Dienstag, 15. September 2020

[Bundesweiter Aktionstag am 19. September 2020] Wer hat der Gibt: Die Reichen müssen für die Krise zahlen


Dossier

[Bundesweiter Aktionstag am 19. September 2020] Wer hat der Gibt: Die Reichen müssen für die Krise zahlenDie Reichen müssen für die Krise bezahlen! Nachdem die akute Corona-Gesundheitskrise scheinbar überstanden ist, steht uns der finanzielle und soziale Notstand erst bevor. Durch Rettungsaktionen vor allem für die Wirtschaft, höhere Arbeitslosigkeit und Steuerausfälle muss der Staat viel mehr finanzieren, während er gleichzeitig Einnahmen verliert. Forderungen nach einem ausgeglichenen Staatshaushalt werden bald jene nach Corona-Soforthilfen und Konjunkturprogrammen überlagern. Wo kann gespart werden und wo gibt es Geld zu holen? Das werden die umkämpften Fragen der nächsten Zeit sein. In der Wirtschaft und bei den Reichen kennt man die Antwort schon. Der uns womöglich drohende nächste Kanzler Friedrich Merz will alle Sozialausgaben infrage stellen, andere wollen den Mindestlohn senken. Die Zeche sollen mal wieder wir zahlen; all jene, die die wirklich wichtige Arbeit machen und die Gesellschaft durch die Krise tragen: Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitsberufen, im Einzelhandel, auf den Feldern und in den Fabriken, nicht selten Frauen und Migrant*innen. Es ist keine Option, uns zur Kasse zu bitten, während wir unseren Kellnerjob verloren haben und uns die Miete nicht mehr leisten können. Als unterbezahlte Krankenpfleger*in oder Paketbot*in können wir uns keine weiteren Lohneinbußen oder höhere Kitagebühren leisten. Das Geld ist woanders zu holen: Die reichsten zehn Prozent der Deutschen horten zwei Drittel des Vermögens; 45 superreiche Haushalte besitzen genauso viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Aber um die Folgen dieser Krise zu meistern, dürfen sie nicht weiter in der goldenen Hängematte liegen und Vermögen anhäufen. Es ist der Zeitpunkt gekommen, die Reichen in die Pflicht zu nehmen. (…) Wir werden in den kommenden Verteilungskämpfen zusammenhalten und da abkassieren, wo der Reichtum überquillt. Ab jetzt ist Schluss mit der Parole „Wer hat, dem wird gegeben.“ Ab jetzt gilt: „Wer hat, der gibt!“” Bundesweiter Aufruf von einem Bündnis aus verschiedenen linken Gruppen und Einzelpersonen auf der Aktionsseite externer Link, es gibt bereits geplante Demos in Berlin, Hamburg, Hannover, Kaiserslautern und Leipzig. Siehe dazu:
  • Anarchistischer Block auf der Demonstration “Wer hat, der gibt” am 19.09.2020 in Hamburg New
    Wir, als Anarchist*Innen, lehnen jede Form von Herrschaft ab: Hierzu zählen jegliche Formen des Staates und des Kapitalismus. Daher rufen wir nicht dazu auf, dass „die Reichen“ geben. Denn sie sind nur Teil eines viel größeren Problems: Das der Herrschaft von Menschen über Menschen! Reiche Menschen stärker zu besteuern beschneidet ihre Macht nur, ändert aber nichts Grundlegendes an den Herrschaftsverhältnissen. Und es stärkt vor allem den Staat, welcher als sozialer Wohltäter auftreten kann, indem er seine sogenannten „Sozialausgaben“ erhöht und uns den Kapitalismus erträglicher erscheinen lässt. Daher müssen wir Strukturen schaffen, in denen kein Mensch in der Lage ist über andere, egal ob durch kapitalistische Ausbeutung, durch staatliche Institutionen oder durch z.B. Sexismus oder Rassismus zu herrschen. Wir wollen, dass Alle die gleichen materiellen und geistigen Entfaltungsmöglichkeiten haben. Hierzu müssen wir eine neue Gesellschaft aufbauen, welche auf Gegenseitiger Hilfe, Solidarität, bedürfnisorientierter Wirtschaft, Mitbestimmung Aller (in allen sie betreffenden Dingen) beruht. Eine Gesellschaft, welche frei sein wird von Herrschaft und Diskriminierung jeglicher Art…” Aufruf zum anarchistischen Block auf der Demonstration Wer hat, der gibt am Samstag (19.09.2020) in Hamburg ab 18 Uhr (Startpunkt: Moorweide, gegenüber Bahnhof Dammtor). Wer hat, dem wird genommen! Aufruf von Schwarz-Roter 1. Mai HH auf indymedia externer Link und auf Twitter externer Link
  • Die fetten Jahre sind vorbei – wer hat dem wird genommen! New
    “… Es wird uns langfristig nicht helfen, dass wir – wie immer – moralisch im Recht sind. Nur weil wir seitenlang erklären können, dass die Coronaleugner:innen gefährlichen Schwachsinn propagieren und das eigentliche Problem die systemimmanenten Krisentendenzen des Spätkapitalismus sind verändern wir nichts. Wer zu lange Recht hat, ohne dass daraus etwas folgt, hat auch Unrecht. Wenn wir nur Gegenproteste organisieren ohne eine eigene Geschichte zu erzählen und eigene Kämpfe aufzunehmen, werden wir in unser eigenen Bedeutungslosigkeit versinken. Dabei waren nicht wenige von uns zu Beginn der Coronakrise auch optimistisch. Endlich ein Ausbruch aus dem ganz normalen Wahnsinn. Erinnern wir uns daran zurück, wie wir zum ersten Mal richtig mit unseren Nachbar:innen quatschten. Sie fragten, was sie brauchen oder sie um Unterstützung baten. Überall organisierten wir kleine solidarische Hilfsangebote. Gleichzeitig zeigte der Kapitalismus umso mehr seine hässliche Fratze: Die Reichen erzählten uns in ihrer Instagramstory aus ihrer Villa mit Park, dass wir jetzt alle zu Hause bleiben müssen und wir das „gemeinsam“ schaffen werden, während wir in unsern Löchern den ganzen Tag auf den Hinterhof gucken und darauf warten, dass um 13 Uhr kurz die Sonne reinstrahlt. Die Arbeiter:innen im Verteilzentrum von Amazon hatten ohne echte Hygienevorkehrungen noch mehr zu buckeln (…) Was können wir nun tun? Warten bis am 03. Oktober wieder Coronaleugner:innen in Konstanz und Berlin demonstrieren? Wir meinen nein. Die Pandemie wird noch lang andauern und die schon begonnene Wirtschaftskrise noch stärker werden. Wenn wir uns darauf beschränken lassen, wie in einem kleinen Onlinespiel vom Bohemian Browser Ballett den Reichstag gegen Nazis zu verteidigen, werden wir keinen Fuß fassen. Stattdessen müssen wir eine linke Position aufmachen zwischen neoliberalem und autoritärem Krisenmanagement des Staates und den neoliberalen rechtsoffenen Protesten der Coronaleugner:innen. Wir müssen ein eigenes Narrativ aufbauen. Eine Erzählung, die alle verstehen und nicht nur PoWi-Studis im 12. Semester. Keine Angst haben vor heterogenen Bewegungen ohne die perfekte Analyse und Kritik. (…) Wir sehen unzählige Menschen, die mit dem staatlichen Umgang mit Corona unzufrieden sind. Und nein, das sind nicht die 30.000 vom 29. August. Es sind viele mehr, nämlich all jene, die seit jeher unter dem neoliberalen Wahnsinn leiden, und die den nächsten Ausverkauf schon kommen sehen. Es ist das Krankenhauspersonal, die Arbeiter:innen auf den Baustellen der Stadt, in den Fabriken bei Siemens und BMW und den Verteilzentren von Amazon. Es sind unsere Nachbar:innen, die genauso struggeln mit der Miete wie wir. Die Opfer häuslicher, vor allem patriarchaler Gewalt. Die Schüler:innen deren Eltern keine Zeit haben sie zu unterrichten, die Illegalisierten. Die Künstler:innen, die Schein- und ja vielleicht sogar die Kleinselbstständigen. Die Menschen ohne Obdach die nirgends zu Hause bleiben können, weil es ihnen genommen wurde.  Es sind auch die, die 2008 vielleicht Hoffnung hatten, dass jetzt mit dem Wahnsinn ein Ende ist. Und die, die 2015 die Ersten waren, die Solidarität praktisch machten. Damals entstanden wie zu Beginn der Coronakrise überall Momente der gegenseitige Hilfe und Solidarität. Doch eine politische Organisierung blieb weitestgehend aus und viele sahen ohnmächtig dem Rechtsruck zu. All jene waren am 29. August nicht da. Nicht weil sie nicht unzufrieden sind, sondern weil ihnen keine überzeugende Erzählung geboten wird, wie ihre Lage sich ändern könnte. Dabei sind sie sich prinzipiell einig: Nicht wir sondern die Reichen werden die kommende Krise zahlen. Und außerdem muss ab jetzt Schluss sein mit dem Ausverkauf von Gesundheit, Bildung und Wohnraum. Die Erzählung, die wir brauchen, muss sowohl dem neoliberale Krisenmanagement des Staates als auch den reaktionären, rechtsoffenen Proteste der Coronaleugner:innen Paroli bieten. Sie handelt davon, wie