Samstag, 21. Juli 2018

Zur Digitalisierung der Produktionsprozesse



„Digitalisierung“ - das ist neuerdings eines der meistverwendeten Schlagworte1 . Kein Dokument einer Kapitalistenorganisation, kein Regierungsprogramm, keine Wortspende eines Politikers ohne Geschwätz über die „digitale Revolution“ oder das „Zeitalter der Digitalisierung“. „Digitalisierung“ - das ist heute einerseits ein Appell der Bourgeoisie an sich selbst, mehr an Rationalisierung und Automatisierung zu betreiben, um damit die Produktivität anzukurbeln, andererseits Wichtigtuerei der bourgeoisen Politik, verbunden mit deren Absichtserklärung, Milliarden zur Subventionen des Kapitals locker zu machen. Vor allem aber soll das der Arbeiterklasse und dem Volk die Rute (noch eine Rute!) ins Fenster stellen, was auf sie zukäme. Der Begriff ist seit kurzem zu einem neuen Codewort für noch mehr Ausbeutung, Arbeitslosigkeit und Prekarität geworden.
 1. „Digitalisierung“ - Hoffnungsschimmer und Kampfparole des Kapitals Digitalisierung ist nichts Neues, sondern ein Prozess, der schon seit einigen Jahrzehnten läuft und insofern kein Grund wäre für den vielen Lärm, der heute darüber gemacht wird. Was die Informations- und Kommunikationstechnologie im Bereich von Telekommunikation, Medien etc. betrifft, ist sie, d.h. der Übergang von analogen zu digitalen Medien (z.B. von der Schallplatte zur CD oder vom alten Telefon mit Wählscheibe zum Smartphone usw.) längst eine Massenerscheinung. Hier geht es dem Kapital, insbesondere den daran verdienenden Branchen, um die Unterordnung aller Lebensbereiche unter diese Digitalisierung, getrieben von der Jagd nach Profi t (durch profi table Verwertung großer Datenmengen), dem Streben nach Konkurrenzvorteilen und Marktanteilen, dem Interesse am „gläsernen Menschen“ und dem staatlichen Überwachungsauftrag. Wenn heute von „digitaler Revolution“ gesprochen wird, geht es aber nicht um solche Dinge, sondern um eine Digitalisierung, die darin besteht, digitale Informations- und Kommunikationstechnologie mit stoffl ichen Produktionsprozessen (Produktion von Sachgütern und Dienstleistungen) und Zirkulationsprozessen (Handel und Logistik) sowie auch sonstigen gesellschaftlichen Bereichen zu verbinden2 . Auch diese Digitalisierung, die von „Realwirtschaft“ und gesellschaftlicher Infrastruktur, gibt es nicht erst jetzt, sondern schon seit ein paar Jahrzehnten, und sie fi ndet in größerem oder kleinerem Maß in sämtlichen Branchen und Bereichen statt. Sie nimmt aber mit der Fortentwicklung digitaler Medien und Prozesse in den letzten Jahren beträchtlich an Fahrt auf. Wir konzentrieren uns an dieser Stelle auf die Digitalisierung der Sachgüterproduktion - mit gelegentlichen Ausfl ügen in die Produktion von Dienstleistungen3 . Das ist ein Prozess, der in den 1970er Jahren, sobald digitale Medien und Prozesse für industrielle Anwendungen überhaupt verfügbar waren, punktuell begann, zuerst für Fertigungsstrassen in der Automobilindustrie4 sowie für digital gesteuerte  Werkzeugmaschinen (Drehbänke, Bohrmaschinen ...) und für die technische Konstruktionsarbeit in vielen Branchen, z.B. im Maschinen- und Anlagenbau (CAD/CAM, CIM5 ... ). Sobald Mikrochips erfunden, Lochkarten und -streifen überholt und allmählich leistungsstärkere Rechner verfügbar waren, führte das zu einem sprunghaften Fortschritt der frühen Digitalisierung. Dann kam ab den frühen 1990er Jahren das Internet dazu6 . Die „New Economy“ war geboren. So wie heute die „Digitalisierung“, war das damals das Modewort und die Modebranche. Nach nur wenigen Jahren Euphorie platzte im Jahr 2000 die „Dotcom“- Blase (das Herz der „New Economy“) mit einem großen Krach und löste einen weltweiten Einbruch der Aktienmärkte und der Konjunktur aus. Das Modewort verschwand diskret aus dem Sprachgebrauch - der damit verbundene Aberglaube und spekulative Hype feiern heute unter dem Schlagwort „Digitalisierung“ eine Auferstehung. Was damals das technische Fundament der New Economy ausmachte (Halbleitertechnologie, Mikroelektronik, Informations- und Kommunikationstechnologien ...), ist auch das technische Substrat dessen, was heute Digitalisierung heißt. Unterschiede bestehen darin, dass heute erstens wesentlich fortgeschrittenere Technologie zur Verfügung steht: wesentlich leistungsfähigere und verlässlichere Sensoren, auf einigen Gebieten standardisierte Protokolle für Datenerfassung und -kommunikation, leistungsfähigere Rechner, gewaltige Speicher- und Netzkapazitäten - und, last but not least, nicht nur bessere, sondern auch viel billligere Hardware. Und dass  zweitens heute wesentlich mehr als damals auch die Digitalisierung der Produktion anvisiert wird. Aber die eigentliche technische Basis ist nach wie vor dieselbe - auch wenn der Hype, der heute um die Digitalisierung