Freitag, 20. Juli 2012
Rico Gebhardt neuer Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Sächsischen Landtag
Die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag wählte auf ihrer heutigen Klausur einen neuen Fraktionsvorstand, der bis zum Ende der Legislaturperiode amtiert. Der bisherige Fraktionsvorsitzende Dr. André Hahn hatte nach seiner Nominierung als Spitzenkandidat neben Katja Kipping für die Bundestagswahl durch den Kleinen Parteitag des Landesverbandes Sachsen auf eine erneute Kandidatur für den Fraktionsvorsitz verzichtet.
Neuer Fraktionsvorsitzender ist Rico Gebhardt, er wurde mit 16 Ja-Stimmen im ersten Wahlgang gewählt. Neun Abgeordnete stimmten mit „Nein“, zwei enthielten sich. Als Parlamentarischer Geschäftsführer wurde Klaus Tischendorf mit 20 Stimmen wiedergewählt, seine Gegenkandidatin Dr. Jana Pinka erhielt acht Stimmen.
Wie bisher sind die Leiter/innen der fünf Arbeitskreise zugleich stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Dazu müssen sie nach der Wahl durch die Arbeitskreise von der Gesamtheit der Fraktion mit der qualifizierten Mehrheit aller Abgeordneten bestätigt werden (mindestens 15 Stimmen). Das ist in vier Fällen bereits im ersten Wahlgang geschehen. Bestätigt in ihrem Amt wurden Klaus Bartl (25 Ja-Stimmen), Annekatrin Klepsch (17), Dr. Dietmar Pellmann (23) und Dr. Jana Pinka (22). Sebastian Scheel erhielt im zweiten Wahlgang 18 Stimmen.
In ihrem Amt wiedergewählt wurde im ersten Wahlgang die Schatzmeisterin der Fraktion, Cornelia Falken. Sie erhielt 16-Ja-Stimmen bei 8-Nein-Stimmen und vier Enthaltungen.
Sächsische Zeitung vom 18. Juli 2012
Unter der Überschrift „Linke in Sachsen wollen in die Regierung“ schreibt Tilo Alexe, dass der neue Fraktionschef auf ein Bündnis mit SPD und Grünen - und einen anderen Politikstil setzt.
„In der sächsischen Landtagsfraktion der Linken tobt offenbar ein Kulturkampf. Die Abgeordneten aus dem größten Landesverband der Partei streben zwar die Ablösung der seit fast einem Vierteljahrhundert regierenden CDU an. Doch das Wie ist umstritten. Mit brachialer Oppositionspolitik oder doch eher mit staatstragender Regierungsattitüde?
Seite gestern haben die Parlamentarier einen neuen Vorsitzenden. Nach 17 Jahren in Führungspositionen trat André Hahn nicht mehr an. Er wechselt wohl im kommenden Jahr in den Bundestag. Nachfolger Rico Gebhardt, der auch Landeschef der Linken ist, erzielte ein eher mageres Ergebnis, das die Zerwürfnisse klar spiegelt. 16 Abgeordnete stimmten für ihn, neun gegen ihn. Zwei enthielten sich.
"In etwas mehr als zwei Jahren möchten wir Linken gemeinsam mit SPD und Grünen für einen Regierungswechsel in Sachsen sorgen", sagte Gebhardt. Der 49-Jährige gilt als besonnener, umgänglicher und integrierender Politiker, der unterschiedliche Strömungen in der Partei zusammenbringen kann. Dennoch grenzt sich der gelernte Koch überraschend klar von Vorgänger Hahn ab: "Ich denke, die ermüdenden Frontalangriffe auf die vermeintliche 'Festung' CDU müssen beendet werden."
Der neue Fraktionschef setzt - neben Innovations-, Technologie- und Sozialstrategien - auf eine bessere Vernetzung der Linken mit der Bevölkerung. Per "Dialog von unten" sollen Bedürfnisse der Sachsen geklärt und Bürgerbeteiligung ermöglicht werden. "Das Gefühl der Machtlosigkeit ist weit verbreitet", konstatiert Gebhardt.
