„Digitalisierung“ - das ist neuerdings eines der meistverwendeten Schlagworte1 . Kein Dokument einer Kapitalistenorganisation, kein Regierungsprogramm, keine Wortspende eines Politikers ohne Geschwätz über die „digitale Revolution“ oder das „Zeitalter der Digitalisierung“. „Digitalisierung“ - das ist heute einerseits ein Appell der Bourgeoisie an sich selbst, mehr an Rationalisierung und Automatisierung zu betreiben, um damit die Produktivität anzukurbeln, andererseits Wichtigtuerei der bourgeoisen Politik, verbunden mit deren Absichtserklärung, Milliarden zur Subventionen des Kapitals locker zu machen. Vor allem aber soll das der Arbeiterklasse und dem Volk die Rute (noch eine Rute!) ins Fenster stellen, was auf sie zukäme. Der Begriff ist seit kurzem zu einem neuen Codewort für noch mehr Ausbeutung, Arbeitslosigkeit und Prekarität geworden.
1. „Digitalisierung“
- Hoffnungsschimmer
und
Kampfparole des
Kapitals
Digitalisierung ist nichts
Neues, sondern ein Prozess,
der schon seit einigen Jahrzehnten
läuft und insofern
kein Grund wäre für den
vielen Lärm, der heute darüber
gemacht wird. Was
die Informations- und Kommunikationstechnologie
im
Bereich von Telekommunikation,
Medien etc. betrifft,
ist sie, d.h. der Übergang
von analogen zu digitalen
Medien (z.B. von der Schallplatte
zur CD oder vom alten
Telefon mit Wählscheibe
zum Smartphone usw.)
längst eine Massenerscheinung.
Hier geht es dem
Kapital, insbesondere den
daran verdienenden Branchen,
um die Unterordnung
aller Lebensbereiche unter
diese Digitalisierung, getrieben
von der Jagd nach
Profi t (durch profi table Verwertung
großer Datenmengen), dem Streben nach
Konkurrenzvorteilen und
Marktanteilen, dem Interesse
am „gläsernen Menschen“
und dem staatlichen
Überwachungsauftrag.
Wenn heute von „digitaler
Revolution“ gesprochen
wird, geht es aber nicht
um solche Dinge, sondern
um eine Digitalisierung,
die darin besteht, digitale
Informations- und Kommunikationstechnologie
mit stoffl ichen Produktionsprozessen
(Produktion
von Sachgütern und Dienstleistungen)
und Zirkulationsprozessen
(Handel und
Logistik) sowie auch sonstigen
gesellschaftlichen
Bereichen zu verbinden2
.
Auch diese Digitalisierung, die von „Realwirtschaft“
und gesellschaftlicher Infrastruktur,
gibt es nicht
erst jetzt, sondern schon
seit ein paar Jahrzehnten,
und sie fi ndet in größerem
oder kleinerem Maß in
sämtlichen Branchen und
Bereichen statt. Sie nimmt
aber mit der Fortentwicklung
digitaler Medien und
Prozesse in den letzten Jahren
beträchtlich an Fahrt
auf.
Wir konzentrieren uns an
dieser Stelle auf die Digitalisierung
der Sachgüterproduktion
- mit gelegentlichen
Ausfl ügen in die
Produktion von Dienstleistungen3
.
Das ist ein Prozess, der in
den 1970er Jahren, sobald
digitale Medien und Prozesse
für industrielle Anwendungen
überhaupt
verfügbar waren, punktuell
begann, zuerst für
Fertigungsstrassen in der
Automobilindustrie4
sowie
für digital gesteuerte Werkzeugmaschinen (Drehbänke,
Bohrmaschinen
...) und für die technische
Konstruktionsarbeit in vielen
Branchen, z.B. im Maschinen-
und Anlagenbau
(CAD/CAM, CIM5
... ). Sobald
Mikrochips erfunden,
Lochkarten und -streifen
überholt und allmählich leistungsstärkere
Rechner verfügbar
waren, führte das zu
einem sprunghaften Fortschritt
der frühen Digitalisierung.
Dann kam ab den
frühen 1990er Jahren das
Internet dazu6
. Die „New
Economy“ war geboren. So
wie heute die „Digitalisierung“,
war das damals das
Modewort und die Modebranche.
Nach nur wenigen
Jahren Euphorie platzte im
Jahr 2000 die „Dotcom“-
Blase (das Herz der „New
Economy“) mit einem großen
Krach und löste einen
weltweiten Einbruch der
Aktienmärkte und der Konjunktur
aus. Das Modewort
verschwand diskret aus dem
Sprachgebrauch - der damit
verbundene Aberglaube
und spekulative Hype
feiern heute unter dem
Schlagwort „Digitalisierung“
eine Auferstehung.
Was damals das technische
Fundament der New Economy
ausmachte (Halbleitertechnologie,
Mikroelektronik,
Informations- und
Kommunikationstechnologien
...), ist auch das technische
Substrat dessen, was
heute Digitalisierung heißt.
Unterschiede bestehen darin,
dass heute erstens wesentlich
fortgeschrittenere
Technologie zur Verfügung
steht: wesentlich leistungsfähigere
und verlässlichere
Sensoren, auf einigen Gebieten
standardisierte Protokolle
für Datenerfassung
und -kommunikation, leistungsfähigere
Rechner,
gewaltige Speicher- und
Netzkapazitäten - und, last
but not least, nicht nur bessere,
sondern auch viel billligere Hardware. Und dass zweitens heute wesentlich
mehr als damals auch die
Digitalisierung der Produktion
anvisiert wird. Aber
die eigentliche technische
Basis ist nach wie vor dieselbe
- auch wenn der Hype,
der heute um die Digitalisierung
gemacht wird, anderes
vorspiegeln soll.
