Max Klein, 19 Jahre alter Lüchower,
konvertierte zum Islam. Mit seinen Glaubensbrüdern betet er nun in einer
eigenen Moschee – in einem alten Bahnhof.
Kurz vor Beginn des islamischen
Fastenmonats Ramadan eröffneten Muslime im Wendland die erste große
Moschee der Region. Untergebracht ist sie im denkmalgeschützten Bahnhof
von Lüchow. Gläubige aus 20 Nationen versammeln sich hier künftig zum
Freitagsgebet. Unter ihnen ist auch der 19-jährige Auszubildende Max
Klein.
Die Lagerhalle des historischen Baus ist
nicht wiederzuerkennen. Kronleuchter hängen von der Decke, die Wände
leuchten weiß. Auf diagonalen Streifen knien sich die Muslime zum Gebet.
Initiator des Projektes, aus dem Lagerraum eine Moschee zu machen, ist
der Lüchower Arzt Maher Mouhandes, Vorsitzender der islamischen Gemeinde
und Eigentümer des Bahnhofs.
Bei der Eröffnung fällt ein junges
Gesicht auf. Max Klein trägt rotblonden Backenbart und ein
Gebetskäppchen auf raspelkurzen Haaren. Der Konvertit aus Lüchow ist
Auszubildender. Während seiner ehrenamtlichen Arbeit mit Flüchtlingen im
Wendland hat er den Islam kennengelernt. Und sich dafür entschieden,
selber Muslim zu werden – mit allen Konsequenzen.
Der Weg zur Konversion
„Allah hat dich geschickt, um uns zu
helfen.“ Es war dieser Satz, der ihn dazu brachte, zu konvertieren. Max
war damals 17 Jahre alt. Ausgesprochen hatte die Worte eine
Englischlehrerin aus dem Libanon, die in Deutschland Asyl beantragt
hatte.
Max Klein ist eine Ausnahmeerscheinung.
Er ist bei den Grünen aktiv, Atomkraftgegner, hilft im Café Zuflucht.
Auch beruflich orientiert sich der 19-Jährige anders als die anderen. Er
lernt Zahnarzthelfer – einen Beruf, den praktisch nur Frauen ergreifen.
Seinen Chef störe es nicht, dass er jetzt Muslim sei, bekennt Max. „Nur
im Ramadan, da sorgen sie sich ein bisschen um mich“, sagt der junge
Mann. Es ist schon sein dritter Ramadan.
Als Schüler engagierte sich Max in der
Flüchtlingshilfe – bis zur Selbstaufgabe. „Einmal kamen 380 Stunden in
einem Monat zusammen, zusätzlich zur Schule. Es war eine ungeheuer
schöne Zeit.“ Die Muslime im Camp gaben ihm den Namen „Yafer“, der
Helfer. „Das ist nun mein muslimischer Name“, sagt Max.
Schlechter Ruf der Konvertiten
Was bringt einen jungen Deutschen dazu,
zum Islam überzutreten? Genau erklären kann er das nicht. Es sei die
tiefe Hinwendung und das bedingungslose Vertrauen in Gott gewesen, was
ihn bei vielen Flüchtlingen fasziniert habe. „Konvertiten gelten erst
mal als Terroristen“, stellt Max fest. Es werde zu wenig über die vielen
friedlichen Muslime berichtet. Denn den Mitmenschen freundlich zu
begegnen und ihnen zu helfen, sei eine der Grundregeln des Islam.
„Es gab Abende, da lag ich heulend im
Bett“, erinnert sich Max. Im Camp erlebte er zutiefst traumatisierte
Menschen. Es waren vor allem die Kinder, die ihm leid taten, berichtet
Max, der als Baby adoptiert wurde. Er wuchs in einer intakten Familie
auf. Durch seine Hilfe konnte er etwas zurückgeben an die Kinder und
deren Eltern.
Was ändert sich?
Das Glaubensbekenntnis, die Schahada,
legte er in einem Lüchower Hinterhof ab. Was ändert sich im Alltag, wenn
man eine neue Religion annimmt? „Alles. Bis hin zu Freunden, die sich
abwenden“. Es gibt keinen Alkohol mehr in Max‘ Leben. Die Regeln des
Islam fordern, immer aufrichtig zu sein. Sein Tagesablauf sei viel
strukturierter, durch die fünf Gebete. Eine Handyapp erinnert ihn daran.
Anfangs hätte er nach dem ersten Gebet um zwei Uhr Morgens nicht mehr
einschlafen können.
Eine Freundin? Ist verboten. Züchtige
Dates sind erlaubt, Sex vor der Ehe ist tabu. „Man darf sich treffen,
aber nur mit Begleitung“. Wenn es passt, müsse man eben heiraten. Von
anderen Muslimen bekomme er Tipps, wer zu ihm passen könnte. Mit seinem
Vater rede er nicht viel über die Konversion. Seine Mutter sei am Anfang
„ziemlich geschockt“ gewesen. Inzwischen koche sie schon mal halal –
gemäß den islamischen Vorschriften. „Aber sie trinkt Wein dazu“, lacht
Klein.
Das konservative Rollenverständnis vieler Muslime missfällt dem Konvertiten. Männer und Frauen seien laut Koran vor Gott gleichberechtigt; anders, als es in vielen muslimischen Ländern praktiziert würde.
Das konservative Rollenverständnis vieler Muslime missfällt dem Konvertiten. Männer und Frauen seien laut Koran vor Gott gleichberechtigt; anders, als es in vielen muslimischen Ländern praktiziert würde.
Gründe für eine Konversion
Die Motivlage für eine Konversion sei
höchst unterschiedlich und „immer individuell begründet“, erläutert
Islamwissenschaftler Michael Kiefer von der Universität Osnabrück. „Den
einen Islam gibt es bekanntlich nicht. Jeder hat ganz eigene Gründe für
den Glaubenswechsel.“ Wenn etwa ein Nichtmuslim eine Muslima heiraten
möchte, könne er ihren Glauben annehmen, damit die Ehe, jenseits der
Rechtsgültigkeit, auch von Muslimen akzeptiert werde. Einige lernten den
Islam auf der Suche nach spiritueller Orientierung kennen. Andere seien
auf der Suche nach Struktur oder einer neuen Gemeinschaft. Der streng
monotheistische Islam sei besonders klar in seinem Regelwerk – Labsal
für irritierte Europäer, die das „anything goes“ der Postmoderne
überdrüssig seien.
Eins sei auffällig, so Kiefer:
„Konvertiten nehmen die religiösen Pflichten sehr viel genauer als
andere Muslime. Häufig legt sich das wieder.“ Eine Gefahr der
Radikalisierung durch bloße Hinwendung zum Islam sehe er grundsätzlich
nicht. Sorgen müsse man sich nur machen, wenn bestimmte Kreise
versuchten, Konvertiten zu radikalisieren. „Das hat aber nicht so sehr
mit dem Islam zu tun.“
„Wir Muslime werden unter dem Mikroskop
betrachtet“, bemerkt Max – man stehe immer unter Beobachtung. Deshalb
hat er sich entschlossen, offen und transparent mit seinem Entschluss
umzugehen. Er habe zwölf Jahre Kampfsport betrieben, sich genug
Selbstbewusstsein erarbeitet, um zu seiner Entscheidung zu stehen. In
seiner neuen Gemeinde wird er akzeptiert. „Ich habe Freunde verloren
durch diese Entscheidung. Ich habe aber auch neue gewonnen.“ (dpa, – Björn Voigt-, iQ)
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