Der gebürtige Sachse kündigt zudem eine "veränderte Mannschaftsaufstellung" an. Spannend ist, wie die größte Oppositionsfraktion das akzeptiert. Im kommenden Jahr entscheidet die Partei über die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2014. Das Rennen scheint offen. Denn nicht nur Gebhardt erhielt gestern einen Dämpfer. Ein weiterer Anwärter, Finanzpolitiker Sebastian Scheel aus dem "Realo"-Flügel wurde erst im zweiten Anlauf als Fraktionsvize bestätigt.“
Die Dresdner Morgenpost schreibt:
„Rico Gebhardt (49) ist der neue mächtige Mann bei den Linken in Sachsen: Der Landeschef der Partei wurde mit einem mittelmäßigem Ergebnis auch zum Chef der Landtagsfraktion gewählt, löst wie geplant André Hahn (49) ab. Er will vieles anders machen.
Gebhardt bekam 16 Ja-Stimmen. Nein Abgeordnete stimmten mit Nein, zwei enthielten sich. Mit Blick auf seine gescheiterte Kampfkandidatur gegen Hahn 2009 habe er sich "stark verbessert", so Gebhardt zum durchwachsenen Zuspruch. "Das Ergebnis zeige die realen Verhältnisse in der Fraktion". Neu in der Riege der Vize-Fraktions-Chefs ist Sebastian Scheel (36). André Hahn soll 2013 in den Bundestag wechseln.
Gebhardt will die Linke nun mit einem anderen Politikstil zum Regierungswechsel 2014 führen. "Die Zeit ermüdender Frontalangriffe auf die vermeintliche Festung CDU ist vorbei", so Gebhardt. Die Fraktion müsse konsequenter als bisher Alternativen zu CDU und FDP aufzeigen, Vertrauen in die eigene Stärke haben. "Es reicht nicht nur zu sagen, was andere schlecht machen." Ein Teil der Fraktion habe bislang daran gezweifelt, dass man das könne. "Ja, wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen." Dazu solle mehr Austausch mit den Bürgern gesucht werden.“
In den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 18. Juli heißt es:
„Am Ende war es das, was man ein "ehrliches Ergebnis" nennt: Rico Gebhardt, der 49-jährige Parteichef der sächsischen LINKEN wird in Zukunft auch die Fraktion führen. 16. Mitglieder votierten bei den Vorstandswahlen gestern für ihn, bei neun Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen - eine Quote von fast 60 Prozent. Das ist zwar nicht unbedingt ein berauschendes Ergebnis für den neuen Führungsmann, aber immerhin passabel. Denn nicht zuletzt ist damit der entscheidende Wechsel perfekt: Gebhardt löst den bisherigen Fraktionschef André Hahn ab, der in kommenden Jahr in den Bundestag einziehen soll.
Umd dies Neuausrichtung haben die Landtags-Linken viele Monate gerungen. Immer wieder gab es Querelen zwischen den verschiedenen Lagern; auch war unklar, ob Hahn die Führung kampflos abgegeben würde. Am Ende hat er es dann doch getan und Gebhardt, der sich als Schlichter bei den Grabenkämpfen einen Namen gemacht hat, kann nun beides fürs sich beanspruchen: die Führung des bundesweit größten Landesverbandes der Linken in Deutschland und die der Fraktion.“
Jürgen Kochinke berichtet von der Wahl des Fraktionsvorstandes: „Eine Kampfkandidatur gab es beim Ringen um die zweite Reihe. So versuchte sich die Abgeordnete Jana Pinka gestern als Widerpart von Fraktionsmanager Tischendorf - und scheiterte. Tischendorf wurde als Parlamentarischer Geschäftsführer mit 20 Stimmen überraschen klar bestätigt, Pinka erhielt magere acht. Der Rest war Normprozedere, weitgehend zumindest. So die alten Fraktionsvize auch die neuen, von Klaus Bartl über Annekatrin Klepsch bis Dietmar Pellmann. Gewählt wurde schließlich auch Pinka, die nach ihrer Niederlage gegen Tischendorf als Vize angetreten war.