gemacht wird, anderes vorspiegeln soll. In der deutschen „Plattform Industrie 4.0“7 aus 2011 liest sich das heutige Projekt „Digitalisierung“ so: „In der Industrie 4.0 verzahnt sich die Produktion mit modernster Informationsund Kommunikationstechnik... Nach Dampfmaschine, Fließband, Elektronik und IT bestimmen nun intelligente Fabriken (sogenannte ‚Smart Factories‘) die vierte industrielle Revolution. Technische Grundlage hierfür sind intelligente, digital vernetzte Systeme, mit deren Hilfe eine weitestgehend selbstorganisierte Produktion möglich wird: Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte kommunizieren und kooperieren in der Industrie 4.0 direkt miteinander. Produktions- und Logistikprozesse zwischen Unternehmen im selben Produktionsprozess werden intelligent miteinander verzahnt ...“ Das ist alles ziemlich dick aufgetragen und sehr, sagen wir, „visionär“, vor allem die „weitestgehend (!) selbstorganisierte“ Produktion und das überall dazu gestellte und meist an den Haaren herbei gezogene Wörtchen „intelligent“. Gemessen an der industriellen Realität von heute und morgen wird hier eine, sagen wir einmal, bestenfalls sehr ferne Zukunftsvision ausgemalt. Die Digitalisierung von ganzen  Produktionsprozessen ist nämlich eine Aufgabe ganz anderen Kalibers, wesentlich komplizierter als die Digitalisierung z.B. einer Bibliothek, polizeilicher Überwachungsakten oder des Konsumverhaltens großer Menschengruppen zwecks Werbung und Marketing, komplizierter auch als die einzelner Teilprozesse der Produktion. „Industrie 4.0“ ist ein 2011 in die Welt gesetztes Propaganda-, Forschungs- und Subventionsprogarmm der  deutschen Monopolbourgeoisie und ihrer Regierung. Die deutsche Monopolbourgeoisie und ihre Regierung versuchen auch über diese Schiene dem deutschen Kapital einen signifi kanten Produktivitäts- und damit Konkurrenzvorsprung zu verschaffen und dadurch ihre „Technologieführerschaft“ fl ächendeckend international auszubauen. Deshalb wird das deutsche Programm „Industrie 4.0“ auch im Ausland misstrauisch beäugt, weil es erklärtermaßen auf die Erringung solcher „Technologieführerschaft“, zumindest auf einigen Gebieten, zielt - in offener Rivalität mit bzw. gegen ähnliche Initiativen z.B. der US-amerikanischen, französischen und chinesischen Bourgeoisie. Die österreichische „Industriellenvereinigung“ trägt naturgemäß nicht ganz so dick auf und erwartet sich anscheinend keine übermäßigen Wunder. Unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ liest man: „Forschung, Technologie und Innovation (FTI) sind tragende Säulen für den Erfolg österreichischer Unternehmen am internationalen Markt. Dabei kommt den Leitbetrieben als Innovationstreibern in Österreich eine Schlüsselrolle zu. Der Bereich FTI deckt Themen entlang der gesamten Innovationskette - von der Ideengenerierung bis zur Markteinführung - ab. Dazu zählt die Sicherstellung der FTI-Finanzierung und des Innovationsnachwuchses, die Forcierung der technischen Weiterentwicklung und Digitalisierung der Produktion als Chance sowie von Geschäftsmodellinnovationen... Leitbild ist eine hochautomatisierte und vernetzte industrielle Produktions- und Logistikkette, welche die Unternehmensstrukturen, Produktions-, Geschäfts- und Arbeitsprozesse der Zukunft grundlegend verändern wird. Industrie 4.0 schafft die Basis für eine hocheffi ziente und hochfl exible Produktion, die Kundenwünsche in Echtzeit integriert und neue innovative Services und Geschäftsmodelle ermöglicht.“ Das ist also die viel beschworene „digitale Revolution“. Wieso „Revolution“ (außer dass heutzutage alles und jedes gleich zu einer „Revolution“ aufgeblasen wird)8? „Gibt es hinsichtlich der Industrie 4.0 qualitativ neue Entwicklungen, die es rechtfertigen würden, von einer Revolution der Produktionsweise zu sprechen? Das Kernstück der Digitalisierung sind die vernetzten cyber-physischen Systeme. Als solche werden programmierbare Maschinen bezeichnet, die entweder selbständig oder als Ergänzung menschlicher Arbeitskraft eingesetzt werden können. Dabei sind sie durch das Internet ständig miteinander verbunden und in der Lage, auf einem gewissen Niveau zu kommunizieren und unter Umständen fl exibel auf sich ändernde äußere Bedingungen zu reagieren. Sowohl das Konzept, als  auch die Technologie, die der Entwicklung zugrunde liegen, unterscheiden sich nicht revolutionär von bisher Dagewesenem. Fernab davon, sich Quantenmechanik zuverlässig zunutze machen zu können, basieren heutige Computer weiterhin auf immer leistungsfähigeren Mikroprozessoren und -chips. Das Konzept des computer-integratedmanufacturing (CIM) lässt sich auf das Jahr 1973 datieren9 , Teilgebiete davon stammen sogar schon aus den 1960er Jahren... Ein Unterschied (dessen, was man heute als Digitalisierung der Produktion ins Auge fasst) zum damaligen CIM ist, dass entgegen der dortigen Insellösungen für Produktionseinheiten in der Industrie 4.0 alles durch das Internet miteinander vernetzt ist. Doch selbst dieses trat seinen Siegeszug bereits vor zwei Jahrzehnten an. Die Kommunikationstechnik RFID, also Identifi - kation basierend auf elektromagnetischen Wellen, wird seit Jahrzehnten verwendet.“ (René Arnsburg: „Maschinen ohne Menschen?“10, S.29f.) Warum wird das Thema neuerdings so hochgespielt? Da sind zunächst einmal die Kapitalinteressen der  Branchen, die Digitalisierung verkaufen (Hardware, Software, Dienstleistungen). Einige riesige Monopole beherrschen den Markt und scheffeln Milliardenprofi te, aber sie führen untereinander eine scharfe Konkurrenzschlacht, es sind schon manche kleinere ganz oder in einigen Geschäftssparten untergegangen, weitere, auch große, werden folgen. Das hohe Umsatz- und Profi tniveau und die Marktanteile müssen gesichert werden, denn die Konkurrenz wird schärfer, Profi teinbrüche, Börsenkrachs und Übernahmen drohen, die Kriegskasse für feindliche (oder mehr oder weniger „freundliche“) Übernahmen oder zur Abwehr solcher muss gefüllt sein... Nur wer wächst, und zwar kräftig, überlebt. Wachstum ist gerade in diesen Branchen das Um und Auf, ohne das brechen Aktienkurs und damit Börsenwert ein und die riesige Spekulationsblase, die dieses Business ausgebildet hat, platzt - ganz wie seinerzeit ihr Vorläufer, die „Dotcom-Blase“. Das macht sie in Zeiten keines oder nur geringen Wachstums der Gesamtwirtschaft zu volatilen und insofern riskanten Branchen, denn ihr „Firmenwert“ (Börsenwert) besteht in der Hauptsache nur aus der Diskontierung einer ungewissen Zukunft. Lässt das Wachstum aus, droht - wie bei einem Pyramidenspiel - das Desaster. Hinter dem Digitalisierungs-Hype „verbirgt sich ... vor allem das Bestreben, die Neuerungen zu übertreiben, um Kapital anzuziehen.  Die Digitalbranche selbst mitsamt ihrer Hardware-, Softwareentwicklung und ihren Marketingfi rmen basiert darauf, durch eine möglichst aufgeblasene Dar stel lung der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeit Venture Capital anzuziehen... Der Begriff Industrie 4.0 ist vor allem ein Begriff, der KapitalistInnen investitionsfreudig stimmen soll.“ (Arnsburg, a.a.O., S. 25) Wie sieht es für die anderen Branchen aus? Was erwarten sie sich von der Digitalisierung? Sie erwarten sich eine Steigerung der Produktivität, daraus folgend Konkurrenzvorteile, daraus folgend ein bisschen mehr Wirtschaftswachstum und vor allem Extraprofi te - lauter Dinge, die sie dringend bräuchten. Nur gibt es dabei ein Problem, dem weder mit der Digitalisierung noch einem anderen Wundermittel beizukommen ist. Es liegt darin, dass auch noch so viel Digitalisierung die realen Probleme der Kapitalverwertung nicht aus der Welt schafft: Überproduktion, Überakkumulation, Krisen und Stagnation, Anarchie der Märkte, Hypertrophie des Geldkapitals, Lahmen der Investitionstätigkeit in die „Realwirtschaft“, dafür umso mehr Ausbildung von Spekulationsblasen, Verschärfung der internationalen Konkurrenz, zunehmend instabileres Umfeld  Dazu kommt, dass die Digitalisierung, die gepusht werden soll, in der Realität der Industrie nur zäh vorankommt. Ihr „Digitalisierungsgrad“ liegt laut einer Studie von McKinsey in Deutschland bei gerade einmal 10%11. Die deutsche Kampagne „Industrie 4.0“, 2011 von Monopolbourgeoisie und Regierung mit großem Trara verkündet, ist mehr eine Propagandaund Marketingkampagne geblieben - mit dem Nebenzweck, staatliche Subventionen fl üssig zu machen. Digitalisierung der Produktionsprozesse selbst, samt Vernetzung ihrer einzelnen Abschnitte, wie auch, in gewissem Umfang, der vertikalen „Wertschöpfungsketten“ (d.i. Vernetzung mit Lieferanten und Kunden) fi ndet selbstverständlich statt, und das schon seit langem, aber wesentlich weniger und langsamer als beschworen, ungleichmäßig in Tempo und Intensität und, soweit die eigentliche Produktion betreffend, hauptsächlich die einzelner Teilabschnitte, kaum ganzer Produktionsketten. Keine Rede also bisher von einer „Digitalisierungs-Offensive“, wie sie lautstark propagiert wird. Aufschlussreich die Äußerungen von BitCom, dem Verband der deutschen ITIndustrie (alle Zitate hier und in weiterer Folge aus der Homepage von BitCom/ Themen/Digitale Transformation/Branchen): BitCom trommelt Begeisterung und eine leuchtende digitalisierte Zukunft, jammert aber zugleich, dass „die Unternehmen bei den Investitionen in innovative digitale Technologien für vernetzte Produktion und Produkte allerdings noch zurückhaltend (sind)“; dass „nach einer Befragung von 559 Industrieunternehmen ab 100 Mitarbeitern im Jahr 2016 ... fast alle Unternehmen ein Budget für Industrie 4.0 eingeplant (haben), als Mittelwert aber nur 4% vom Gesamtumsatz“12 (BitCom nimmt diesen enttäuschenden Wert zum Anlass, mehr staatliche Subventionen zu fordern); dass die „Kooperation zwischen den Industrieunternehmen und der Digitalbranche gegenwärtig nicht ausreichend“ sei; dass „ 54% der Unternehmen den Begriff Plattform-Ökonomie (nicht kennen) und jeder Dritte, der damit etwas anfangen kann, Plattformen für sein Unternehmen nicht für relevant (hält)“ usw. usf. „Besonders skeptisch sind Industrieunternehmen: Von ihnen sagen zwei Drittel (67 %), das Thema (der Plattform-Ökonomie) sei für sie ohne Bedeutung.