Donnerstag, 28. Mai 2015
[Chiapas98] Außer der Reihe: Oscar Romero - Heiliger ohne Gerechtigkeit
PRESSEMITTEILUNG
„Sie werden Romero zu einem ,Heiligen light' machen"
Weggefährt_innen und Menschenrechtsorganisationen aus El Salvador
kritisieren die Haltung von Staat und Kirchenoberen angesichts der
Seligsprechung Oscar Romeros
MÜNCHEN/SAN SALVADOR. Am 23. Mai 2015 feiert El Salvador in einer
offiziellen Zeremonie, zu der zahlreiche Staatsgäste erwartet werden, die
Seligsprechung des ehemaligen Erzbischofs der Metropolregion San Salvador,
Oscar Arnulfo Romero. Romero wurde am 24. März 1980 während einer Messe
von einem Scharfschützen ermordet, der Teil einer mit dem Militär
verbündeten Todesschwadron war. Weder der materielle Täter, noch seine
Hintermänner wurden jemals für ihre Taten belangt. Weggefährten Romeros
und Opfer- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren nun heftig, dass
die Haltung der Kirchenoberen und der Regierung El Salvadors Romero zu
einem „Heiligen ohne Gerechtigkeit" zu machen droht. Die nationale
Vereinnahmung des Erzbischofs sogar durch Mitglieder der weiterhin
mächtigen ultrarechten Partei ARENA, die vom Mörder Romeros Major Roberto
D'Aubuisson gegründet wurde, tue ein übriges, um die radikale Option des
künftigen Heiligen zugunsten der Armen und Unterdrückten vergessen zu
machen.
Oscar Romeros ehemaliger Sekretär, Jaime Garcia von der Gruppe
Convergencia Oscar Romero betonte am 19. Mai 2015 gegenüber dem
Ökumenischen Büro:
„Es ist für uns eine große Herausforderung Monseñor Romero als
Heiligen zu haben um weiter für Wahrheit und Gerechtigkeit zu kämpfen.
Denn wir haben Tausende von Opfern, die unsichtbar gemacht werden.
Tausende von Müttern, die bei den Gedenkveranstaltungen jedes Jahr wieder
anfangen zu weinen. Und wir sehen die Gefahr, dass die Kirche aus
Monseñor Romero ökonomischen Nutzen ziehen will. Denn mit diesem
Heiligen kann die Kirche große Mengen Almosen, sogar von den Armen,
einnehmen. Sie verkauft Romero-T-Shirts, -Hüte und Briefmarken. An der
Aufklärung des Mordes ist sie schon lange nicht mehr interessiert. Romero
wird für die Kirche ein großes Geschäft sein und sie werden ihn zu
einem ,Heiligen light' machen. Die eigentliche Botschaft von Monseñor
Romero wollen sie nicht hören."
Deshalb planen kirchlichen Basisgruppen, Menschenrechtsorganisationen und
Gewerkschaften zwei Parallelveranstaltungen zur offiziellen Feier in San
Salvador: Am heutigen 21. Mai startet ein Demonstrationszug in der Nähe
der US-Amerikanischen Botschaft und endet bei der Generalstaatsanwaltschaft
der Republik. Die Demonstrant_innen werden fordern, den Fall von Oscar
Romero wieder aufzunehmen und die Auftraggeber und Finanziers des Mordes
endlich zu bestrafen. Vom 22. Mai auf den 23. Mai folgen eine Nachtwache
und ein alternatives Fest von und mit allen, die sich bei den offiziellen
Veranstaltungen ausgeschlossen sehen. Eingeladen sind, so die Convergencia
Romero, auch zahlreiche Jugendorganisationen.
Streetart statt kommerziellem Heiligenkitsch
Eine Gruppe von Jugendlichen bemalt derzeit zahlreiche Wände in den armen
und marginalisierten Stadtvierteln San Salvadors mit dem Bild Oscar Romeros
und will so ein Zeichen gegen seine kommerzielle und nationalistische
Vereinnahmung setzen.
Am Tag vor seiner Ermordung hatte Romero in einer Predigt ausgerufen:
„In Gottes Namen, im Namen dieses leidenden Volkes, dessen Wehklagen an
jedem noch stürmischeren Tag zum Himmel schreien, flehe ich euch an,
fordere ich euch auf, befehle ich euch, dass diese Repression aufhört."
Romero hatte sich bereits im Februar 1980 deutlich gegen die Militärhilfe
der USA für El Salvador ausgesprochen. Jeden Sonntag listete er von neuem
die Opfer der politischen Gewalt in seinen Predigten auf. Das brachte ihm
Todesdrohungen ein und bereits am 10. März 1980 einen Attentatsversuch mit
Sprengladungen in der Kathedrale von San Salvador.
Mit dem Mord an Monseñor Romero verschärfte sich der interne bewaffnete
Konflikt in dem kleinen zentralamerikanischen Land weiter. In den folgenden
zwölf Jahren kostete er über 75.000 Menschen das Leben. Darunter befanden
sich zahlreiche Zivilist_innen, die teils in großen Massakern überwiegend
vom Militär ermordet wurden. Die mit dem Ende des Bürgerkrieges 1992 von
den Vereinen Nationen eingesetzte Wahrheitskommission stellte fest, dass
der kurz zuvor verstorbene Major des militärischen Geheimdienstes von El
Salvador, Roberto D'Aubuisson, für den Mord an Monsenor Romero unmittelbar
verantwortlich war. Wenige Tage nach dem Erscheinen des Berichtes wurde
eine Generalamnestie für die Menschenrechtsverbrechen im Bürgerkrieg
verkündet.
Dieses 1993 erlassene Amnestiegesetz blockierte sieben Jahre lang jegliche
Ermittlungen im Fall Romero bis der Interamerikanische Gerichtshof für
Menschenrechte im April 2000 urteilte, das Gesetz widerspreche
internationalen Normen und der Staat El Salvador sei mithin verpflichtet,
umfassend zu ermitteln, die Täter vor Gericht zu stellen und die Opfer zu
entschädigen.
Ombudsmann verlangt Wiederaufnahme des Falles
Erst 2009 erkannte der Staat unter der damaligen Mitte-Links-Regierung von
Mauricio Funes seine zuvor stets geleugnete Verantwortung an und es folgten
eine förmliche Bitte um Verzeihung und einige symbolische Akte wie die
Benennung des internationalen Flughafens von San Salvador nach Monseñor
Romero. Allerdings besteht das Amnestiegesetz weiter und trotz des Urteils
des Interamerikanischen Gerichtshofes wagt bisher kein Staatsanwalt und
kein Richter in Fällen wie dem von Monsenor Romero, der die mächtige
Oligarchie im Lande und das Militär tangiert, tätig zu werden.
El Salvadors Ombudsmann für Menschenrechte David Morales kündigte im
März 2015 an, er werde um eine neuerliche Intervention des
Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Romeros und
anderer wichtiger Präzedenzfälle bitten. „Vergeben und Vergessen sind
nicht akzeptabel", betonte Morales gegenüber der salvadorianischen Presse:
„Die Straflosigkeit ist eine klare Verletzung der Menschenrechte und El
Salvador ist geradezu eine Bühne für die Straflosigkeit."
Das vollständige Interview mit Oscar Romeros ehemaligem Sekretär, Jaime
Garcia,
erscheint demnächst bei amerika21 ( https://amerika21.de/)
Kontakt Öku-Büro:
Andrea Lammers 0176 – 26 0 36 292
Samuel Weber 089 – 448 59 45
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