Immer mehr Menschen aus Afrika versuchen, nach Spanien zu gelangen. Regierung in Madrid leitet Kurswechsel ein
Von Carmela Negrete
Im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge werden am 26. April nach Malaga gebracht
Foto: Jon Nazca/REUTERS
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Im Schatten dieser Ereignisse erreichten allein vorige Woche mehr als 70 Boote mit insgesamt über 1.000 Menschen die Küsten Andalusiens. Vier Menschen wurden tot am Strand von Cádiz geborgen, mehr als 60 weitere gelten als vermisst und sind vermutlich während der in Marokko begonnenen Überfahrt ertrunken. Ein Sprecher der Spanischen Kommission für Flüchtlingshilfe (CEAR), einer 1979 gegründeten Nichtregierungsorganisation, äußerte am Montag die Vermutung, der Anstieg dieser Zahlen könnte auf das gute Wetter oder das Ende des Ramadan zurückzuführen sein. Eventuell seien die marokkanischen Grenzschützer deshalb weniger wachsam gewesen. Zudem habe die Zunahme der Zahl von Flüchtlingen auf dem Weg nach Spanien auch damit zu tun, dass frühere Routen über Libyen und das Mittelmeer oder über Griechenland und den Balkan immer gefährlicher werden.
Die CEAR vermutet allerdings auch, dass Marokko die Flüchtlinge als Druckmittel einsetzt, um von der Europäischen Union Zugeständnisse zu erlangen. Spaniens Arbeitsministerin Magdalena Valerio sieht dagegen keine bewusste Strategie Rabats, es handle sich um eine längerfristige Entwicklung. Woche für Woche erreichten Menschen in kleinen Booten den Süden Spaniens, sagte sie am Sonntag im katholischen Rundfunksender Cope.
In ihrem am Montag vorgestellten Bericht zur Lage Geflüchteter in Spanien und Europa spricht die CEAR zudem davon, dass das spanische Asylsystem praktisch zusammengebrochen sei. Im Februar betrug die Zahl noch nicht erledigter Asylanträge rund 48.000. Für das laufende Jahr müsse man mit einer Rekordzahl weiterer Flüchtlinge rechnen, so die Kommission. Bereits jetzt seien die Rettungsdienste Andalusiens jedoch überfordert und verfügten nicht über die notwendigen Mittel, die Menschen zu versorgen.
Das unterscheidet die Lage in Andalusien von der in Valencia, wo beim Empfang der »Aquarius« Tausende Freiwillige und Beauftragte der Regierung die Flüchtlinge im Hafen erwarteten. Sie lieferten das Bild, das der neue spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez an die europäischen Nachbarn senden wollte. Zugleich überraschte er zahlreiche Beobachter auch mit der Ankündigung, an den Grenzanlagen der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla den NATO-Draht entfernen lassen zu wollen. Außerdem soll die von der Vorgängerregierung 2012 abgeschaffte allgemeine Gesundheitsversorgung wieder eingeführt werden. Damit bekommen auch Einwanderer ohne gültige Papiere und Arbeitslose ohne gültige Krankenversicherung wieder Zugang zu ärztlicher Betreuung.
Offenbar folgt Sánchez einer Empfehlung des Internationalen Währungsfonds. Dieser hatte Spanien im Mai geraten, bis zu 5,5 Millionen Zuwanderer als Arbeitskräfte ins Land zu lassen, um die Zahlung der Renten zu sichern. In diesem Sinne hatte sich wenig später auch die spanische Zentralbank, Banco de España, geäußert. Der Chef des unternehmernahen Thinktanks »Cículo de Empresarios«, John de Zulueta Greenebaum, warb ebenfalls für »intelligente Einwanderung«, was an die Linie der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnert, »qualifizierte Immigranten« anzuwerben.
Derzeit sehen die meisten Ankommenden Spanien jedoch nur als Durchgangsstation. So hat rund die Hälfte der Menschen, die auf der »Aquarius« in Valencia angekommen sind, ein Aufnahmeangebot aus Frankreich angenommen.
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