“ An einigen Stellen klingt bei BitCom geradezu Frust darüber durch, dass die Digitalisierung zu langsam und in den eigentlichen Produktionsprozessen besonders langsam vorankommt (was da an Geschäftsmöglichkeiten der Branche verloren geht!). Sofort wird aber (Geschäft ist Geschäft!) der „Mangel“ an Digitalisierung der Produktion gleich wieder „kompensiert“ und rationalisiert (gerechtfertigt): „Wie die Realität bereits heute (!) zeigt, fi ndet die eigentliche Revolution von Industrie 4.0 nicht in der Produktion, sondern bei den Geschäftsmodellen statt. Von besonderer Bedeutung sind dabei digitale Plattformen. Mit ihren datenbasierten Mehrwertdienstleistungen (?) schieben sie sich zwischen Hersteller und Kunde ...“ Im Klartext heißt das: Mit der Digitalisierung in der Produktion schaut es nicht berauschend aus, damit können wir, die IT-Branche, nicht genug Profi t machen, also werfen wir uns eher auf Einkaufs- und Verkaufs-Plattformen, Marketing und Werbung usw., reklamieren und drängen wir uns - oft in parasitärer Weise als Zwischenhändler, Vermittler usw. - in die Zirkulationssphäre. Und so ein armseliges, amputiertes Projekt ist mit „digitaler Revolution“ gemeint? Warum lahmt die „Digitalisierungs-Offensive“, speziell (aber nicht nur) die in der Produktion, trotz des vielen Lärmes, der um sie  gemacht wird? Glauben die Kapitalisten selbst nicht so recht an ihre Kampagne? Rechnet sich vielleicht die Kosten-Nutzen-Analyse der Digitalisierung vielfach nicht in Zeiten, in denen die lebendige Arbeitskraft in den imperialistischen Ländern zunehmend billiger und „fl exibler“ wird und nach wie vor ein riesiger Billigstlohnsektor in den neokolonialen und abhängigen Ländern zur Verfügung steht (wenn auch nach harten Klassenkämpfen von Rumänien bis Bangladesh und China nicht mehr überall ganz so billig wie noch vor ein paar Jahren)? Auch die in Aussicht gestellten staatlichen Begünstigungen und Hilfen (direkte Subventionen, Steuerbegünstigungen, staatliche Finanzierung von Grundlagenforschung, Ausrichtung der Universitäten auf die Gratis- oder Fast-Gratis-Zuarbeit für das Kapital13...) und ein markantes Sinken der Komponentenpreise14 befl ügeln die Investitionen in die Digitalisierung nicht wie erhofft. Bei aller Begeisterung ist halt die Digitalisierung doch nur ein und nicht einmal der wichtigste Posten in der Jagd nach Profi t und der diesbezüglichen Kalkulation. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die den technischen Fortschritt konterkarieren und insofern auch die Digitalisierung (insofern bzw. soweit diese einen technischen Fortschritt zum Ausdruck bringt). Da ist einmal die dem Kapitalismus, insbesondere in seinem heutigen monopolistischen und imperialistischen Stadium, innewohnende Tendenz, den technischen Fortschritt nicht nur kapitalistisch zu verbiegen und zu pervertieren, sondern auch zu bremsen. Es wirkt hier ein Widerspruch. Einerseits ist jeder Kapitalist an einer höheren Produktivität als die seiner Konkurrenten interessiert, denn das verspricht Extraprofi te. Andererseits kosten Rationalisierungsinvestitionen, vor allem solche in tiefgreifende Digitalisierung und Robotisierung, ein Schweinegeld und stellen sie häufi g ein schwer abschätzbares Betriebsrisiko dar (vor allem bei noch nicht ausgereifter Technologie) - Geld, das man sich sparen kann, wenn die Klasse als Ganzes, auch in internationalem Maßstab, bezüglich des technischen Fortschritts auf der Bremse steht. Das wird umso stärker der Fall sein, je stärker die Branche monopolisiert ist. Die Automobilindustrie ist dafür ein gutes Beispiel. Es gibt viele Beispiele. Wenn mit weniger fortgeschrittener oder sogar alter, überholter und in Verruf geratener Technologie, dafür aber mit noch niedrigeren Löhnen, noch längeren Arbeitszeiten, noch größerer Arbeitshetze ebenfalls oder womöglich noch mehr Profi t herausschaut - dann erlahmt oder erlischt das Interesse am technischen Fortschritt.  Verschärfend wirkt auch die derzeitige Konjunkturlage. Zwar gibt es im Moment (seit Ende 2016) wieder ein bisschen Aufschwung, vergleichbar mit dem Strohfeuer 2011, aber er steht auf wackeligen Beinen und fl aut anscheinend schon wieder ab.