Einen Dämpfer mit Tiefenwirkung hielten die Fraktionäre allerdings für Sebastian Scheel bereit: Der smarte Finanzer fiel im ersten Wahlgang zum Fraktionsvize durch und schaffte es erst im zweiten - mit dann immerhin 18 Stimmen. Scheel gilt als ambitionierter Vertreter der jungen Garde bei den Linken und hat es sich deshalb bei nicht wenigen Fraktionären nachhaltig verscherzt. Zudem wird Scheel immer wieder gern als potenzieller Spitzenkandidat im Wahlkampf 2014 gehandelt - damit auch ein möglicher Kontrahent von Gebhardt.“
Bereits gestern schrieb die Leipziger Volkszeitung
„Rico Gebhardt im Porträt: Sympathieträger zwischen linken Lagern
Die Linken in Sachsen geben ihrem Parteichef Rico Gebhardt mit dem Amt als Fraktionschef im Landtag mehr Macht. (Archivfoto)
Dresden. Die Linken in Sachsen geben ihrem Parteichef Rico Gebhardt mit dem Amt als Fraktionschef im Landtag mehr Macht. Doch der 49-Jährige gehört nicht zu jenen Menschen, die Machtfülle wirklich verkörpern. Der gebürtige Erzgebirger wirkt eher wie der Kumpel von nebenan: bodenständig, humorvoll und zurückhaltend. Gebhardt ist der Sympathieträger zwischen den linken Lagern und zudem ein ausgesprochener Familienmensch. Demnächst gibt es in der Familie wieder Zuwachs: Irgendwie passen die erwarteten Zwillinge zu seiner Doppelfunktion in der Partei.
Seit dem Göttinger Parteitag im Juni dieses Jahres verspürt Gebhardt bei den Linken Aufwind. Die Befürchtung vieler Genossen, die Partei könnte am Ost-West-Konflikt scheitern und sich selbst zerlegen, erfüllte sich nicht. Auch bei den Linken in Sachsen - mit knapp 11 000 Mitgliedern bundesweit der größte Landesverband - scheinen die Fronten befriedet. Die sogenannte Jugendbrigade und die altgedienten Kader geben sich entspannt und treten gelegentlich sogar gemeinsam vor die Mikrofone. Gebhardt hielt ohnehin nie viel von solchen Zuweisungen. In den letzten Jahren sei es gelungen, tiefe Gräben zuzuschütten, sagt er.
Gebhardt war bereits zu DDR-Zeiten Mitglied der SED. Von 1990 bis 2003 saß er im Kreistag von Aue, später Aue-Schwarzenberg. Zweimal scheiterte er als Kandidat für den Posten des Bürgermeisters von Aue. Seit 2004 sitzt er im Landtag. 2009 übernahm er den Parteivorsitz der Linken, zuvor hatte er jahrelang als Landesgeschäftsführer gedient. Im Herbst 2011 wurde Gebhardt mit 79 Prozent der Stimmen als Parteichef wiedergewählt. Ausgleich von der Arbeit findet er vor allem beim Spielen mit seiner zwei Jahre alten Tochter Elena. Auch Gartenarbeit und Krimis dienen zur Entspannung. Nur für das Kochen hat der gelernte Koch kaum noch Zeit.“
http://www.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/rico-gebhardt--sympathietraeger-zwischen-linken-lagern/r-mitteldeutschland-a-146213.html
Im Neuen Deutschland schreibt Hendrik Lasch unter der Überschrift „Wachwechsel bei Sachsens Linksfraktion perfekt“
„Landeschef Gebhardt löst Hahn ab und kündigt neue Taktik an
Sachsens Linksfraktion steht unter neuer Führung: Landeschef Rico Gebhardt wurde als neuer Vorsitzender gewählt. Sein Vorgänger André Hahn soll in den Bundestag wechseln.
Erstmals seit elf Jahren gibt es in der LINKEN in Sachsen wieder eine Personalunion bei Landes- und Fraktionsvorsitz. Rico Gebhardt, der seit 2009 an der Spitze der Landespartei steht, wurde gestern auch an die Spitze der Fraktion gewählt. Für den 49-Jährigen stimmten 16 der anwesenden 27 Abgeordneten, was einem Ergebnis von 59,2 Prozent entspricht. Gebhardt löst den gleichaltrigen André Hahn ab. Der langjährige parlamentarische Geschäftsführer hatte 2007 die Nachfolge von Peter Porsch an der Spitze der stärksten Oppositionsfraktion im sächsischen Landtag angetreten. Zunehmend war aber kritisiert worden, dass die Fraktion unter seiner Führung unter ihren Möglichkeiten blieb. Nach der Landtagswahl 2009 hatte sich Gebhardt deshalb schon einmal überraschend in einer Kampfkandidatur gegen Hahn um den Fraktionsvorsitz beworben. Damals war er aber noch deutlich gescheitert.