In der deutschen „Plattform
Industrie 4.0“7
aus 2011 liest
sich das heutige Projekt
„Digitalisierung“ so: „In
der Industrie 4.0 verzahnt
sich die Produktion mit
modernster Informationsund
Kommunikationstechnik...
Nach Dampfmaschine,
Fließband, Elektronik und
IT bestimmen nun intelligente
Fabriken (sogenannte
‚Smart Factories‘) die
vierte industrielle Revolution.
Technische Grundlage
hierfür sind intelligente,
digital vernetzte Systeme,
mit deren Hilfe eine weitestgehend
selbstorganisierte
Produktion möglich
wird: Menschen, Maschinen,
Anlagen, Logistik und
Produkte kommunizieren
und kooperieren in der
Industrie 4.0 direkt miteinander.
Produktions- und
Logistikprozesse zwischen
Unternehmen im selben
Produktionsprozess werden
intelligent miteinander verzahnt
...“ Das ist alles ziemlich
dick aufgetragen und
sehr, sagen wir, „visionär“,
vor allem die „weitestgehend
(!) selbstorganisierte“
Produktion und das überall
dazu gestellte und meist
an den Haaren herbei gezogene
Wörtchen „intelligent“.
Gemessen an der
industriellen Realität von
heute und morgen wird
hier eine, sagen wir einmal,
bestenfalls sehr ferne Zukunftsvision
ausgemalt. Die
Digitalisierung von ganzen Produktionsprozessen ist
nämlich eine Aufgabe ganz
anderen Kalibers, wesentlich
komplizierter als die
Digitalisierung z.B. einer Bibliothek,
polizeilicher Überwachungsakten
oder des
Konsumverhaltens großer
Menschengruppen zwecks
Werbung und Marketing,
komplizierter auch als die
einzelner Teilprozesse der
Produktion.
„Industrie 4.0“ ist ein 2011
in die Welt gesetztes Propaganda-,
Forschungs- und
Subventionsprogarmm der deutschen Monopolbourgeoisie
und ihrer Regierung.
Die deutsche Monopolbourgeoisie
und ihre Regierung
versuchen auch über diese
Schiene dem deutschen
Kapital einen signifi kanten
Produktivitäts- und damit
Konkurrenzvorsprung zu
verschaffen und dadurch
ihre „Technologieführerschaft“
fl ächendeckend
international auszubauen.
Deshalb wird das deutsche
Programm „Industrie 4.0“
auch im Ausland misstrauisch
beäugt, weil es erklärtermaßen auf die Erringung
solcher „Technologieführerschaft“,
zumindest auf
einigen Gebieten, zielt - in
offener Rivalität mit bzw.
gegen ähnliche Initiativen
z.B. der US-amerikanischen,
französischen und chinesischen
Bourgeoisie.
Die österreichische „Industriellenvereinigung“
trägt
naturgemäß nicht ganz so
dick auf und erwartet sich
anscheinend keine übermäßigen
Wunder. Unter
dem Stichwort „Industrie
4.0“ liest man: „Forschung,
Technologie und Innovation
(FTI) sind tragende Säulen
für den Erfolg österreichischer
Unternehmen am
internationalen Markt. Dabei
kommt den Leitbetrieben
als Innovationstreibern
in Österreich eine Schlüsselrolle
zu. Der Bereich FTI
deckt Themen entlang der
gesamten Innovationskette
- von der Ideengenerierung
bis zur Markteinführung
- ab. Dazu zählt die Sicherstellung
der FTI-Finanzierung
und des Innovationsnachwuchses,
die Forcierung der
technischen Weiterentwicklung
und Digitalisierung der
Produktion als Chance sowie
von Geschäftsmodellinnovationen...
Leitbild ist eine
hochautomatisierte und
vernetzte industrielle Produktions-
und Logistikkette, welche die Unternehmensstrukturen,
Produktions-,
Geschäfts- und Arbeitsprozesse
der Zukunft grundlegend
verändern wird. Industrie
4.0 schafft die Basis
für eine hocheffi ziente und
hochfl exible Produktion, die
Kundenwünsche in Echtzeit
integriert und neue innovative
Services und Geschäftsmodelle
ermöglicht.“
Das ist also die viel beschworene
„digitale Revolution“.
Wieso „Revolution“ (außer
dass heutzutage alles
und jedes gleich zu einer
„Revolution“ aufgeblasen
wird)8? „Gibt es hinsichtlich
der Industrie 4.0 qualitativ
neue Entwicklungen, die es
rechtfertigen würden, von
einer Revolution der Produktionsweise
zu sprechen?
Das Kernstück der Digitalisierung
sind die vernetzten
cyber-physischen Systeme.
Als solche werden programmierbare
Maschinen bezeichnet,
die entweder selbständig
oder als Ergänzung
menschlicher Arbeitskraft
eingesetzt werden können.
Dabei sind sie durch das Internet
ständig miteinander
verbunden und in der Lage,
auf einem gewissen Niveau
zu kommunizieren und unter
Umständen fl exibel auf
sich ändernde äußere Bedingungen
zu reagieren.
