Donnerstag, 21. Juni 2018

„Allah hat dich geschickt“ – Warum konvertiert Azubi zum Islam?

Max Klein, 19 Jahre alter Lüchower, konvertierte zum Islam. Mit seinen Glaubensbrüdern betet er nun in einer eigenen Moschee – in einem alten Bahnhof.
Kurz vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan eröffneten Muslime im Wendland die erste große Moschee der Region. Untergebracht ist sie im denkmalgeschützten Bahnhof von Lüchow. Gläubige aus 20 Nationen versammeln sich hier künftig zum Freitagsgebet. Unter ihnen ist auch der 19-jährige Auszubildende Max Klein.
Die Lagerhalle des historischen Baus ist nicht wiederzuerkennen. Kronleuchter hängen von der Decke, die Wände leuchten weiß. Auf diagonalen Streifen knien sich die Muslime zum Gebet. Initiator des Projektes, aus dem Lagerraum eine Moschee zu machen, ist der Lüchower Arzt Maher Mouhandes, Vorsitzender der islamischen Gemeinde und Eigentümer des Bahnhofs.
Bei der Eröffnung fällt ein junges Gesicht auf. Max Klein trägt rotblonden Backenbart und ein Gebetskäppchen auf raspelkurzen Haaren. Der Konvertit aus Lüchow ist Auszubildender. Während seiner ehrenamtlichen Arbeit mit Flüchtlingen im Wendland hat er den Islam kennengelernt. Und sich dafür entschieden, selber Muslim zu werden – mit allen Konsequenzen.

Der Weg zur Konversion

„Allah hat dich geschickt, um uns zu helfen.“ Es war dieser Satz, der ihn dazu brachte, zu konvertieren. Max war damals 17 Jahre alt. Ausgesprochen hatte die Worte eine Englischlehrerin aus dem Libanon, die in Deutschland Asyl beantragt hatte.
Max Klein ist eine Ausnahmeerscheinung. Er ist bei den Grünen aktiv, Atomkraftgegner, hilft im Café Zuflucht. Auch beruflich orientiert sich der 19-Jährige anders als die anderen. Er lernt Zahnarzthelfer – einen Beruf, den praktisch nur Frauen ergreifen. Seinen Chef störe es nicht, dass er jetzt Muslim sei, bekennt Max. „Nur im Ramadan, da sorgen sie sich ein bisschen um mich“, sagt der junge Mann. Es ist schon sein dritter Ramadan.
Als Schüler engagierte sich Max in der Flüchtlingshilfe – bis zur Selbstaufgabe. „Einmal kamen 380 Stunden in einem Monat zusammen, zusätzlich zur Schule. Es war eine ungeheuer schöne Zeit.“ Die Muslime im Camp gaben ihm den Namen „Yafer“, der Helfer. „Das ist nun mein muslimischer Name“, sagt Max.
Der 19-Jährige Konvertit Max Klein betet in der neuen Moschee im alten Bahnhof.© dpaDer 19-Jährige Konvertit Max Klein betet in der neuen Moschee im alten Bahnhof.© dpa

Schlechter Ruf der Konvertiten

Was bringt einen jungen Deutschen dazu, zum Islam überzutreten? Genau erklären kann er das nicht. Es sei die tiefe Hinwendung und das bedingungslose Vertrauen in Gott gewesen, was ihn bei vielen Flüchtlingen fasziniert habe. „Konvertiten gelten erst mal als Terroristen“, stellt Max fest. Es werde zu wenig über die vielen friedlichen Muslime berichtet. Denn den Mitmenschen freundlich zu begegnen und ihnen zu helfen, sei eine der Grundregeln des Islam.
„Es gab Abende, da lag ich heulend im Bett“, erinnert sich Max. Im Camp erlebte er zutiefst traumatisierte Menschen. Es waren vor allem die Kinder, die ihm leid taten, berichtet Max, der als Baby adoptiert wurde. Er wuchs in einer intakten Familie auf. Durch seine Hilfe konnte er etwas zurückgeben an die Kinder und deren Eltern.


Was ändert sich?

Das Glaubensbekenntnis, die Schahada, legte er in einem Lüchower Hinterhof ab. Was ändert sich im Alltag, wenn man eine neue Religion annimmt? „Alles. Bis hin zu Freunden, die sich abwenden“. Es gibt keinen Alkohol mehr in Max‘ Leben. Die Regeln des Islam fordern, immer aufrichtig zu sein. Sein Tagesablauf sei viel strukturierter, durch die fünf Gebete. Eine Handyapp erinnert ihn daran. Anfangs hätte er nach dem ersten Gebet um zwei Uhr Morgens nicht mehr einschlafen können.
Eine Freundin? Ist verboten. Züchtige Dates sind erlaubt, Sex vor der Ehe ist tabu. „Man darf sich treffen, aber nur mit Begleitung“. Wenn es passt, müsse man eben heiraten. Von anderen Muslimen bekomme er Tipps, wer zu ihm passen könnte. Mit seinem Vater rede er nicht viel über die Konversion. Seine Mutter sei am Anfang „ziemlich geschockt“ gewesen. Inzwischen koche sie schon mal halal – gemäß den islamischen Vorschriften. „Aber sie trinkt Wein dazu“, lacht Klein.
Das konservative Rollenverständnis vieler Muslime missfällt dem Konvertiten. Männer und Frauen seien laut Koran vor Gott gleichberechtigt; anders, als es in vielen muslimischen Ländern praktiziert würde.

Gründe für eine Konversion

Die Motivlage für eine Konversion sei höchst unterschiedlich und „immer individuell begründet“, erläutert Islamwissenschaftler Michael Kiefer von der Universität Osnabrück. „Den einen Islam gibt es bekanntlich nicht. Jeder hat ganz eigene Gründe für den Glaubenswechsel.“ Wenn etwa ein Nichtmuslim eine Muslima heiraten möchte, könne er ihren Glauben annehmen, damit die Ehe, jenseits der Rechtsgültigkeit, auch von Muslimen akzeptiert werde. Einige lernten den Islam auf der Suche nach spiritueller Orientierung kennen. Andere seien auf der Suche nach Struktur oder einer neuen Gemeinschaft. Der streng monotheistische Islam sei besonders klar in seinem Regelwerk – Labsal für irritierte Europäer, die das „anything goes“ der Postmoderne überdrüssig seien.
Eins sei auffällig, so Kiefer: „Konvertiten nehmen die religiösen Pflichten sehr viel genauer als andere Muslime. Häufig legt sich das wieder.“ Eine Gefahr der Radikalisierung durch bloße Hinwendung zum Islam sehe er grundsätzlich nicht. Sorgen müsse man sich nur machen, wenn bestimmte Kreise versuchten, Konvertiten zu radikalisieren. „Das hat aber nicht so sehr mit dem Islam zu tun.“
„Wir Muslime werden unter dem Mikroskop betrachtet“, bemerkt Max – man stehe immer unter Beobachtung. Deshalb hat er sich entschlossen, offen und transparent mit seinem Entschluss umzugehen. Er habe zwölf Jahre Kampfsport betrieben, sich genug Selbstbewusstsein erarbeitet, um zu seiner Entscheidung zu stehen. In seiner neuen Gemeinde wird er akzeptiert. „Ich habe Freunde verloren durch diese Entscheidung. Ich habe aber auch neue gewonnen.“ (dpa, – Björn Voigt-, iQ)

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