Reichtum anders verteilt werden könnte und besticht dabei mit greifbaren, umsetzbaren Forderungen. Sie erzählt aber auch, wie wir nicht auf die Politiker:innen, die uns vor jeder Wahl aufs Neue Märchen erzählen, warten und hoffen, sondern wie wir mit gegenseitiger Hilfe und Basisorganisation uns selbst helfen können. Schließlich erzählt sie von einem gemeinsamen Ziel, sodass wir bei all den Mühen des Alltags und dem unendlichen Sehnen nach dem Moment, wo sich ‚alles ändern‘ wird, eine Gemeinsamkeit und eine Hoffnung im Hinterkopf bewahren können. (…) Unser Vorschlag ist also Folgender: Das beste Mittel gegen Faschist:innen ist der Klassenkampf. Wir nehmen ihnen ihre Oppositionsrolle und Aufmerksamkeit am Ehesten, wenn wir unsere eigenen Kämpfe führen. Und gleichzeitig eröffnen wir uns selbst eine revolutionäre Perspektive. Deshalb rufen wir dazu auf, zu den „Wer Hat Der Gibt“-Protesten am 19. September zu kommen! Gleichzeitig betonen wir, dass wir es nicht bei Apellen an den Staat belassen können. Wir können uns nur selbst retten und genauso werden wir selbst enteignen müssen.  Deshalb: Wer hat dem wird genommen! Nehmen wir uns die Straße aber vergessen nicht, uns langfristig zu organisieren. Machen wir den Schritt von der gegenseitigen Hilfe hin zu einer radikalen Bewegung. Sorgen wir dafür, dass die Reichen für die Krise zahlen werden und die rechtsoffenen Proteste der Coronaleugner:innen eine Randnotiz in der Geschichte bleiben.” Aufruf von Atopic dokumentiert am 8.9.2020 bei Enough 14 externer Link
  • Coronakrise: Reiche sollen zahlen – Linkes Bündnis fordert Umverteilung der Krisenkosten[Bundesweiter Aktionstag am 19. September 2020] Wer hat der Gibt: Die Reichen müssen für die Krise zahlenDie Sprecherin des Bündnisses »Wer hat, der gibt«, Jette Helberg, erklärt im Interview von Sebastian Bähr bei neues Deutschland vom 26. August 2020 externer Link Zweck und Ziel des Bündnisses: “… Bereits im ersten Halbjahr ist die Zahl der Menschen in Deutschland ohne Lohnarbeit auf rund vier Millionen angewachsen, die Zahl der Unterbeschäftigten und Kurzarbeitenden stieg auf bis zu zehn Millionen. Die Verpflichtung, Insolvenz anzumelden, ist derweil ausgesetzt: Wir gehen davon aus, dass sich momentan viele kleinere Betriebe und Soloselbstständige gerade so über Wasser halten und das tatsächliche Ausmaß ihrer Verdienstausfälle erst im nächsten Jahr sichtbar sein wird. Die Krise ist also in vollem Gange und wird schrittweise immer spürbarer. Wir wollen uns frühzeitig aufstellen. (…) Wir wollen angesichts der drohenden Verteilungskämpfe die Perspektive der Ungerechtigkeit darin stärken. (…) Das Vermögen ist in Deutschland extrem ungleich verteilt (…) Wir fordern eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie eine einmalige Abgabe für Millionär*innen und Milliardär*innen. Auch müssen große Erbschaften sinnvoll besteuert werden. Trotzdem gilt: Vermögenssteuern- und Abgaben sind ein erster Schritt, aber damit ist es nicht getan. (…) Ein wichtiger Punkt ist ebenfalls die Unternehmenssteuer. Es ist unglaublich, dass während der momentanen Krise die reichsten Menschen der Welt noch reicher geworden sind, allen voran der Amazon-Chef Jeff Bezos. (…) Es geht uns nicht nur darum, dass die Armen ein bisschen weniger arm werden. Langfristig fordern wir auch die Demokratisierung und Vergesellschaftung von Betrieben. (…) Nachdem Rechtspopulist*innen zu Beginn der Coronakrise durch wissenschaftlich unbelegte Informationen etwas an Boden verloren hatten, könnten sie bei einer fortschreitenden Verarmung wieder an Zustimmung gewinnen. Ihre Antworten bleiben dabei aber simpel wie falsch. Die gesellschaftliche Linke darf die Krise daher nicht ignorieren und muss eigene Protestangebote schaffen.”
  • Siehe für aktuelle Meldungen auf Twitter @WerHatDerGibt externer Link
  • Siehe zum Hintergrund auch unser Dossier: Solidarität in Zeiten von Corona – und linke Widerstandsstrukturen
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=178056

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