Sowohl das Konzept, als auch die Technologie, die
der Entwicklung zugrunde
liegen, unterscheiden sich
nicht revolutionär von bisher
Dagewesenem. Fernab
davon, sich Quantenmechanik
zuverlässig zunutze machen
zu können, basieren
heutige Computer weiterhin
auf immer leistungsfähigeren
Mikroprozessoren
und -chips. Das Konzept
des computer-integratedmanufacturing
(CIM) lässt
sich auf das Jahr 1973 datieren9
, Teilgebiete davon
stammen sogar schon aus
den 1960er Jahren... Ein
Unterschied (dessen, was
man heute als Digitalisierung
der Produktion ins
Auge fasst) zum damaligen
CIM ist, dass entgegen der
dortigen Insellösungen für
Produktionseinheiten in der
Industrie 4.0 alles durch das
Internet miteinander vernetzt
ist. Doch selbst dieses
trat seinen Siegeszug bereits
vor zwei Jahrzehnten
an. Die Kommunikationstechnik
RFID, also Identifi -
kation basierend auf elektromagnetischen
Wellen,
wird seit Jahrzehnten verwendet.“
(René Arnsburg:
„Maschinen ohne Menschen?“10,
S.29f.)
Warum wird das Thema
neuerdings so hochgespielt?
Da sind zunächst einmal
die Kapitalinteressen der Branchen, die Digitalisierung
verkaufen (Hardware,
Software, Dienstleistungen).
Einige riesige Monopole beherrschen
den Markt und
scheffeln Milliardenprofi te,
aber sie führen untereinander
eine scharfe Konkurrenzschlacht,
es sind schon
manche kleinere ganz oder
in einigen Geschäftssparten
untergegangen, weitere,
auch große, werden folgen.
Das hohe Umsatz- und Profi
tniveau und die Marktanteile
müssen gesichert werden,
denn die Konkurrenz
wird schärfer, Profi teinbrüche,
Börsenkrachs und
Übernahmen drohen, die
Kriegskasse für feindliche
(oder mehr oder weniger
„freundliche“) Übernahmen
oder zur Abwehr solcher
muss gefüllt sein... Nur
wer wächst, und zwar kräftig,
überlebt. Wachstum ist
gerade in diesen Branchen
das Um und Auf, ohne das
brechen Aktienkurs und damit
Börsenwert ein und die
riesige Spekulationsblase,
die dieses Business ausgebildet
hat, platzt - ganz wie
seinerzeit ihr Vorläufer, die
„Dotcom-Blase“. Das macht
sie in Zeiten keines oder
nur geringen Wachstums
der Gesamtwirtschaft zu
volatilen und insofern riskanten
Branchen, denn ihr
„Firmenwert“ (Börsenwert)
besteht in der Hauptsache
nur aus der Diskontierung
einer ungewissen Zukunft.
Lässt das Wachstum aus,
droht - wie bei einem Pyramidenspiel
- das Desaster.
Hinter dem Digitalisierungs-Hype
„verbirgt sich ...
vor allem das Bestreben, die
Neuerungen zu übertreiben,
um Kapital anzuziehen. Die Digitalbranche selbst
mitsamt ihrer Hardware-,
Softwareentwicklung und
ihren Marketingfi rmen basiert
darauf, durch eine
möglichst aufgeblasene
Dar stel lung der eigenen Fähigkeiten
und Möglichkeit
Venture Capital anzuziehen...
Der Begriff Industrie
4.0 ist vor allem ein Begriff,
der KapitalistInnen investitionsfreudig
stimmen soll.“
(Arnsburg, a.a.O., S. 25)
Wie sieht es für die anderen
Branchen aus? Was erwarten
sie sich von der Digitalisierung?
Sie erwarten sich
eine Steigerung der Produktivität,
daraus folgend
Konkurrenzvorteile, daraus
folgend ein bisschen mehr
Wirtschaftswachstum und
vor allem Extraprofi te - lauter
Dinge, die sie dringend
bräuchten. Nur gibt es dabei
ein Problem, dem weder
mit der Digitalisierung
noch einem anderen Wundermittel
beizukommen
ist. Es liegt darin, dass auch
noch so viel Digitalisierung
die realen Probleme der
Kapitalverwertung nicht
aus der Welt schafft: Überproduktion,
Überakkumulation,
Krisen und Stagnation,
Anarchie der Märkte,
Hypertrophie des Geldkapitals,
Lahmen der Investitionstätigkeit
in
die „Realwirtschaft“,
dafür
umso mehr Ausbildung
von Spekulationsblasen,
Verschärfung der
internationalen
Konkurrenz, zunehmend
instabileres
Umfeld Dazu kommt, dass die Digitalisierung,
die gepusht
werden soll, in der Realität
der Industrie nur zäh
vorankommt. Ihr „Digitalisierungsgrad“
liegt laut
einer Studie von McKinsey
in Deutschland bei gerade
einmal 10%11. Die deutsche
Kampagne „Industrie 4.0“,
2011 von Monopolbourgeoisie
und Regierung mit
großem Trara verkündet,
ist mehr eine Propagandaund
Marketingkampagne
geblieben - mit dem Nebenzweck,
staatliche Subventionen
fl üssig zu machen.
Digitalisierung der Produktionsprozesse
selbst, samt
Vernetzung ihrer einzelnen
Abschnitte, wie auch, in gewissem
Umfang, der vertikalen
„Wertschöpfungsketten“
(d.i. Vernetzung mit
Lieferanten und Kunden)
fi ndet selbstverständlich
statt, und das schon seit
langem, aber wesentlich
weniger und langsamer als
beschworen, ungleichmäßig
in Tempo und Intensität
und, soweit die eigentliche
Produktion betreffend,
hauptsächlich die einzelner
Teilabschnitte, kaum
ganzer Produktionsketten.
Keine Rede also bisher von
einer „Digitalisierungs-Offensive“,
wie sie lautstark
propagiert wird. Aufschlussreich die Äußerungen
von BitCom, dem
Verband der deutschen ITIndustrie
(alle Zitate hier
und in weiterer Folge aus
der Homepage von BitCom/
Themen/Digitale Transformation/Branchen):
BitCom
trommelt Begeisterung und
eine leuchtende digitalisierte
Zukunft, jammert aber
zugleich, dass „die Unternehmen
bei den Investitionen
in innovative digitale
Technologien für vernetzte
Produktion und Produkte
allerdings noch zurückhaltend
(sind)“; dass „nach
einer Befragung von 559
Industrieunternehmen ab
100 Mitarbeitern im Jahr
2016 ... fast alle Unternehmen
ein Budget für Industrie
4.0 eingeplant (haben),
als Mittelwert aber nur 4%
vom Gesamtumsatz“12 (BitCom
nimmt diesen enttäuschenden
Wert zum Anlass,
mehr staatliche Subventionen
zu fordern); dass die
„Kooperation zwischen
den Industrieunternehmen
und der Digitalbranche
gegenwärtig nicht ausreichend“
sei; dass „ 54% der
Unternehmen den Begriff
Plattform-Ökonomie (nicht
kennen) und jeder Dritte,
der damit etwas anfangen
kann, Plattformen für sein
Unternehmen nicht für
relevant (hält)“ usw. usf.
„Besonders skeptisch sind
Industrieunternehmen: Von
ihnen sagen zwei Drittel (67
%), das Thema (der Plattform-Ökonomie)
sei für
sie ohne Bedeutung.“ An
einigen Stellen klingt bei
BitCom geradezu Frust darüber durch, dass die Digitalisierung
zu langsam und
in den eigentlichen Produktionsprozessen
besonders
langsam vorankommt (was
da an Geschäftsmöglichkeiten
der Branche verloren
geht!). Sofort wird aber
(Geschäft ist Geschäft!) der
„Mangel“ an Digitalisierung
der Produktion gleich
wieder „kompensiert“ und
rationalisiert (gerechtfertigt):
„Wie die Realität bereits
heute (!) zeigt, fi ndet
die eigentliche Revolution
von Industrie 4.0 nicht in
der Produktion, sondern
bei den Geschäftsmodellen
statt. Von besonderer
Bedeutung sind dabei digitale
Plattformen. Mit ihren
datenbasierten Mehrwertdienstleistungen
(?)
schieben sie sich zwischen
Hersteller und Kunde ...“
Im Klartext heißt das: Mit
der Digitalisierung in der
Produktion schaut es nicht
berauschend aus, damit
können wir, die IT-Branche,
nicht genug Profi t
machen, also werfen wir
uns eher auf Einkaufs- und
Verkaufs-Plattformen, Marketing
und Werbung usw.,
reklamieren und drängen
wir uns - oft in parasitärer
Weise als Zwischenhändler,
Vermittler usw. - in die
Zirkulationssphäre. Und so
ein armseliges, amputiertes
Projekt ist mit „digitaler Revolution“
gemeint?
Warum lahmt die „Digitalisierungs-Offensive“,
speziell
(aber nicht nur) die in
der Produktion, trotz des
vielen Lärmes, der um sie gemacht wird? Glauben die
Kapitalisten selbst nicht so
recht an ihre Kampagne?
Rechnet sich vielleicht die
Kosten-Nutzen-Analyse
der Digitalisierung vielfach
nicht in Zeiten, in denen die
lebendige Arbeitskraft in
den imperialistischen Ländern
zunehmend billiger
und „fl exibler“ wird und
nach wie vor ein riesiger
Billigstlohnsektor in den
neokolonialen und abhängigen
Ländern zur Verfügung
steht (wenn auch nach
harten Klassenkämpfen
von Rumänien bis Bangladesh
und China nicht mehr
überall ganz so billig wie
noch vor ein paar Jahren)?
Auch die in Aussicht gestellten
staatlichen Begünstigungen
und Hilfen (direkte
Subventionen, Steuerbegünstigungen,
staatliche
Finanzierung von Grundlagenforschung,
Ausrichtung
der Universitäten auf die
Gratis- oder Fast-Gratis-Zuarbeit
für das Kapital13...)
und ein markantes Sinken
der Komponentenpreise14
befl ügeln die Investitionen
in die Digitalisierung nicht
wie erhofft. Bei aller Begeisterung
ist halt die Digitalisierung
doch nur ein
und nicht einmal der wichtigste
Posten in der Jagd
nach Profi t und der diesbezüglichen
Kalkulation.
Es gibt eine Reihe von Faktoren,
die den technischen
Fortschritt konterkarieren
und insofern auch die Digitalisierung
(insofern bzw.
soweit diese einen technischen
Fortschritt zum Ausdruck bringt). Da ist einmal
die dem Kapitalismus, insbesondere
in seinem heutigen
monopolistischen und
imperialistischen Stadium,
innewohnende Tendenz,
den technischen Fortschritt
nicht nur kapitalistisch zu
verbiegen und zu pervertieren,
sondern auch zu bremsen.
Es wirkt hier ein Widerspruch.
Einerseits ist jeder
Kapitalist an einer höheren
Produktivität als die seiner
Konkurrenten interessiert,
denn das verspricht Extraprofi
te. Andererseits kosten
Rationalisierungsinvestitionen,
vor allem solche
in tiefgreifende Digitalisierung
und Robotisierung, ein
Schweinegeld und stellen
sie häufi g ein schwer abschätzbares
Betriebsrisiko
dar (vor allem bei noch nicht
ausgereifter Technologie)
- Geld, das man sich sparen
kann, wenn die Klasse als
Ganzes, auch in internationalem
Maßstab, bezüglich
des technischen Fortschritts
auf der Bremse steht. Das
wird umso stärker der Fall
sein, je stärker die Branche
monopolisiert ist. Die Automobilindustrie
ist dafür ein
gutes Beispiel. Es gibt viele
Beispiele. Wenn mit weniger
fortgeschrittener oder
sogar alter, überholter und
in Verruf geratener Technologie,
dafür aber mit noch
niedrigeren Löhnen, noch
längeren Arbeitszeiten,
noch größerer Arbeitshetze
ebenfalls oder womöglich
noch mehr Profi t herausschaut
- dann erlahmt oder
erlischt das Interesse am
technischen Fortschritt. Verschärfend wirkt auch
die derzeitige Konjunkturlage.
Zwar gibt es im Moment
(seit Ende 2016) wieder
ein bisschen Aufschwung,
vergleichbar mit dem Strohfeuer
2011, aber er steht auf
wackeligen Beinen und fl aut
anscheinend schon wieder
ab.Die Lage bleibt für das Kapital prekär. Das Kapital kommt nun schon seit einem Jahrzehnt nicht wirklich aus Krise bzw. Stagnation heraus. Das drückt auf die Profi trate und auf die „Investitionsneigung“. Die Digitalisierung der Produktion verspricht zwar Konkurrenzvorteile und Extraprofi te, aber sie hat zuallererst einmal hohe Investitionskosten, auch wenn diese zu einem Teil vom Staat subventioniert werden. Die Branchen, die Hardware und Software für die Digitalisierung liefern, sind natürlich umso heftiger am Vorantreiben der Digitalisierung interessiert, aber der sonstigen Bourgeoisie ist der (kurzfristige) Spatz in der Hand meist lieber als die (langfristige) Taube auf dem Dach. Verschärfung der Ausbeutung der Arbeiterklasse, Umverteilung durch den Staat, Ausplünderung der neokolonialen und abhängigen Länder versprechen vielfach schnelleren und größeren Profi t. Jedenfalls auf kurze und mittlere Sicht - und was die lange Sicht betrifft, brachte schon der berühmte J.M.Keynes die Bourgeoissichtweise auf den Punkt mit seinem Hinweis, dass „wir auf lange Sicht alle tot (sind)“. Mit jeder Rationalisierung geht immer auch zwingend Steigerung der Ausbeutung einher (z.B. Zwang zu Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit zwecks Ökonomisierung des Einsatzes der teureren Produktionsmittel, Erhöhung der Intensität der Arbeit, Dequalifi zierung eines Teils der Arbeitskraft usw.). Auch im Regierungsprogramm der schwarz-blauen Regierung geht eine Ausbeutungs- und Ausplünderungsoffensive Hand in Hand mit einer (allerdings zwar phrasenreichen, aber der Sache nach ziemlich schwachbrüstigen) „Digitalisierungsoffensive“15. Die Digitalisierung soll auch in Österreich in den nächsten Jahren einen Sprung vorwärts machen, sonst geht‘s mit der Konkurrenzposition womöglich weiter bergab. Zweitens sollen Arbeiterklasse und Volk damit bedroht und eingeschüchtert und auf mehr Arbeitslosigkeit und niedrigere Löhne eingestellt werden (in deutschen Gewerkschaftskreisen wurde dafür der Ausdruck „Angst und Ohnmacht 4.0“ geprägt). Drittens soll die staatliche Überwachung und Repression auf allen Lebensgebieten verstärkt werden, was durch die intensivierte Digitalisierung von allem und jedem in Bürokratie und Gewaltapparat bewerkstelligt werden soll, vom Bürgerverkehr der Staatsbürokratie bis zum Gesundheitswesen, vom Schulwesen bis zum staatlichen Gewaltapparat (dem „Sicherheitsbereich“). Viertens ist die Digitalisierung eine ideologische Nebelgranate, um die wirklichen Widersprüche in unsere Gesellschaft und die Krise und Perspektivlosigkeit des Kapitalismus verschwinden zu lassen. Daher das Lärmen um die „digitale Revolution“. 2. Digitalisierung der Produktion: „Visionen“, Phantasien und einige Fallbeispiele aus dem Reich der Realität Von der Bourgeoisie und ihren Ideologen wird der Eindruck erweckt, es handle sich bei der Digitalisierung der Produktion um einen völligen Umbruch derselben, um eine „neue Qualität der Produktivkraftentwicklung“, um eine qualitative technische Umwälzung (und Umwälzung der Gesellschaft!), um die „digitale Revolution“ halt. Wir befi nden uns im Reich der „Visionen“. Es handle sich, liest man bei einem besonders eifrigen Apologeten der Digitalisierung, um den „Übergang von der proprietär-zentralistischen zur quelloffenen selbstorganisiert-netzwerkartigen Softwareentwicklung“ (und jeglicher Entwicklung überhaupt). Alles organisiert sich selbst, vernetzt sich selbst, entwickelt und entscheidet sich selbsttätig, „die ‚Intelligenz ‚ der Fertigung (Anm.: wozu eigentlich die Anführungszeichen?) wandert (Anm.: von der proprietärzentralistischen Kommandozentrale des Kapitals) in die verteilten, vermaschten Knoten von Agenten - Maschine oder Mensch -, die nun autonom aufgrund lokal verfügbarer Informationen ... entscheiden, was zu tun ist. Die Fertigung gewinnt stigmergischen Charakter.“16 Die „vermaschten Knoten“ entscheiden also „selbst“ und „autonom“.... autonom in welcher Hinsicht und von wem oder was? gestützt auf welche Entscheidungsparameter? woher kommen die inputs?, wer hat dieses „selbst“ wie und mit welchem Interesse und Zweck programmiert? wer gibt die Algorithmen des „selbst“ vor (denn das „selbst“ selbst kann das sicher nicht)? Kurz und gut: im Hinblick auf welche konkreten Ziele und Klasseninteressen wird hier entschieden, programmiert und gewerkt? „Proprietär“ heißt „dem Eigentum oder dem Eigentümer angehörend“ und „Stigmergie“ ist ursprünglich ein Konzept zur Beschreibung der Selbstorganisation eines Termitenbaus und bedeutet hier ein „Konzept zur Beschreibung einer besonderen Form der Koordination von Kommunikation in einem dezentral organisierten System“ (Wikipedia). Ob der Mann wirklich glaubt, der Kapitalist gäbe die (auf seinem Eigentum an den Produktionsmitteln gegründete) Kontrolle über den Produktionsprozess auf? Kapitalist, Arbeiter und Maschine würden sich Arm in Arm, in stigmergischer Weise und alle drei selbst-organisiert und selbstbestimmt, zu „vermaschten Knoten“ vernetzen? Wenn sich jemand unter Digitalisierung nur Internetseiten und -plattformen, Computerspiele oder clouds vorstellen kann und/oder wenn er glaubt, Produktion bestünde aus „copy and paste“, dann kann das diesem armen Teufel plausibel erscheinen und er ganz übersehen, dass die ganze „Selbstorganisation“ eine fest in der Hand des einen oder anderen imperialistischen Monopols befi ndliche Profi tmaschine ist, die sich die Termitenarbeit gratis aneignet und für kommerzielle Zwecke exploitiert und das gleich auch noch für die Manipulation und Überwachung der „Selbstorganisierten“ nutzt. Gerade diejenigen kapitalistischen IT-Konzerne, die digitale Medien, Software, Plattformen usw. produzieren, also die „stigmergischesten“ unter allen, beweisen das gerade Gegenteil. Können die vielen im Netz herum krabbelnden menschlichen Nutzer-Termiten etwa die technologische Entwicklung, die kommerziellen Entscheidungen und generell die Geschäftspolitik dieser Monopole auch nur im Entferntesten beeinfl ussen? Die Realität einmal ignoriert und den Kapitalismus einmal wegeskamotiert, kann man dann von volldigitalisierten, selbst-organisierten, superfl exiblen und superschlauen Robotern und „atmenden Netzwerken“ träumen - und sogar davon, dass diese auch die zukünftigen Zustände der Märkte, die zukünftigen Kundenbedürfnisse und damit die Nachfrage usw., sogar auch das menschliche „Wesen“ (nämlich als Konsument) antizipieren könnten - um so die Anarchie der kapitalistischen Produktion, Überproduktion, Krisen usw. zu vermeiden. In einer „stigmergischen“ Organisation der Gesellschaft, könnten sich die „Menschen“ auch zu mehr Selbstbestimmung, Freiheit, Gerechtigkeit usw. emporarbeiten17 - wie im Termitenbau, da geht‘s ja auch! Und wenn es doch nicht geht, könnte man immer noch versuchen, dem irdischen Trauertal mittels Transhumanismus zu entfl iehen. Das sind keine Faschingsscherze, das wird alles breit erörtert. Und alles selbstverständlich bei Fortbestand des kapitalistischen Privateigentums, der Anarchie der Produktion, alias: „Marktwirtschaft“, der Konkurrenz, des Profi ts als einziger Triebkraft der Produktion, der Gesetze der kapitalistischen Akkumulation usw. Steigt man aus dem Reich der Hirngespinste ein paar geistige oder besser: ideologische Stockwerke tiefer, landet man in der wirklichen kapitalistischen Produktion mit all ihrer Tyrannei und Ausbeutung. Dort angekommen kann man studieren, was die Bourgeoisie selbst sich unter der Digitalisierung vorstellt und diesbezüglich in Zukunft zu tun gedenkt. Man sieht dann, dass die Digitalisierung, soweit sie für das Kapital in der Gegenwart handlungsrelevant ist, nicht mehr und nicht weniger ist als eine weitere Rationalisierungswelle und eine spezifi sche Form von Automatisierung. In dieser Hinsicht ist sie eine Fortsetzung bisheriger Entwicklung18. Produktionsverfahren (im Besonderen) und Produktionsmethoden (im Einzelnen), als technische Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise und eingepresst in ihre kapitalistische Form, sollen mittels Digitalisierung beschleunigt weiterentwickelt werden, mehr noch aber sollen „darüber liegende“ Organisationsformen der „Wertschöpfungsketten“ („Geschäftsmodelle“) verbessert werden, also im Wesentlichen die Kommunikation zwischen und Koordination von verschiedenen Abschnitten eines Produktionsprozesses und seiner vor- und nachgelagerten Prozesse (Vernetzung, auch mit Lieferanten, Kunden, Partnern). Es fällt ferner auf, dass in jeder Konjunkturanalyse, jedem OECD-“Economic Outlook“, jeder Analyse der globalen Konkurrenz usw., also bei jeder ökonomischen Untersuchung der Lage und der Perspektiven der kapitalistischen Wirtschaft die Digitalisierung zwar wahrscheinlich irgendwo erwähnt wird, aber konkret keine besondere Rolle spielt. Sie gilt nur plakativ, aber nicht konkret als der Wachstumsträger, als der Haupttreiber der Produktivitätssteigerung, als das Rückgrat aller Rationalisierung. Schon gar nicht ist sie der Haupthebel der Profi tmaximierung. So viel kann man gar nicht digitalisieren, dass damit mehr an zusätzlichem Profi t lukriert würde, als allein durch den Reallohnabbau und die Ausdehnung der Schichtund Nachtarbeit und der Arbeitszeit überhaupt. So war es in den letzten zwei Jahrzehnten und so wird es bleiben. Arnsburg schreibt sehr anschaulich, nachdem er die Zuspitzung der imperialistischen Konkurrenz und speziell die Rolle Chinas und speziell das „Neue-Seidenstrasse-Projekt“ analysiert hat: „Wo sind in dieser Darstellung die Roboter und selbstfahrenden Autos? Ganz einfach: Sie spielen bei diesen ökonomisch bestimmten Prozessen eine untergeordnete Rolle. Eine Wirkung der Debatte um die leuchtende Robo-Zukunft ist es, von der Betrachtung der wirklich richtungsweisenden Entwicklungen abzulenken, was gerade mit viel Erfolg betrieben wird. Natürlich spielt die Frage der Effi zienzsteigerung durch Automatisierung auch bei Megaprojekten wie dem beschriebenen eine Rolle und es kommt viel moderne Messtechnik zum Einsatz. Doch es wird viel von Menschen im Dreck gewühlt, es werden Ufer mit Dynamit gesprengt und Kettensägen fällen Bäume. Auf der einen Seite dürfte es Maschinen schwer fallen, ohne menschliches Zutun in einer so wenig standardisierten Umgebung wie dem offenen und unerschlossenen Gelände vieler Baustellen ihre Arbeit zu verrichten. Auf der anderen Seite ist es nicht notwendig, diesen ohnehin unsicheren Entwicklungsaufwand zu betreiben, wenn chinesische ArbeiterInnen günstiger in bekannter Manier unter lebensgefährdenden und sklavischen Bedingungen eingesetzt werden können.“ (Arnsburg, a.a.O., S.162) 2.1. Beispiel Stahlindustrie Die Stahlindustrie ist und bleibt eine Schlüsselindustrie, auf höchstem technologischem Niveau, unter ständigem Konkurrenz- und Innovationsdruck. Ohne Stahl geht gar nichts. Sogar ein Überdrüber-3D-Drucker könnte keine Stahlbrücke „drucken“, wenn ihm nicht die Stahlindustrie den Stahlstaub, den er dafür braucht, produzieren würde. Wir nehmen als Beispiel die deutsche Stahlindustrie19. Wo steht sie bei der Digitalisierung? Nun, sie hat ihren „individuellen Weg zu Industrie 4.0 „ in einem zusammenfassenden Bericht „Stahl 4.0 - Interpretation von Industrie 4.0 für die Stahlindustrie“ Anfang 2017, also 6 Jahre (!) nach Ausrufung der „vierten industriellen Revolution“ vorgelegt. Punkt 1.6 dort ist übertitelt mit „Industrie 4.0 - mitmachen oder sein lassen?“, kommt aber dann doch zu dem Ergebnis, mitzumachen, aber halt auf eine eigene Art und Weise. Ihr „Digitalisierungsgrad“ (wie immer das genau gemessen wird, offenbar an einem theoretisch angenommenen maximal Möglichem - siehe dazu auch Fußnote 11) liegt laut einer Studie von IW Consult im Auftrag der Wirtschaftsvereinigung Stahl gerade einmal bei 10% (Handelsblatt, 16.8.2017). So gering? So gering ist das gar nicht, denn damit liegt sie - laut einer Studie von McKinsey - im Durchschnitt der Industrie und auch im Mittelfeld der Wirtschaft insgesamt. (Unterschiede gibt es nicht nur deshalb, weil die einen fl otter sind beim Digitalisieren und die anderen fauler und/oder weil ein Großkonzern etwas anderes ist als ein Kleinkapitalist, sondern es hängt auch maßgeblich vom stoffl ichen Inhalt des Produktionsprozesses ab, wieweit Digitalisierung von Prozessen möglich, stoffl ich relevant und ausreichend profi tabel ist.) Beim Studium der relevanten Dokumente der deutschen Stahlindustrie sehen wir, dass es ihr in ihrem „Stahl 4.0“ ganz banal um etwas geht, worum es immer schon im Kapitalismus geht, nämlich um die Rationalisierung des Produktions und Zirkulationsprozesses des Kapitals - bloß nunmehr unter Nutzung der jeweils verfügbaren und „sinnvoll“, d.h. profi tabel verwertbaren digitalen Möglichkeiten. „Prozessoptimierung in der Stahlindustrie gibt es schon lange. Angefangen mit der Automatisierung der Anlagen kommen nun verstärkt Informations- und Telekommunikationstechnologien hinzu. Insbesondere in den letzten 25 Jahren konnten durch viele innovative technische Entwicklungen eine kostengünstige Produktion, höhere Flexibilität, ständige Qualitätsverbesserungen und die Entwicklung neuer Produkte erreicht werden. Nicht zuletzt werden durch effi zientes Anlagenmanagement auch Ressourcen geschont. Durch die digitale Begleitung der Produktion werden diese Entwicklungen auf das nächste Level gehoben.“ (http://www. stahl-blog.de/index.php/ mit-industrie-4-0-blickt-diestahlindustrie-vernetzt-indie-zukunft/)20 Das zeigt recht anschaulich: Der Sache nach geht es um die weitere Rationalisierung des Produktions- und Zirkulationsprozesses des Kapitals zwecks Produktivitätssteigerung. Konkret geht es um den Einsatz digitaler Medien und Prozesse 1. zur weiteren Rationalisierung der Produktionsprozesse, u.a. durch Robotisierung, vertikale Vernetzung der verschiedenen Produktionsschritte usw. 2. zur digitalen Vernetzung der Stahlkapitale untereinander, also Bildung von Kartellen, Clustern und Lob bies, wo das jeweils gewünscht ist 3. zur digitalen technischen und logistischen Vernetzung mit Kunden und Lieferanten, also zur möglichst weitgehenden Vernetzung der gesamten „Wertschöpfungskette“. Die Grundlage von dem allem bleibt aber, ungeachtet aller Digitalisierung, der stoffl iche Inhalt des eigentlichen Produktionsprozesses selbst. Erz muss gewonnen werden, das Erz muss geschmolzen und aus ihm Stahl erzeugt werden, der Stahl muss gewalzt werden, aus Barren, Brammen usw. müssen Bleche, Bänder, Rohre, Schienen, Träger, Drähte usw. hergestellt werden, diese müssen weiterverarbeitet werden usw. Überall in diesem Prozess fi ndet Automatisierung statt, darunter auch Digitalisierung. Letztere optimiert die Prozesse und deren vertikale und horizontale Vernetzung und trägt so zur Erhöhung der Produktivität bei - aber der technische Kern dieser Prozesse ändert sich dadurch nicht. Es mag noch so viel Digitalisierung dieser Prozesse geben, trotzdem muss Erz gewonnen, Stahl hergestellt, gewalzt usw. werden. Es geht, wenn man so will, um neue Produktionsmethoden, aber es geht nicht einmal um in technologischer Hinsicht neue Produktionsverfahren im eigentlichen Sinn, geschweige denn um eine neue Produktionsweise (in einem banalen technischen und nicht im gesellschaftlichen Sinn), und sei es nur eine solche der Stahlproduktion. Der technische Kern der Stahlerzeugung ändert sich dann und nur dann, wenn ein qualitativ neues Stahlerzeugungsverfahren erfunden bzw. praktisch angewendet wird. Das war bei der klassischen Hochofen-Konverter-Route21 zuletzt der Fall in den 1950er Jahren durch den Übergang vom Siemens-Martin-Ofen zum LD-Verfahren. Neben diesem klassischen Verfahren gibt es seit den 1990er Jahren das wesentlich ressourcenschonendere (weniger Energiebedarf) und umweltfreundlichere (viel weniger CO2-Ausstoß) Direktreduktionsverfahren (Corex, Midrex, Finex ...)22 und den Elektro- oder Lichtbogenofen23. Das sind im Prinzip die heute verfügbaren Verfahrenstypen24 .
Die Digitalisierung legt sich über diese Verfahren, bringt Verbesserungen, ändert aber ihren technischen Kern nicht qualitativ. Ein in technologischer Hinsicht neues Stahlerzeugungsverfahren dagegen ist - Digitalisierung hin oder her - nicht in Sicht. 2.2.Kraftwerkstechnologie (Hydro) Ein anderes Beispiel zur Veranschaulichung der Fragestellung des „qualitativ Neuen“ in puncto Produktionsprozess ist der Wasserkraftwerksbau. Es war zweifellos ein technologischer Durchbruch, als nach den Francisturbinen (1849), Peltonturbinen (für Pumpspeicherwerke, 1879) und Kaplanturbinen (für Laufkraftwerke, 1910) die Rohrturbinengeneratoren (für geringe Fallhöhen, also für Flüsse mit wenig Gefälle, 1974) und die Matrixturbinen (zur Nutzung der Energie wechselnder Wasserspiegel, z.B. Schleusenkraftwerke in Schiffsschleusen, 1990er Jahre) erfunden wurden. Aber es waren eben nur neue Turbinentypen, also neue Produkte, nicht etwa „neue Technologien“ in dem Sinne, dass sie auf anderen technischen Grundlagen und Prozessen beruht hätten. Das technische Prinzip der Umwandlung von kinetischer Energie aus Wasserkraft in elektrische Energie und die diesbezügliche Technologie über Turbine und Generator änderte sich dadurch nicht. Selbstverständlich gab es - neben der Entwicklung neuer Turbinentypen - technische Verbesserungen der Turbinen und Generatoren. Und es änderten sich auch die Produktionsmethoden der Turbinen, nämlich durch eine dort schon seit Jahrzehnten laufende sukzessive Digitalisierung, zwar nicht des ganzen Produktionsprozesses, aber von Teil...
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Fortsetzung siehe https://prolrevol.files.wordpress.com/2018/07/pr75download.pdf


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