Diesmal erfolgt der Wachwechsel im Einvernehmen. Der nun gefundenen Lösung zufolge übernimmt Hahn von Gebhardt das Amt des innenpolitischen Sprechers. 2013 soll er neben Bundeschefin Katja Kipping als sächsischer Spitzenkandidat in die Wahlen zum Bundestag ziehen. Für eine solche Doppelspitze hatte sich Mitte Juni ein kleiner Parteitag ausgesprochen.
Der neue Fraktionschef kündigte gestern eine veränderte politische Taktik an. Die »Zeit der ermüdenden Frontalangriffe auf eine vermeintliche Festung CDU« sei vorbei, sagte Gebhardt. Die LINKE wolle sich statt dessen stärker darauf konzentrieren, Alternativen zu entwickeln und politische Netzwerke aufzubauen, um sie zu popularisieren. Es reiche nicht mehr zu sagen, was die anderen falsch machen; die LINKE müsse Alternativen entwickeln und, anders als bei Entwürfen wie dem Alternativen Landesentwicklungskonzept ALEKSA von 2004, auch konsequent auf deren Umsetzung hinarbeiten. Früher hätten dem oft Selbstzweifel am eigenen Vermögen entgegen gestanden.
Gebhardt setzt auch auf neue Partner innerhalb und außerhalb des Parlaments. Im Landtag solle mit SPD und Grünen auf Augenhöhe gesprochen werden. Dazu »dürfen wir nicht immer unsere eigene Stärke vor uns hertragen«. Generell wolle die Fraktion verstärkt zum Dialog einladen. Der Regierungsbürokratie solle eine »emanzipierte Schwarmintelligenz« entgegen gesetzt werden. Man wolle diejenigen ansprechen, die an politischen Debatten »bisher nicht beteiligt wurden«.
Zugleich will Gebhardt den Potenzialen der Fraktion stärker zur Entfaltung verhelfen. Bisher seien viele gute Initiativen in einzelnen Politikbereichen erarbeitet worden; zugleich wurde bei Wahlprogrammen oder in Etatdebatten peinlichst auf Ausgewogenheit geachtet. Es sei zu wenig ressortübergreifend gearbeitet worden. Gebhardt äußerte in der Fraktion die Überzeugung, dass »wir ein wunderbares Orchester abgeben können«. Außerdem solle stärker das Gefühl vermittelt werden, dass auch die LINKE ihre politischen Ideen mit Lust vertritt.
Gebhard betonte gestern, dass die Wahl noch keine Vorentscheidung über die Aufstellung zur Landtagswahl 2014 sei. Der Spitzenkandidat soll erst im Oktober 2013 gekürt werden. Der zuletzt oft als Favorit gehandelte Abgeordnete, der Finanzpolitiker Sebastian Scheel, benötigte gestern zwei Anläufe, um als einer von fünf Fraktionsvizes gewählt zu werden.“
http://www.neues-deutschland.de/artikel/232947.wachwechsel-bei-sachsens-linksfraktion-perfekt.html
Einen Filmbeitrag gibt es beim Sachsenspiegel
http://www.mdr.de/mediathek/suche/video66920_zc-485c01ae_zs-d23ba9ff.html
Die Freie Presse schreibt:
18.7.2012, „Stühlerücken bei den Linken im Landtag
Ruhig und ohne Getöse hat sich ein Wechsel an der Fraktionsspitze vollzogen. Ein neues Gesicht für die alten Aufgaben.
Uwe Kuhr beschreibt „Gebhardts Griff nach dem Platz als Oppositionsführer im sächsischen Parlament als Startsignal für einen neuen Versuch, mit einem rot-rot-grünen Bündnis die schwarz-gelbe Koalition abzulösen. Dieser Schritt begann, wie bei den Linken fast schon üblich, mit einem Dämpfer. Gebhardt erhielt "nur" 59,2 Prozent der Stimmen der Fraktion. Lediglich 16 Genossen konnten sich ihm vorbehaltlos anschließen, neun stimmten gegen ihn, zwei enthielten sich der Stimme. "Das Ergebnis widerspiegelt die realen Verhältnisse in der Fraktion", konstatierte der 49-Jährige. Enttäuscht sei er deshalb nicht.