Die Lage bleibt für das Kapital prekär. Das Kapital kommt nun schon seit einem Jahrzehnt nicht wirklich aus Krise bzw. Stagnation heraus. Das drückt auf die Profi trate und auf die „Investitionsneigung“. Die Digitalisierung der Produktion verspricht zwar Konkurrenzvorteile und Extraprofi te, aber sie hat zuallererst einmal hohe Investitionskosten, auch wenn diese zu einem Teil vom Staat subventioniert werden. Die Branchen, die Hardware und Software für die Digitalisierung liefern, sind natürlich umso heftiger am Vorantreiben der Digitalisierung interessiert, aber der sonstigen Bourgeoisie ist der (kurzfristige) Spatz in der Hand meist lieber als die (langfristige) Taube auf dem Dach. Verschärfung der Ausbeutung der Arbeiterklasse, Umverteilung durch den Staat, Ausplünderung der neokolonialen und abhängigen Länder versprechen vielfach schnelleren und größeren Profi t. Jedenfalls auf kurze und mittlere Sicht - und was die lange Sicht betrifft, brachte schon der berühmte J.M.Keynes die Bourgeoissichtweise auf den Punkt mit seinem Hinweis, dass „wir auf lange Sicht alle tot (sind)“.  Mit jeder Rationalisierung geht immer auch zwingend Steigerung der Ausbeutung einher (z.B. Zwang zu Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit zwecks Ökonomisierung des Einsatzes der teureren Produktionsmittel, Erhöhung der Intensität der Arbeit, Dequalifi zierung eines Teils der Arbeitskraft usw.). Auch im Regierungsprogramm der schwarz-blauen Regierung geht eine Ausbeutungs- und Ausplünderungsoffensive Hand in Hand mit einer (allerdings zwar phrasenreichen, aber der Sache nach ziemlich schwachbrüstigen) „Digitalisierungsoffensive“15. Die Digitalisierung soll auch in Österreich in den nächsten Jahren einen Sprung vorwärts machen, sonst geht‘s mit der Konkurrenzposition womöglich weiter bergab. Zweitens sollen Arbeiterklasse und Volk damit bedroht und eingeschüchtert und auf mehr Arbeitslosigkeit und niedrigere Löhne eingestellt werden (in deutschen Gewerkschaftskreisen wurde dafür der Ausdruck „Angst und Ohnmacht 4.0“ geprägt). Drittens soll die staatliche Überwachung und Repression auf allen Lebensgebieten verstärkt werden, was durch die intensivierte Digitalisierung von allem und jedem in Bürokratie und Gewaltapparat bewerkstelligt werden soll, vom Bürgerverkehr der Staatsbürokratie bis zum Gesundheitswesen, vom Schulwesen bis zum staatlichen Gewaltapparat (dem „Sicherheitsbereich“). Viertens ist die Digitalisierung eine ideologische Nebelgranate, um die wirklichen Widersprüche in unsere Gesellschaft und die Krise und Perspektivlosigkeit des Kapitalismus verschwinden zu lassen. Daher das Lärmen um die „digitale Revolution“. 2. Digitalisierung der Produktion: „Visionen“, Phantasien und einige Fallbeispiele aus dem Reich der Realität Von der Bourgeoisie und ihren Ideologen wird der Eindruck erweckt, es handle sich bei der Digitalisierung der Produktion um einen völligen Umbruch derselben, um eine „neue Qualität der Produktivkraftentwicklung“, um eine qualitative technische Umwälzung (und Umwälzung der Gesellschaft!), um die „digitale Revolution“ halt. Wir befi nden uns im Reich der „Visionen“. Es handle sich, liest man bei einem besonders eifrigen Apologeten der Digitalisierung, um den „Übergang von der proprietär-zentralistischen zur quelloffenen selbstorganisiert-netzwerkartigen Softwareentwicklung“ (und jeglicher Entwicklung überhaupt). Alles organisiert sich selbst, vernetzt sich selbst, entwickelt und entscheidet sich selbsttätig, „die ‚Intelligenz ‚ der Fertigung (Anm.:  wozu eigentlich die Anführungszeichen?) wandert (Anm.: von der proprietärzentralistischen Kommandozentrale des Kapitals) in die verteilten, vermaschten Knoten von Agenten - Maschine oder Mensch -, die nun autonom aufgrund lokal verfügbarer Informationen ... entscheiden, was zu tun ist. Die Fertigung gewinnt stigmergischen Charakter.“16 Die „vermaschten Knoten“ entscheiden also „selbst“ und „autonom“.... autonom in welcher Hinsicht und von wem oder was? gestützt auf welche Entscheidungsparameter? woher kommen die inputs?, wer hat dieses „selbst“ wie und mit welchem Interesse und Zweck programmiert? wer gibt die Algorithmen des „selbst“ vor (denn das „selbst“ selbst kann das sicher nicht)? Kurz und gut: im Hinblick auf welche konkreten Ziele und Klasseninteressen wird hier entschieden, programmiert und gewerkt? „Proprietär“ heißt „dem Eigentum oder dem Eigentümer angehörend“ und „Stigmergie“ ist ursprünglich ein Konzept zur Beschreibung der Selbstorganisation eines Termitenbaus und bedeutet hier ein „Konzept zur Beschreibung einer besonderen Form der Koordination von Kommunikation in einem dezentral organisierten System“ (Wikipedia). Ob der Mann wirklich glaubt, der Kapitalist gäbe die (auf seinem Eigentum an den Produktionsmitteln gegründete) Kontrolle über den Produktionsprozess auf? Kapitalist, Arbeiter und Maschine würden sich Arm in Arm, in stigmergischer Weise und alle drei selbst-organisiert und selbstbestimmt, zu „vermaschten Knoten“ vernetzen? Wenn sich jemand unter Digitalisierung nur Internetseiten und -plattformen, Computerspiele oder clouds vorstellen kann und/oder wenn er glaubt, Produktion bestünde aus „copy and paste“, dann kann das diesem armen Teufel plausibel erscheinen und er ganz übersehen, dass die ganze „Selbstorganisation“ eine fest in der Hand des einen oder anderen imperialistischen Monopols befi ndliche Profi tmaschine ist, die sich die Termitenarbeit gratis aneignet und für kommerzielle Zwecke exploitiert und das gleich auch noch für die Manipulation und Überwachung der „Selbstorganisierten“ nutzt. Gerade diejenigen kapitalistischen IT-Konzerne, die digitale Medien, Software, Plattformen usw. produzieren, also die „stigmergischesten“ unter allen, beweisen das gerade Gegenteil. Können die vielen im Netz herum krabbelnden menschlichen Nutzer-Termiten etwa die technologische Entwicklung, die kommerziellen Entscheidungen und generell die Geschäftspolitik dieser Monopole auch nur im Entferntesten beeinfl ussen? Die Realität einmal ignoriert und den Kapitalismus einmal wegeskamotiert, kann man dann von volldigitalisierten, selbst-organisierten, superfl exiblen und superschlauen Robotern und „atmenden Netzwerken“ träumen - und sogar davon, dass diese auch die zukünftigen Zustände der Märkte, die zukünftigen Kundenbedürfnisse und damit die Nachfrage usw., sogar auch das menschliche „Wesen“ (nämlich als Konsument) antizipieren könnten - um so die Anarchie der kapitalistischen Produktion, Überproduktion, Krisen usw. zu vermeiden. In einer „stigmergischen“ Organisation der Gesellschaft, könnten sich die „Menschen“ auch zu mehr Selbstbestimmung, Freiheit, Gerechtigkeit usw. emporarbeiten17 - wie im Termitenbau, da geht‘s ja auch! Und wenn es doch nicht geht, könnte man immer noch versuchen, dem irdischen Trauertal mittels Transhumanismus zu entfl iehen. Das sind keine Faschingsscherze, das wird alles breit erörtert. Und alles selbstverständlich bei Fortbestand des kapitalistischen Privateigentums, der Anarchie der Produktion, alias: „Marktwirtschaft“, der Konkurrenz, des Profi ts als einziger Triebkraft der Produktion, der Gesetze der kapitalistischen Akkumulation usw. Steigt man aus dem Reich der Hirngespinste ein paar geistige oder besser: ideologische Stockwerke tiefer, landet man in der wirklichen kapitalistischen Produktion mit all ihrer Tyrannei und Ausbeutung. Dort angekommen kann man studieren, was die Bourgeoisie selbst sich unter der Digitalisierung vorstellt und diesbezüglich in Zukunft zu tun gedenkt. Man sieht dann, dass die Digitalisierung, soweit sie für das Kapital in der Gegenwart handlungsrelevant ist, nicht mehr und nicht weniger ist als eine weitere Rationalisierungswelle und eine spezifi sche Form von Automatisierung. In dieser Hinsicht ist sie eine Fortsetzung bisheriger Entwicklung18. Produktionsverfahren (im Besonderen) und Produktionsmethoden (im Einzelnen), als technische Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise und eingepresst in ihre kapitalistische Form, sollen mittels Digitalisierung beschleunigt weiterentwickelt werden, mehr noch aber sollen „darüber liegende“ Organisationsformen der „Wertschöpfungsketten“ („Geschäftsmodelle“) verbessert werden, also im Wesentlichen die Kommunikation zwischen und Koordination von verschiedenen Abschnitten eines Produktionsprozesses und seiner vor- und nachgelagerten Prozesse (Vernetzung, auch mit Lieferanten, Kunden, Partnern). Es fällt ferner auf, dass in jeder Konjunkturanalyse, jedem OECD-“Economic Outlook“, jeder Analyse der globalen Konkurrenz usw., also bei jeder ökonomischen Untersuchung der Lage und der Perspektiven der kapitalistischen Wirtschaft die Digitalisierung zwar wahrscheinlich irgendwo erwähnt wird, aber konkret keine besondere Rolle spielt. Sie gilt nur plakativ, aber nicht konkret als der Wachstumsträger, als der Haupttreiber der Produktivitätssteigerung, als das Rückgrat aller Rationalisierung. Schon gar nicht ist sie der Haupthebel der Profi tmaximierung. So viel kann man gar nicht digitalisieren, dass damit mehr an zusätzlichem Profi t lukriert würde, als allein durch den Reallohnabbau und die Ausdehnung der Schichtund Nachtarbeit und der Arbeitszeit überhaupt. So war es in den letzten zwei Jahrzehnten und so wird es bleiben. Arnsburg schreibt sehr anschaulich, nachdem er die Zuspitzung der imperialistischen Konkurrenz und speziell die Rolle Chinas und speziell das „Neue-Seidenstrasse-Projekt“ analysiert hat: „Wo sind in dieser Darstellung die Roboter und selbstfahrenden Autos? Ganz einfach: Sie spielen bei diesen ökonomisch bestimmten Prozessen eine untergeordnete Rolle. Eine Wirkung der Debatte um die leuchtende Robo-Zukunft ist es, von der Betrachtung der wirklich richtungsweisenden Entwicklungen abzulenken, was gerade mit viel Erfolg betrieben wird. Natürlich spielt die Frage der Effi zienzsteigerung durch Automatisierung auch bei Megaprojekten wie dem beschriebenen eine Rolle und es kommt viel moderne Messtechnik zum Einsatz. Doch es wird viel von Menschen im Dreck  gewühlt, es werden Ufer mit Dynamit gesprengt und Kettensägen fällen Bäume. Auf der einen Seite dürfte es Maschinen schwer fallen, ohne menschliches Zutun in einer so wenig standardisierten Umgebung wie dem offenen und unerschlossenen Gelände vieler Baustellen ihre Arbeit zu verrichten. Auf der anderen Seite ist es nicht notwendig, diesen ohnehin unsicheren Entwicklungsaufwand zu betreiben, wenn chinesische ArbeiterInnen günstiger in bekannter Manier unter lebensgefährdenden und sklavischen Bedingungen eingesetzt werden können.“ (Arnsburg, a.a.O., S.162) 2.1. Beispiel Stahlindustrie Die Stahlindustrie ist und bleibt eine Schlüsselindustrie, auf höchstem technologischem Niveau, unter ständigem Konkurrenz- und Innovationsdruck. Ohne Stahl geht gar nichts. Sogar ein Überdrüber-3D-Drucker könnte keine Stahlbrücke „drucken“, wenn ihm nicht die Stahlindustrie den Stahlstaub, den er dafür braucht, produzieren würde. Wir nehmen als Beispiel die deutsche Stahlindustrie19. Wo steht sie bei der Digitalisierung? Nun, sie hat ihren „individuellen Weg zu Industrie 4.0 „ in einem zusammenfassenden Bericht „Stahl 4.0 - Interpretation von Industrie 4.0 für die Stahlindustrie“  Anfang 2017, also 6 Jahre (!) nach Ausrufung der „vierten industriellen Revolution“ vorgelegt. Punkt 1.6 dort ist übertitelt mit „Industrie 4.0 - mitmachen oder sein lassen?“, kommt aber dann doch zu dem Ergebnis, mitzumachen, aber halt auf eine eigene Art und Weise. Ihr „Digitalisierungsgrad“ (wie immer das genau gemessen wird, offenbar an einem theoretisch angenommenen maximal Möglichem - siehe dazu auch Fußnote 11) liegt laut einer Studie von IW Consult im Auftrag der Wirtschaftsvereinigung Stahl gerade einmal bei 10% (Handelsblatt, 16.8.2017). So gering? So gering ist das gar nicht, denn damit liegt sie - laut einer Studie von McKinsey - im Durchschnitt der Industrie und auch im Mittelfeld der Wirtschaft insgesamt. (Unterschiede gibt es nicht nur deshalb, weil die einen fl otter sind beim Digitalisieren und die anderen fauler und/oder weil ein Großkonzern etwas anderes ist als ein Kleinkapitalist, sondern es hängt auch maßgeblich vom stoffl ichen Inhalt des Produktionsprozesses ab, wieweit Digitalisierung von Prozessen möglich, stoffl ich relevant und ausreichend profi tabel ist.) Beim Studium der relevanten Dokumente der deutschen Stahlindustrie sehen wir, dass es ihr in ihrem „Stahl 4.0“ ganz banal um etwas geht, worum es immer schon im Kapitalismus geht, nämlich um die Rationalisierung des Produktions und Zirkulationsprozesses des Kapitals - bloß nunmehr unter Nutzung der jeweils verfügbaren und „sinnvoll“, d.h. profi tabel verwertbaren digitalen Möglichkeiten. „Prozessoptimierung in der Stahlindustrie gibt es schon lange. Angefangen mit der Automatisierung der Anlagen kommen nun verstärkt Informations- und Telekommunikationstechnologien hinzu. Insbesondere in den letzten 25 Jahren konnten durch viele innovative technische Entwicklungen eine kostengünstige Produktion, höhere Flexibilität, ständige Qualitätsverbesserungen und die Entwicklung neuer Produkte erreicht werden. Nicht zuletzt werden durch effi zientes Anlagenmanagement auch Ressourcen geschont. Durch die digitale Begleitung der Produktion werden diese Entwicklungen auf das nächste Level gehoben.“ (http://www. stahl-blog.de/index.php/ mit-industrie-4-0-blickt-diestahlindustrie-vernetzt-indie-zukunft/)20 Das zeigt recht anschaulich: Der Sache nach geht es um die weitere Rationalisierung des Produktions- und Zirkulationsprozesses des Kapitals zwecks Produktivitätssteigerung. Konkret geht es um den Einsatz digitaler Medien und Prozesse 1. zur weiteren Rationalisierung der Produktionsprozesse, u.a. durch Robotisierung, vertikale Vernetzung der verschiedenen Produktionsschritte usw. 2. zur digitalen Vernetzung der Stahlkapitale untereinander, also Bildung von Kartellen, Clustern und Lob bies, wo das jeweils gewünscht ist 3. zur digitalen technischen und logistischen Vernetzung mit Kunden und Lieferanten, also zur möglichst weitgehenden Vernetzung der gesamten „Wertschöpfungskette“. Die Grundlage von dem allem bleibt aber, ungeachtet aller Digitalisierung, der stoffl iche Inhalt des eigentlichen Produktionsprozesses selbst. Erz muss gewonnen werden, das Erz muss geschmolzen und aus ihm Stahl erzeugt werden, der Stahl muss gewalzt werden, aus Barren, Brammen usw. müssen Bleche, Bänder, Rohre, Schienen, Träger, Drähte usw. hergestellt werden, diese müssen weiterverarbeitet werden usw. Überall in diesem Prozess fi ndet Automatisierung statt, darunter auch Digitalisierung. Letztere optimiert die Prozesse und deren vertikale und horizontale Vernetzung und trägt so zur Erhöhung der Produktivität bei - aber der technische Kern dieser Prozesse ändert sich dadurch nicht. Es mag noch so viel Digitalisierung dieser Prozesse geben, trotzdem muss Erz gewonnen, Stahl hergestellt, gewalzt usw. werden. Es geht, wenn man so will, um neue Produktionsmethoden, aber es geht nicht einmal um in technologischer Hinsicht neue Produktionsverfahren im eigentlichen Sinn, geschweige denn um eine neue Produktionsweise (in einem banalen technischen und nicht im gesellschaftlichen Sinn), und sei es nur eine solche der Stahlproduktion. Der technische Kern der Stahlerzeugung ändert sich dann und nur dann, wenn ein qualitativ neues Stahlerzeugungsverfahren erfunden bzw. praktisch angewendet wird. Das war bei der klassischen Hochofen-Konverter-Route21 zuletzt der Fall in den 1950er Jahren durch den Übergang vom Siemens-Martin-Ofen zum LD-Verfahren. Neben diesem klassischen Verfahren gibt es seit den 1990er Jahren das wesentlich ressourcenschonendere (weniger Energiebedarf) und umweltfreundlichere (viel weniger CO2-Ausstoß) Direktreduktionsverfahren (Corex, Midrex, Finex ...)22 und den Elektro- oder Lichtbogenofen23. Das sind im Prinzip die heute verfügbaren Verfahrenstypen24 .
Die Digitalisierung legt sich über diese Verfahren, bringt Verbesserungen, ändert aber ihren technischen Kern nicht qualitativ. Ein in technologischer Hinsicht neues Stahlerzeugungsverfahren dagegen ist - Digitalisierung hin oder her - nicht in Sicht. 2.2.Kraftwerkstechnologie (Hydro) Ein anderes Beispiel zur Veranschaulichung der Fragestellung des „qualitativ Neuen“ in puncto Produktionsprozess ist der Wasserkraftwerksbau. Es war zweifellos ein technologischer Durchbruch, als nach den Francisturbinen (1849), Peltonturbinen (für Pumpspeicherwerke, 1879) und Kaplanturbinen (für Laufkraftwerke, 1910) die Rohrturbinengeneratoren (für geringe Fallhöhen, also für Flüsse mit wenig Gefälle, 1974) und die Matrixturbinen (zur Nutzung der Energie wechselnder Wasserspiegel, z.B. Schleusenkraftwerke in Schiffsschleusen, 1990er Jahre) erfunden wurden. Aber es waren  eben nur neue Turbinentypen, also neue Produkte, nicht etwa „neue Technologien“ in dem Sinne, dass sie auf anderen technischen Grundlagen und Prozessen beruht hätten. Das technische Prinzip der Umwandlung von kinetischer Energie aus Wasserkraft in elektrische Energie und die diesbezügliche Technologie über Turbine und Generator änderte sich dadurch nicht. Selbstverständlich gab es - neben der Entwicklung neuer Turbinentypen - technische Verbesserungen der Turbinen und Generatoren. Und es änderten sich auch die Produktionsmethoden der Turbinen, nämlich durch eine dort schon seit Jahrzehnten laufende sukzessive Digitalisierung, zwar nicht des ganzen Produktionsprozesses, aber von Teil...
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Fortsetzung siehe https://prolrevol.files.wordpress.com/2018/07/pr75download.pdf

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