Mittwoch, 13. Mai 2015
Wenn Hartz IV zum Tode führt
Zu Tode gekommenes Ehepaar wurde Opfer ihrer Armut
24.03.2015
Ein Ehepaar, das in der vergangenen Woche tot in seiner Wohnung in Oberpframmern gefunden wurde, ist sehr wahrscheinlich Opfer seiner Armut geworden. Einen Bericht der Online-Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge berichtet Nachbarn, dass dem Paar der Strom abgestellt wurde, da sie ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen konnten. Die Eheleute sind an den Folgen einer Vergiftung durch die Abgase eines Notstromaggregats gestorben, das sie in ihrer Not in der Wohnung aufgestellt hatten. Beide waren auf Hartz IV-Leistungen angewiesen.
Stromsperre mit fatalen Folgen
Vermutlich wurden die Abgase des Notstromaggregats nicht aus der Wohnung geleitet, so dass sich zunehmend mehr giftiges Kohlenmonoxid in den Räumen ansammelt haben muss. Da das Gas geruchs- und geschmacklos, wird es häufig nicht bemerkt. Nicht selten sterben Menschen mit einer Kohlenmonoxidvergiftung im Schlaf. So könnte es auch im Fall der 53-jährige Frau und des 59-jährigen Mann aus Oberpframmern gewesen sein. Ihr Tod erschüttert die Menschen im Ort zu tiefst. Denn offenbar führten die prekären finanziellen Verhältnissen, in denen das Paar lebte, dazu, dass der Strom abgestellt und aus Verzweiflung das Notstromaggregat aufgestellt wurde.
Die Kriminalpolizei Erding konnte die Gerüchte aber bisher nicht bestätigen. Eine Stromsperre wäre nicht Gegenstand der Ermittlungen. „Das fällt in den rein zivilrechtlichen Sektor, damit hat die Polizei nichts zu tun", erläutert Pressesprecher Reinhold Buchner gegenüber der Zeitung.
Immer mehr Menschen können sich Strom nicht mehr leisten
Leider ist der Fall aus Oberpframmern kein Einzelfall. Immer wieder werden Menschen aufgrund ihrer Armut in lebensbedrohliche Situationen getrieben, die mit Hilfsangeboten leicht zu vermeiden wären. Für Andreas Bohnert, Kreisgeschäftsführer der Caritas, gehört Strom zur Grundversorgung. Die Energiekonzerne müssten weitere Mechanismen einbauen wie etwa gezielte Hilfsangebote für Kunden, die ihre Rechnung nicht zahlen können, bevor sie den Strom abstellen, erklärte er gegen über der Zeitung. Zudem sei der Betrag für Strom im Hartz IV-Regelsatz viel zu niedrig, betont Günther Reiser von der Schuldnerberatung der Diakonie im Gespräch mit dem Blatt. Er beobachtet, dass zunehmend mehr Menschen ihre Stromrechnungen nicht bezahlen können. Das belegen im übrigen auch Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem vergangenen Jahr. Demnach sind die Strompreise bundesweit seit dem Jahr 2005 durchschnittlich um 44 Prozent, die Gaspreise um 31 und die Kosten für Fernwärme um 45 Prozent gestiegen. Die dramatischen Folgen: 2012 wurden 321.539 Bürgern wegen Zahlungsrückständen der Strom abgestellt.
Warum unternimmt die Politik nichts?
Im Jahr 2012 sorgte ein Fall aus Otterstedt in Thüringen für Schlagzeilen. Damals war ein Vater mit seinen drei Kindern ebenfalls wegen eines nicht korrekt angeschossenen Notstromaggregats zu Tode gekommen. Die Mutter und ein älteres Kind hielten sich zu Zeitpunkt des Todes nicht im Haus auf. Auch diese Familie konnte ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen und erhielt eine Sperre des Energieversorgers.
Das Ausmaß der Tragik eines solchen Ereignisses ist nur schwer in Worte zu fassen. Umso dringlicher der Aufruf an die Politik, endlich etwas gegen Stromsperren zu unternehmen. Die Partei die Linke setzt sich seit Jahren dafür ein, das Abstellen der Energieversorgung gesetzlich zu verbieten und Menschen mit geringem Einkommen wie Hartz IV-Bezieher besser finanziell zu unterstützen. Bisher scheint ihre Forderung jedoch ungehört zu verhallen. Vielleicht sorgt der aktuelle Fall aus Oberpframmern dafür, dass die Diskussion um Stromsperren erneut angefacht wird. (ag)
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