Vielleicht waren auch die Töne schuld, die Gebhardt gestern in der Fraktion anschlug. Sie mögen für altgediente Genossen starker Tobak gewesen sein. Es sei eine andere politische Kultur als bisher nötig. "Wir müssen die ermüdenden Frontalangriffe auf die CDU beenden", beschwor der gelernte Koch seine Fraktionskollegen. Das habe in 22 Jahren Opposition nicht funktioniert. Um die CDU/FDP-Regierung abzulösen, müsse die Linke den Wählern klar machen, dass sie es mit SPD und Grünen besser machen könne. "Dazu können wir nicht immer wieder nur unsere Stärken als Linke in den Mittelpunkt stellen, sondern die Gemeinsamkeiten aller drei." Das brauche Vertrauen, Verständnis und Augenhöhe.
Gebhardt hatte bereits 2009 seine Finger nach dem linken Chefsessel im Parlament ausgestreckt. Kurz nach der aus linker Sicht mäßigen Landtagswahl unterlag Gebhardt Hahn im September in einer Kampfabstimmung. Danach startete der gebürtige Schlemaer eine für linke Verhältnisse einmalige Karriere.
Zunächst wurde er im November 2009 zum Landesparteichef gekürt. Als Übergangskandidat, kommentierte er schalkhaft. Übergangsweise war er lange Landesgeschäftsführer seiner Partei. Unaufgeregt hat Gebhardt die einst tief gespaltene Landespartei aus dem Stimmungstief herausgeholt, sie inhaltlich neu ausgerichtet. Inzwischen hat der mit 11.000 Mitgliedern stärkste Landesverband der Linken im Bund wieder Gehör gefunden. Er hat im Bundesvorstand immerhin acht Vertreter.
Linke, Grüne und SPD haben eine gemeinsame Sprache gefunden. Eine fraktionsübergreifende Gruppe "R2G" (für: Rot-Rot-Grün) hat die Arbeit aufgenommen. Offene Eifersüchteleien zwischen den Dreien gibt es kaum noch. Selbst gewichtige Teile der Grünen, konnten sich mit Gebhardt anfreunden und bis zum gewissen Grad mit den Linken aussöhnen, was mit Hahn nicht gelang. Auch für die umstrittenste Frage aller Fragen: Wer würde denn Ministerpräsident unter Rot-Rot-Grün? fand Gebhardt eine Formel. Ein Konsenskandidat, lautete das Angebot.
Dafür gab es in den eigenen Reihen nicht viel Beifall. Aber das ist sein Stil. Nicht die großen Gesten sind seine Stärke, aber die Denkanstöße in alle programmatischen Richtungen der Linken. Und dafür gibt es dort eben nur 59,2 Prozent.
Zu Fraktionsvizechefs wurden gewählt: Klaus Bartl, Dietmar Pellmann, Jana Pinka, Annekatrin Klepsch und Sebastian Scheel. Alter und neuer parlamentarischer Geschäftsführer ist Klaus Tischendorf.“
Gestern veröffentlichte die Freie Presse online ein Porträt:
„Rico Gebhardt im zweiten Anlauf Linke-Fraktionschef
"Ich habe mein Wahlergebnis stark verbessert"
Dresden (dapd-lsc). Er gilt als Pragmatiker und kommunikativer Typ, mit dessen Karriere außerhalb von Sachsens Linkspartei lange Zeit kaum jemand rechnete: Zweieinhalb Jahre nach der Übernahme des Parteivorsitzes ist Rico Gebhardt am Dienstag auch zum Fraktionschef der Linken im sächsischen Landtag gewählt worden. Der 49 Jahre alte Mann aus dem Erzgebirge will die ehemals zerstrittene Landespartei nun weiter einen und auf einen realpolitischen Kurs trimmen.
Gebhardt, der am 27. Mai 1963 in Bad Schlema geboren wurde, hat ein klares Ziel: Das Ergebnis der stärksten Oppositionspartei bei der Landtagswahl 2014 stabil halten. Dafür schwört er die sächsischen Genossen seit Monaten auf eine "radikale Realpolitik" ein, spricht vom "Gebrauchswert der Linkspartei", der nach den Querelen der vergangenen Jahre den Wählern neu erklärt werden müsse.
