Samstag, 21. Juli 2018

Wir brauchen die Fabriken – die Kapitalisten brauchen wir nicht!

Für Dialektik in Organisationsfragen
Dieses Flugblatt wurde im Januar 2018 während des Warnstreiks der IG Metall an die Kollegen bei Siemens verteilt, die seit Monaten gegen ihre drohende Entlassung kämpfen.

Wir brauchen die Fabriken – die Kapitalisten brauchen wir nicht!

Eins kann man Werner von Siemens (1816-1892) nicht nehmen – er war nicht nur Kapitalist, er war auch Erfinder. Dennoch unterlag er schon den unerbittlichen Gesetzen des Kapitalismus. Richtig gut ging es der Firma Siemens im deutsch-französischen Krieg 1870/71. Werner von Siemens schrieb damals an seinen Bruder: „Inzwischen habe ich natürlich einstweilen unsere Fabrik dem Telegraphen- und Kriegsdepartement zur Verfügung gestellt ... Es kann nur Friede kommen, wenn Frankreich sich demütigt ... denn der furor teutonicus1 ist erwacht und lodert täglich immer heller auf!
Seine Nachkommen waren nur noch Kapitalisten, und keine kleinen. Sie leiten auch keinen Siemens-Betrieb, sie lassen leiten. Zum Beispiel von einem wie Joe Kaeser.
Der erhält ein bisschen was (8,2 Millionen Euro im Jahr) von den Siemens-Profiten (6,2 Milliarden Euro), und dafür kann er auch nur den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus folgen.
Er kann keinem einzigen Arbeiter den Arbeitsplatz sichern, selbst wenn er das wollte, könnte er es nicht, wenn er seinen Job machen und behalten will. Auch Appelle an die Siemens-Familie sind vergeblich, die kann uns auch nicht retten, wenn sie eine Kapitalisten-Familie bleiben will.
Und wo wir bleiben wir Arbeiter dann?
Bei der Weihnachtskundgebung am 20.12.2017 haben wir gesungen:
„Anstand und Treue und Lohnverzicht
Sichern Arbeit und Familien nicht.“
Das ist eine sehr wichtige Einsicht. Und warum ist das so?
Die Konkurrenten von Siemens sind durch den Lohnverzicht nicht verschwunden.
Sie sind noch alle da, auf dem „Weltmarkt” vertreten. Kaeser zeigt schon auf Indien und China. Das sollen unsere Gegner sein, so wie 1870/71 Frankreich, 1914/18 Frankreich, England, Russland, USA, und 1939/45 hieß es – und morgen die ganze Welt! Siemens war immer mit dabei.
Und dafür mussten wir schon immer Lohn und Leben opfern.
Kaeser tut in einem Brief an Martin Schulz (SPD) so, als sei die Bundesregierung mit der Umsetzung der „Energiewende“ Schuld an der Situation, dass jetzt Entlassungen anstehen. Da ist er einer Meinung mit der AfD, die Siemens in Schutz nimmt. Allerdings ist die Bundesregierung auch nur Sachwalter des gesamten deutschen Monopolkapitals, sie dient nicht nur Siemens, sondern auch Daimler, Thyssen, Deutsche Bank usw. Das Problem ist einfach nur, dass der Kapitalismus ein System ist, in dem wir um Arbeit betteln müssen, weil der Reichtum nicht denen gehört, die ihn erarbeiten.
Es geht also nicht darum, ob Joe Kaeser oder sonst ein Manager Fehler gemacht hat. Er vertritt die Klasseninteressen der Kapitalisten.
Und jetzt versteht Herr Kaeser die Welt nicht mehr. Er hatte nicht mit dem Widerstand der Siemens-Arbeiter gerechnet. Sie waren für ihn Untertanen, Verschiebemasse, Humankapital. Aber nun hat er neben der internationalen Konkurrenz mit den kämpfenden Arbeitern ein weiteres Problem vor der Tür.
Es lohnt sich also, wenn auch wir Arbeiter unsere Klasseninteressen vertreten. Herausholen aus diesem Kampf, was herauszuholen ist, darum geht es. Was auch immer wir dabei erreichen oder nicht erreichen, wir werden mit erhobenem Haupt daraus hervorgehen. Lohnverzicht und Appelle an die Regierung oder die Siemens-Familie, all das macht uns zu armen Würmern. Deshalb heißt es in dem alten Arbeiterlied „Die Internationale“: „Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun“.
Es war schon richtig, was wir bei der Weihnachtskundgebung gesungen haben:
Oh Aktienbaum, es ist die Zeit, dich wegzuhaun!
Und das gilt nicht nur für Siemens ...
Berliner Gewerkschafter bei secarts.org
www.berlinergewerkschafter.secarts.org
berlinergewerkschafter2013@gmail.com

https://kaz-online.de/artikel/wir-brauchen-die-fabriken-die-kapitalisten-bra

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen