Samstag, 21. Juli 2018

Bundesweit wird heute an verstorbene Drogenkonsumenten erinnert. Linke fordert Kurswechsel

Alleingelassen und verfolgt


Von Markus Bernhardt
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Saubere Spritzen und kontrollierte Stoffe aus offiziellen Ausgabestellen können Leben retten
Am Sonnabend finden in mehr als 70 bundesdeutschen Städten Aktionen und Mahnwachen anlässlich des stets am 21. Juli begangenen Internationalen Gedenktages für verstorbene Drogengebraucher statt. Dieser Tag der Erinnerung, der in diesem Jahr bereits zum 20. Mal veranstaltet wird, geht auf den Tod von Ingo Marten zurück, der am 21. Juli 1994 in Gladbeck verstarb. Martens Mutter gelang es nach seinem Tod mit Hilfe der Stadt, eine Gedenkstätte einzuweihen. Mit ihr wird an ihren Sohn und andere Verstorbene gedacht.
Traditionell machen am 21. Juli nicht nur Drogengebraucher, sondern auch deren Angehörige sowie Hilfsorganisationen aus den lokalen Drogen- und AIDS-Hilfen auf den menschenunwürdigen Umgang des Staates und der etablierten Politik mit Konsumenten sogenannter harter Drogen aufmerksam. So kostet die Repression immer mehr Menschenleben. Allein im vergangenen Jahr starben 1.272 Personen an den Folgen des Konsums illegalisierter Substanzen. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 waren es 944 Personen.
»Es ist unerträglich, dass Menschen sterben oder sich mit HIV und Hepatitis infizieren, weil Hilfsangebote« nicht ausreichten, warnte Björn Beck vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme. Darin verwies er auch auf den Umstand, dass die finanziellen Mittel für Drogenhilfeeinrichtungen seit 2003 faktisch zurückgegangen seien. »Drogenhilfe rettet Leben und unterstützt Menschen dabei, ihre Gesundheit zu schützen«, sagte Beck. Die chronische Unterfinanzierung der Hilfeeinrichtungen habe »unzureichende Beratungsangebote, viel zu kurze Öffnungszeiten von Drogenkonsumräumen, Engpässe beim Verteilen von sauberen Spritzen und Zubehör« zur Folge. Mittlerweile habe die Hälfte der intravenös Konsumierenden keinen ausreichenden Zugang mehr zu den Hilfen. Man brauche jedoch »klare Bekenntnisse zu Maßnahmen, die Risiken beim Drogenkonsum minimieren, Drogenkonsumräume in allen Bundesländern und eine solide Finanzierung«. Beck sprach sich zudem für eine Ausweitung der Behandlung mit pharmazeutisch erzeugten Opiaten als Ersatzstoffe aus. Die Abgabe über das Gesundheitssystem soll dem unkontrollierten Konsum von gefährlichen Schwarzmarktdrogen und kriminellen Strukturen das Wasser abgraben.
Mathias Häde vom JES-Bundesvorstand (Junkies, Ehemalige, Substituierte) äußerte am Freitag die Befürchtung, dass »auch unsere eigenen Regierungen, von populistischen Tendenzen immer weiter nach rechts getrieben« würden. Häde warnte davor, eine praxisnahe, an der Realität der Menschen orientierte und akzeptierende Drogenpolitik und -arbeit »den Stammtischen der Republik« zu opfern.
Unterstützung erhielten Drogenkonsumenten, Angehörige und Hilfsorganisationen am Freitag von der Partei Die Linke. Aus ihrer Sicht besteht das Kernproblem der aktuellen Drogenpolitik darin, dass sich diese nicht an Forschungsergebnissen orientiere. Statt dessen seien parteipolitische und ideologische Glaubenssätze ausschlaggebend, wie etwa Sascha H. Wagner, Landesgeschäftsführer der Linken in Nordrhein-Westfalen, kritisierte. Wagner forderte, den »Krieg gegen die Drogen« zu beenden, flächendeckend Drogenkonsumräume einzuführen und die Prüfung von Drogen auf ihre Reinheit (engl.: drug checking) zuzulassen. Der Kreislauf von Sucht, Beschaffungskriminalität, gesellschaftlicher Ausgrenzung und staatlicher Repression müsse unterbrochen werden. Wer hingegen in der Drogenpolitik auf ein »Weiter so« setze, mache sich »der unterlassenen Hilfeleistung schuldig«, sagte der Linke-Politiker.

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