Gebhardt hat reichlich Lebenserfahrung. In der DDR arbeitete der gelernte Koch unter anderem als Geschäftsführer eines Fischgroßhandels. Er war auch Funktionär der Jugendorganisation FDJ. Nach der Wende kletterte das einstige SED-Mitglied die politische Karriereleiter in der PDS und später der Linkspartei hoch. Er war zunächst in den 1990er Jahren persönlicher Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten. Im Jahr 2000 wurde er Landesgeschäftsführer seiner Partei in Sachsen.
Neun Jahre später strebte Gebhardt beide Spitzenämter der sächsischen Linken zugleich an - mit halbem Erfolg. Im November 2009 wählten ihn die Delegierten bei einem Parteitag in Burgstädt bei Chemnitz zwar mit 77 Prozent der Stimmen zum neuen Landeschef. Doch von der Fraktion hatte er sich zwei Monate zuvor eine Absage holen müssen. André Hahn blieb Fraktionschef, Gebhardt innenpolitischer Sprecher im Landtag.
Jetzt hat es Gebhardt geschafft. "Ich habe mein Wahlergebnis von 2009 stark verbessert", sagte er am Dienstag schmunzelnd nach seiner knappen Wahl zum neuen Fraktionschef. Bei Beobachtern gilt Gebhardt als noch zugänglicher und diskussionsfreudiger als Hahn. Dieser legt das Amt zum 1. August nieder und will nächstes Jahr als Abgeordneter in den Bundestag wechseln.
Trotz der starken CDU in Sachsen postuliert Gebhardt einen Regierungswechsel. Mit einer Koalition aus Linke, SPD und Grünen will er 2014 die schwarz-gelbe Landesregierung ablösen. Doch die Position der Linken bleibt widersprüchlich.
Die "ermüdenden Frontalangriffe auf eine vermeintliche Festung CDU" hätten nicht wirklich was gebracht, sagte der 49-Jährige am Dienstag und kündigte einen frischeren Politikstil an. Nach 22 Jahren in der Opposition müsse sich die Linke andererseits aber zur Regierungsverantwortung bekennen und "die Festung CDU einreißen", sagte er.
Dafür will Gebhardt Partei und Fraktion auf zwei Kernthemen konzentrieren: Soziales und technologische Innovationen, mit denen die Linke ihre Politik an den Wähler bringen will. Mit Blick auf die Außenwirkung der in den vergangenen Monaten zur Ruhe gekommenen Partei gab er die Losung aus: "Wir brauchen Vertrauen und Achtung füreinander", um die derzeitige "Sprachlosigkeit zu überwinden".“
http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/SACHSEN/Rico-Gebhardt-im-zweiten-Anlauf-Linke-Fraktionschef-artikel8044696.php
Der mdr berichtet:
„Personalkarusell Gebhardt übernimmt Fraktionsvorsitz der Landtagslinken
Führungswechsel bei der Linken im sächsischen Landtag: Die Fraktion wird künftig von Rico Gebhardt geleitet. Der bisherige Vorsitzende André Hahn zieht sich nach fünf Jahren aus dem Amt zurück, bleibt aber vorerst noch innenpolitischer Sprecher der Fraktion. Innenexperte Gebhardt war der einzige Kandidat für den Vorsitz der größten Oppositionsfraktion im Dresdner Landtag. Er wird die neue Aufgabe zum 1. August übernehmen. Bei der Wahl am Dienstag kam er nach Angaben aus Fraktionskreisen auf 16 Ja-Stimmen. Neun Abgeordnete stimmten mit Nein, zwei enthielten sich der Stimme.
Ziel 1: Wahlergebnis 2014 stabil halten
Der neue und der scheidende Fraktionschef: Gebhardt und Hahn
Der 49 Jahre alte Gebhardt, der aus Schlema im Erzgebirge stammt, ist seit November 2009 auch Landeschef der Linken. Hahn war zuletzt in der Fraktion umstritten. Im nächsten Jahr will er nach Berlin wechseln. Die Linke hat ihn für den Bundestag im Wahljahr 2013 nominiert.
Gebhardt hat unterdessen ein klares Ziel formuliert: Das Ergebnis der stärksten Oppositionspartei bei der Landtagswahl 2014 stabil halten. Dafür schwört er die sächsischen Genossen seit Monaten auf eine "radikale Realpolitik" ein, spricht vom "Gebrauchswert der Linkspartei", der nach den Querelen der vergangenen Jahre den Wählern neu erklärt werden müsse.
Ziel 2: "Festung CDU einreißen"
Die "ermüdenden Frontalangriffe auf eine vermeintliche Festung CDU" hätten nicht wirklich was gebracht, sagte Gebhardt und kündigte zugleich einen frischeren Politikstil an. Nach 22 Jahren in der Opposition müsse sich die Linke andererseits aber zur Regierungsverantwortung bekennen und "die Festung CDU einreißen".
Dafür will der gelernte Koch Partei und Fraktion auf zwei Kernthemen konzentrieren: Soziales sowie technologische Innovationen, mit denen die Linke ihre Politik an den Wähler bringen will. Mit Blick auf die Außenwirkung der in den vergangenen Monaten zur Ruhe gekommenen Partei gab er die Losung aus: "Wir brauchen Vertrauen und Achtung füreinander", um die derzeitige "Sprachlosigkeit zu überwinden".“
http://www.mdr.de/sachsen/hahn-linke102.html
Die Lausitzer Rundschau schreibt
„Linke-Chef Gebhardt ist neuer Fraktionsvorsitzender
Dresden, Sachsens Linke-Chef Rico Gebhardt führt ab August auch die größte Oppositionsfraktion im Dresdner Landtag. Der 49-Jährige aus dem Erzgebirge wurde am Dienstag ohne einen Gegenkandidaten zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt.
16 Abgeordnete stimmten für Gebhardt, neun gegen ihn. Zwei der insgesamt 29 Fraktionsmitglieder enthielten sich der Stimme. Mit dem Ergebnis von rund 60 Prozent zeigte sich Gebhardt zufrieden. "Ich habe mein Wahlergebnis von 2009 stark verbessert", sagte er mit Blick auf das Jahr 2009, als er im ersten Anlauf für den Posten Fraktionschef André Hahn unterlag. Der 49-jährige Hahn gibt das Amt nach fünf Jahren ab. Die Linke hat den gebürtigen Berliner, der seit 1994 ein Landtagsmandat hat, für den Bundestag im Wahljahr 2013 nominiert. Hahn übernimmt von Gebhardt vorerst den Posten des innenpolitischen Fraktionssprechers. Gebhardt ist seit November 2009 Linke-Chef in Sachsen.
Vor einem dreiviertel Jahr war er mit 79 Prozent der Stimmen bei einem Parteitag in Bautzen wiedergewählt worden, zwei Prozentpunkte besser als bei seiner ersten Wahl.“
http://www.lr-online.de/nachrichten/sachsen/Linke-Chef-Gebhardt-ist-neuer-Fraktionsvorsitzender;art1047,3873599
Freitag, 6. Juli 2012
„Niemand braucht 40000 Euro im Monat zum Leben“
Die Sächsische Zeitung interviewt André Hahn:
„Der Linke-Politiker André Hahn aus Gohrisch will nach Berlin wechseln und sagt, was er von einer 100-Prozent-Steuer hält.
André Hahn ist seit fünf Jahren Vorsitzender der Links-Fraktion und damit Oppositionsführer im Sächsischen Landtag. Jetzt kandidiert er für ein Bundestagsmandat.
Herr Dr. Hahn, die Bundestagswahl ist noch mehr als ein Jahr hin, aber Sie wurden von Ihrer Partei bereits als Kandidat nominiert – noch vor dem CDU-Platzhirsch Klaus Brähmig. Hätten Sie sich das jemals träumen lassen?
Nein, ich habe bis vor wenigen Monaten nicht gedacht, dass ich Richtung Bundestag gehen würde. Aber die aktuelle Situation der Linken ist nicht einfach. Wir haben turbulente Zeiten hinter uns, vor allem auf Bundesebene. Der Wiedereinzug in den Bundestag ist noch längst nicht gesichert. Es ist daher durchaus ein wichtiges Zeichen, wenn profilierte Politiker, die landesweit bekannt sind, dafür kandidieren.
