister oder der Regierungspräsident, ferner
Kirchenvertreter. Zur Kranzniederlegung am Gefallenenehrenmal salutiert
Militär in Uniform. Blechbläser intonieren das Lied vom „guten
Kameraden“. Die Älteren unter uns kennen es noch aus der Zeit des
Faschismus. Dort wurde es immer zum Heldengedenktag gespielt. So hieß
damals der Volkstrauertag.
Eine lange Tradition hat der Volkstrauertag in Deutschland. Gleich nach Ende des ersten Weltkrieges wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gegründet, und er führte 1922 zum ersten Mal den von ihm erfundenen Volkstrauertag durch. Damals noch am Sonntag Reminiscere, dem fünften Sonntag vor Ostern. Man erwartete die Auferstehung des Herrn – und passend dazu die Wiederauferstehung der Nation. 1934 wandelten die Nazis den Volkstrauertag in ihren Heldengedenktag um. Der wurde einheitlich in ganz Deutschland begangen, mit militärischen Aufmärschen und viel Brimborium. Das diente der ideologischen Kriegsvorbereitung. Kein Wunder, dass 1945 die Alliierten das Helden- und Gefallenengedenken verboten. Aber bald nach Gründung der Bundesrepublik wurde der Volksbund wiederbegründet. Man begann damit, jährlich im Bundestag eine zentrale Feier und an allen Gefallenendenkmälern der BRD örtliche Feiern zum Volkstrauertag durchzuführen. Deren Ablauf wird bis heute vom Volksbund zentral gesteuert, durch Handreichungen an die Kommunen. Stichwort Kontinuität: Der Chefarchitekt des Volksbunds, Robert Tischler, auf dessen Entwürfe die Gestaltung der Soldatenfriedhöfe im In- und Ausland zurückgeht, war seit 1926 im Amt, durchgehend bis 1959. Auch der „Helden-Hain“ – so nannte man das im Faschismus, für jeden Gefallenen ein Baum – auf dem Bergfriedhof, wo die Tübinger Feierlichkeiten stattfinden, wurde nach den Vorgaben des Volksbunds gestaltet.
Im September nun kam der Volksbund öffentlich in der Diskussion. Sein Vorsitzender, der SPD-Politiker Markus Meckel, trat unter Protest zurück. Worum ging es? Meckel hatte vergeblich versucht, im Volksbund neue Leitlinien durchzusetzen. In ihnen sollte der Zweite Weltkrieg als „Angriffs- und rassistisch motivierter Vernichtungskrieg“ definiert werden. Dies habe, so Meckel, einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Weiteres Zitat Meckel: „Ich hätte nie erwartet, dass das im 21. Jahrhundert noch diskutiert werden kann. Ein Verband, der in die nächste Generation hinein wirken will, der öffentliches Gedenken gestalten will, muss sich positionieren.“ Die Soldaten seien nicht auf einem Feld der Ehre gefallen. Einige hätten gegen ihren Willen gehandelt, „aber es waren abertausende Verbrecher dabei.“
Meckel scheiterte am Widerstand insbesondere zweier im Volksbund aktiver ehemaliger Bundeswehrgenerale, der Herren Jürgen Reichardt und Wolfgang Schneiderhan, letzterer ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr. Der hatte 2009 bei Ermittlungen zu einem Massaker der Bundeswehr im afghanischen Kundus Informationen unterschlagen. Und vor Jahren schwadronierte er in der FAZ im Jargon eines Präventivkriegers. Reichardt hingegen publizierte vor einem Jahr in der Zeitschrift des Bayerischen Soldatenbundes „Treue Kameraden“ ein Anti-Meckel-Pamphlet. Er wirft Meckel vor, sich über die gefallenen deutschen Soldaten moralisch zu erheben und die Idee der Kriegsgräberfürsorge zu verwässern, indem aller Toten von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht wird. – Jetzt ist Generalinspekteur a.D. Schneiderhan neuer Präsident des Volksbundes.
Wir fordern: Die Stadt Tübingen soll endlich die Zusammenarbeit mit dem Volksbund beenden und die Trauerfeier auf dem Stadtfriedhof absagen. Das ist überfällig. Seit etwa 15 Jahren ist eine Art Re-Heroisierung des Volkstrauertags zu beobachten. Da darf die Stadt Tübingen nicht mitmachen. Wer seiner im Krieg umgekommenen Angehörigen gedenken will, kann dies persönlich und individuell tun. Den Volksbund braucht er oder sie dafür nicht.
Und Ansprachen des Noch-Bundespräsidenten Gauck zum Volkstrauertag brauchen wir auch nicht. Der hatte 2012 in einer Ansprache vor der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg erklärt:
„Freiheit ist ohne Verantwortung nicht zu haben. Für Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten, ist diese Haltung selbstverständlich. Ist sie es auch in unserer Gesellschaft? Freiheit und Wohlergehen sehen viele als Bringschuld von Staat und Demokratie. Manche verwechseln Freiheit mit Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit und die Hedonismus. Andere sind sehr gut darin, ihre Rechte wahrzunehmen oder gegebenenfalls auch vehement einzufordern. Und vergessen dabei allzu gern, dass eine funktionierende Demokratie auch Einsatz erfordert, Aufmerksamkeit, Mut und manchmal auch das äußerste, was ein Mensch geben kann, das Leben, das eigene Leben. (…) Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen.“
Das war ein Angriff auf die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung. Meinungsumfragen zufolge ist die nämlich nach wie vor gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Wir halten dem Präsidenten entgegen:
Wir wollen keine heroischen Reden. Wir wollen keine Kriege. Wir wollen keine Kriegsvorbereitungen. Wir wollen keine Waffenexporte. Wir wollen keine Soldaten, die töten, und wir wollen keine Soldaten, die sterben.
Eine lange Tradition hat der Volkstrauertag in Deutschland. Gleich nach Ende des ersten Weltkrieges wurde der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gegründet, und er führte 1922 zum ersten Mal den von ihm erfundenen Volkstrauertag durch. Damals noch am Sonntag Reminiscere, dem fünften Sonntag vor Ostern. Man erwartete die Auferstehung des Herrn – und passend dazu die Wiederauferstehung der Nation. 1934 wandelten die Nazis den Volkstrauertag in ihren Heldengedenktag um. Der wurde einheitlich in ganz Deutschland begangen, mit militärischen Aufmärschen und viel Brimborium. Das diente der ideologischen Kriegsvorbereitung. Kein Wunder, dass 1945 die Alliierten das Helden- und Gefallenengedenken verboten. Aber bald nach Gründung der Bundesrepublik wurde der Volksbund wiederbegründet. Man begann damit, jährlich im Bundestag eine zentrale Feier und an allen Gefallenendenkmälern der BRD örtliche Feiern zum Volkstrauertag durchzuführen. Deren Ablauf wird bis heute vom Volksbund zentral gesteuert, durch Handreichungen an die Kommunen. Stichwort Kontinuität: Der Chefarchitekt des Volksbunds, Robert Tischler, auf dessen Entwürfe die Gestaltung der Soldatenfriedhöfe im In- und Ausland zurückgeht, war seit 1926 im Amt, durchgehend bis 1959. Auch der „Helden-Hain“ – so nannte man das im Faschismus, für jeden Gefallenen ein Baum – auf dem Bergfriedhof, wo die Tübinger Feierlichkeiten stattfinden, wurde nach den Vorgaben des Volksbunds gestaltet.
Im September nun kam der Volksbund öffentlich in der Diskussion. Sein Vorsitzender, der SPD-Politiker Markus Meckel, trat unter Protest zurück. Worum ging es? Meckel hatte vergeblich versucht, im Volksbund neue Leitlinien durchzusetzen. In ihnen sollte der Zweite Weltkrieg als „Angriffs- und rassistisch motivierter Vernichtungskrieg“ definiert werden. Dies habe, so Meckel, einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Weiteres Zitat Meckel: „Ich hätte nie erwartet, dass das im 21. Jahrhundert noch diskutiert werden kann. Ein Verband, der in die nächste Generation hinein wirken will, der öffentliches Gedenken gestalten will, muss sich positionieren.“ Die Soldaten seien nicht auf einem Feld der Ehre gefallen. Einige hätten gegen ihren Willen gehandelt, „aber es waren abertausende Verbrecher dabei.“
Meckel scheiterte am Widerstand insbesondere zweier im Volksbund aktiver ehemaliger Bundeswehrgenerale, der Herren Jürgen Reichardt und Wolfgang Schneiderhan, letzterer ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr. Der hatte 2009 bei Ermittlungen zu einem Massaker der Bundeswehr im afghanischen Kundus Informationen unterschlagen. Und vor Jahren schwadronierte er in der FAZ im Jargon eines Präventivkriegers. Reichardt hingegen publizierte vor einem Jahr in der Zeitschrift des Bayerischen Soldatenbundes „Treue Kameraden“ ein Anti-Meckel-Pamphlet. Er wirft Meckel vor, sich über die gefallenen deutschen Soldaten moralisch zu erheben und die Idee der Kriegsgräberfürsorge zu verwässern, indem aller Toten von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht wird. – Jetzt ist Generalinspekteur a.D. Schneiderhan neuer Präsident des Volksbundes.
Wir fordern: Die Stadt Tübingen soll endlich die Zusammenarbeit mit dem Volksbund beenden und die Trauerfeier auf dem Stadtfriedhof absagen. Das ist überfällig. Seit etwa 15 Jahren ist eine Art Re-Heroisierung des Volkstrauertags zu beobachten. Da darf die Stadt Tübingen nicht mitmachen. Wer seiner im Krieg umgekommenen Angehörigen gedenken will, kann dies persönlich und individuell tun. Den Volksbund braucht er oder sie dafür nicht.
Und Ansprachen des Noch-Bundespräsidenten Gauck zum Volkstrauertag brauchen wir auch nicht. Der hatte 2012 in einer Ansprache vor der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg erklärt:
„Freiheit ist ohne Verantwortung nicht zu haben. Für Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten, ist diese Haltung selbstverständlich. Ist sie es auch in unserer Gesellschaft? Freiheit und Wohlergehen sehen viele als Bringschuld von Staat und Demokratie. Manche verwechseln Freiheit mit Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit und die Hedonismus. Andere sind sehr gut darin, ihre Rechte wahrzunehmen oder gegebenenfalls auch vehement einzufordern. Und vergessen dabei allzu gern, dass eine funktionierende Demokratie auch Einsatz erfordert, Aufmerksamkeit, Mut und manchmal auch das äußerste, was ein Mensch geben kann, das Leben, das eigene Leben. (…) Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen.“
Das war ein Angriff auf die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung. Meinungsumfragen zufolge ist die nämlich nach wie vor gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Wir halten dem Präsidenten entgegen:
Wir wollen keine heroischen Reden. Wir wollen keine Kriege. Wir wollen keine Kriegsvorbereitungen. Wir wollen keine Waffenexporte. Wir wollen keine Soldaten, die töten, und wir wollen keine Soldaten, die sterben.
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