Donnerstag, 21. Juni 2018

Söder sucht Anschluss


Bayerns Ministerpräsident und Österreichs Bundeskanzler beschwören in Linz die Abschottung vor Flüchtlingen. Ungarn macht vor, wie es geht

Von Matthias István Köhler
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Wollen den »neuen Geist« der Flüchtlingspolitik verkörpern: Markus Söder (CSU) und Sebastian Kurz (ÖVP) am ­Mittwoch nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Linz
Die »Achse Berlin–Rom–Wien« nimmt Gestalt an. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte mit diesem historisch besetzten Begriff die Bemühungen der drei Regierungen beschrieben, »illegale Migration« zu bekämpfen. Am Mittwoch ist er mit dem bayerischen Ministerpräsidenten, Markus Söder, zu einer gemeinsamen Kabinettssitzung Bayerns und Österreichs in Linz zusammengekommen, um seine Vorstellungen vor dem EU-Gipfel in zwei Wochen zu konkretisieren. Söder erklärte dabei – ausgerechnet am gestrigen Weltflüchtlingstag–, dass die »Betriebsamkeit« der EU in Fragen der Migration auf die »klare Position Bayerns« zurückgehe.
Beide waren sich einig, dass »Schutzzonen in Afrika« eine »Schlüsselfunktion« einnehmen müssten. Was das konkret für die Flüchtlinge hieße und wie sich diese »Schutzzonen« von den derzeitigen menschenfeindlichen Camps in Libyen unterscheiden sollen, blieb offen. Ohne Einigung der EU, so Kurz laut Nachrichtenagentur AFP, müssten die Staaten bilaterale Abkommen mit den nordafrikanischen Staaten abschließen. In der anschließenden Pressekonferenz sagte der österreichische Kanzler: »Wir glauben, dass da ein neuer Geist in Europa wehen kann, was die Zuwanderung angeht.«
Ungarn macht schon einmal vor, wie dieser »neue Geist« aussieht. Am Mittwoch billigte das ungarische Parlament ein Gesetz, das den Druck auf Nichtregierungsorganisationen erhöht, die Flüchtlingen helfen. Diese können sich der »Beihilfe zur Migration« strafbar machen. Dazu gehöre auch »Propaganda, die Einwanderung in positiven Farben beschreibt«. Vorgesehen sind Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. Verabschiedet wurde das Gesetz mit den Stimmen der Regierung und der neofaschistischen Partei Jobbik. Seinem Inhalt nach könnte es aber auch einem feuchten Traum Alexander Dobrindts (CSU) entsprungen sein, der Mitte Mai von einer »Anti-Abschiebe-Industrie« deliriert hatte, die den »Rechtsstaat« in der BRD untergrabe.
Melodie und Rhythmus
Und dennoch ging das Gesetz einigen nicht weit genug. Adam Mirkoczki, Abgeordneter von Jobbik, bemängelte in der Debatte am Mittwoch laut dem parteinahen Onlineportal Alfahir, dass das Gesetzespaket gegen Einwanderung seit seiner ersten Vorstellung im Januar verwässert worden und nicht mehr effektiv sei. Beispielsweise seien die im Januar vorgesehene nachrichtendienstliche Durchleuchtung oder behördliche Registrierung von Nichtregierungsorganisationen ausgelassen worden.
Auch Verfassungsänderungen wurden im Parlament diskutiert, die teilweise einen Bezug zur Zuwanderungspolitik haben. Justizminister Laszlo Trocsanyi sagte, dass die Änderungen auf eine »Stärkung der Souveränität und der Identität der Verfassung« abzielten, da es gegenwärtig Institutionen in der EU gebe, die die Lösung für die »Migrationskrise« in der Verteilung der Flüchtlinge nach Quoten sehe. Die Verfassungsänderung hält unter anderem fest, dass keine »fremden Völker« in Ungarn angesiedelt werden dürften.
Bei den Änderungen ging es aber nicht nur um eine konstitutionelle Verankerung der Ausländerfeindlichkeit. Mehr als zehn Gewerkschaften hatten zu Protesten vor dem Parlament aufgerufen. In einem Aufruf der Gewerkschaft der Pädagogen (PDSZ) heißt es, dass auch die geplanten Änderungen hinsichtlich des Versammlungsrechts und der richterlichen Unabhängigkeit besorgniserregend seien. »Es ist vorauszusehen, dass die geplanten Einschränkungen auch einen unmittelbaren Einfluss auf die Arbeit der Gewerkschaften haben werden.«

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