Sie haben aber selbst durchblicken lassen, der Schritt weg von der Fraktionsspitze im Landtag hin zum Bundestagsmandat sei nicht ganz freiwillig gewesen…
Bei so einer Entscheidung spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle. Ich bin sehr gern Fraktionsvorsitzender. Andererseits – wenn man meine Zeit als Parlamentarischer Geschäftsführer einbezieht – arbeite ich inzwischen seit mehr als 17 Jahren mit an der Fraktionsspitze, und da gibt es naturgemäß auch Abgeordnete, die dort vielleicht mal ein neues Gesicht sehen wollen. Andere Kollegen baten mich unterdessen nachdrücklich, weiter Fraktionschef in Sachsen zu bleiben. Die jetzt getroffene Entscheidung war das Ergebnis vieler Gespräche im Landesverband, aber auch mit Gregor Gysi und Dietmar Bartsch.
Gab es auch inhaltliche Punkte?
Viele Dinge, die die Menschen existenziell betreffen, im Sozial- und Gesundheitsbereich, bei der Arbeitsförderung und dem Rentenrecht bis hin zum Steuersystem werden auf Bundesebene entschieden und sind im Landtag oder Kreistag kaum zu beeinflussen. Ich möchte endlich auch bei diesen Themen etwas bewegen können.
Was halten Sie von der Forderung von Katja Kipping, die mit Ihnen das sächsische Spitzenduo bilden wird, Monatseinkommen über 40 000 Euro oberhalb dieses Betrags mit 100 Prozent zu besteuern?
Damit wird eine wichtige Diskussion angestoßen. Völlig unstrittig ist, dass die wirklich Reichen in diesem Land deutlich mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen müssen. Der Spitzensteuersatz wurde ohne Not herabgesetzt. Niemand braucht im Monat 40000 Euro zum Leben. Dennoch halte ich persönlich eine 100-prozentige Besteuerung von Mehreinnahmen für problematisch, sowohl steuer- als auch verfassungsrechtlich.
Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern? Was würden Sie im Bundestag anpacken?
Die Linke muss eine konsequente Antikriegs- und damit Friedenspartei bleiben. Krieg löst keine Probleme, sondern schafft ständig neue. Die EU muss demokratischer werden. Es war ein Fehler, eine Währungsunion zu gründen, ohne zuvor eine Sozial- und Wirtschaftsunion zu schaffen. Die Politik muss wieder das Primat über die Wirtschaft erlangen. Gewählte Volksvertreter müssen die Rahmenbedingungen setzen, nicht ominöse Finanzmärkte oder Rating-Agenturen. Und wir sollten über unser Bildungswesen reden: 16 unterschiedliche Schulsysteme in den Bundesländern sind nicht mehr zeitgemäß.
Wen sehen Sie als Hauptkonkurrenten in der Parteienlandschaft – die SPD oder die Piraten?
Unsere größten Kontrahenten sind natürlich die Regierungsparteien CDU und FDP…
… aber um die Wechselwähler, die sich von diesen verabschieden, kämpfen Sie mit SPD, Grünen und Piraten …
… ja sicher, aber ich warne in meiner Partei davor, in der SPD den Hauptgegner zu sehen. Die SPD ist bei allen Differenzen wie die Grünen ein potenzieller Partner. Die Piraten kann man nicht wirklich greifen, ihre Positionen in wichtigen Fragen sind diffus und zum Teil widersprüchlich. Aber sie haben die Politik aufgemischt und erscheinen unverbraucht, faktisch sind sie jedoch unberechenbar. In unserer Region werden sie ohnehin kaum Wirkung entfalten, sie sind vor allem ein Phänomen der großen Städte.
Hat die Linke eigentlich noch genug Personal, um bei Kommunalwahlen überall anzutreten?
Ich denke schon. Wir haben sehr viele ältere Mitglieder, die sich engagieren und mit ihrem Beitrag die politische Arbeit unterstützen. Bei den nächsten Kommunalwahlen werden sicher einige unserer jetzigen Stadt- und Gemeinderäte nicht mehr zur Verfügung stehen. Hier sind in den nächsten Monaten viele Gespräche zu führen, auch mit Sympathisanten, um wieder eine große Zahl an Kandidaten zu gewinnen.
Werden Sie bis zur Bundestagswahl in der Landtagsfraktion kürzertreten?
Ich werde mich im sächsischen Landtag – egal in welcher Funktion – natürlich künftig mit voller Kraft engagieren, und ich werde anders als Herr Brähmig mein Kreistagsmandat auch dann weiter wahrnehmen, wenn ich in den Bundestag gewählt werden sollte. Das bin ich den Wählerinnen und Wählern schuldig.
Die Fragen stellten Domokos Szabó und Christian Eißner.“
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