Hier spiegle ich einen sehr interessanten Beitrag zur Klarheit
über die ökonomische Struktur der Russischen Föderation, die als ein
imperialistisches Land eingeschätzt wird, von der Webseite der KPD (Die
Rote Fahne) http://www.k-p-d.org (Quelle):
Die Notwendigkeit der Klarheit über die ökonomische Struktur Russlands
von Emiliano Cervi, Salvatore Vicario
Wir alle wissen: Die Welt ist in ständigem Fluss, die USA sind eine
Weltmacht im Abstieg (und genau aus diesem Grunde besonders gefährlich)
und sie sind mehr und mehr konfrontiert mit dem wachsenden
internationalen Einfluss anderer Länder, die aufsteigen und ihre
dominante Position versuchen zu untergraben. Das ist unter einem
speziellen Gesichtspunkt eine gute Sache: die vermehrten ökonomischen
und/oder politischen Zusammenstöße zwischen diesen Mächten, die Lenin
als „die tiefsten Widersprüche des Imperialismus“ bezeichnete
1,
der größere Spielraum für diejenigen, die nach oben streben und die
jede Gelegenheit nutzen, die sich national und international in einem
System, dass im Fluss ist, ergeben.
Kommunisten müssen ihre Taktik den jeweiligen Gegebenheiten von Zeit
zu Zeit flexibel und pragmatisch anpassen, denn der Marxismus-Leninismus
ist kein theologisches Dogma, sondern das Handwerkszeug, das uns die
Möglich gibt, die Welt um uns herum zu analysieren und zu verstehen. In
dem überschaubaren Szenario, welches der kleine Kreis der Kommunisten
heute bietet, gibt es Tendenzen, diesen notwendigen Pragmatismus derart
zu übertreiben, dass sie vielleicht nicht gleich die Grundlagen unserer
Theorie beschädigt werden und wir in den Opportunismus abgleiten, aber
es werden die Fakten verfälschen. Und das ist möglicher Weise noch
gefährlicher.
Die UdSSR, Russland und Putins neuer Kurs
Eine der beunruhigendsten (und, lasst es uns sagen: auch bizarren)
Verfälschungen besteht darin, die UdSSR mit dem zu vergleichen, ja fast
schon gleich zu setzen mit dem, was Russland heute ist. Die
Rehabilitation einer glorreichen Vergangenheit, ein Revival der Symbole
und Rituale aus der Zeit des Sozialismus haben manche Genossen
unglaublich verwirrt. Es ist nicht unüblich, dass Kommentare zu lesen
sind wie: „Lang lebe Genosse Putin“, „Putin baut die UdSSR wieder auf“,
„Ich weiß, die Sowjetunion kommt wieder“ usw.
Unzweifelhaft hat Russland die erste post-sowjetische Periode
überwunden, in der es einen massiven Ausverkauf des ökonomischen,
politischen und kulturellen Reichtums des Volkes an die großen
westlichen Spekulanten, Profiteure und Gangster gab. Inzwischen führen
keine Alkoholiker mehr da Land, stattdessen ein Staatsmann, kompetent
und auf der Höhe der Zeit (er hat es beim KGB gelernt). Diese Faktoren
haben dieses Image geformt, haben geholfen, solche Verfälschungen wie
die oben genannten bei der Einschätzung Russlands entstehen zu lassen.
Um Klarheit zu schaffen, müssen wir uns zunächst fragen: Was macht
ein Land zu einem sozialistischen Land? Es ist ein Fakt, dass die
Kommunistische Partei das Land führen muss (als Avantgarde des
Proletariats), aber wirklich entscheidend dafür, das System zu bestimmen
ist die Ökonomie, die wir genau analysieren müssen, um alle Zweifel
auszuräumen und Klarheit zu gewinnen.
Entweder sind die Produktionsbedingungen und Produktionsmittel in der
Hand der Arbeiterklasse, und dafür müssen sie sozialisiert worden sein,
oder man kann nicht und sollte nicht von Sozialismus sprechen. Außerdem
muss man aufmerksam sein, denn nicht jede Nationalisierung ist auch
eine Sozialisierung. Eine Nationalisierung enteignet einen bestimmten
Produktionszweig oder einen bestimmten Großbetrieb, ohne die
Eigentumsverhältnisse gesamtgesellschaftlich zu verändern.
Beispielsweise waren in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts in
Italien viele strategische Unternehmen in staatlicher Hand (Energie,
Stahl usw.), aber hieß das, dass Italien ein sozialistisches Land war?
Wer besaß den Reichtum des Landes? Waren es die Arbeiter oder war es die
exklusive Gruppe von Großunternehmern, die die Regeln der Ökonomie und
der nationalen Politik kontrollierten und noch immer kontrollieren?
Der erste Faktor also, den Kommunisten analysieren müssen, ist die
ökonomische Struktur eines Landes. Und da hat es in Russland eine große
Veränderung geben verglichen mit der Zeit der Sowjetunion. Als Resultat
der Konterrevolution gab es eine Rückkehr zu kapitalistischen
Produktionsverhältnissen, in denen die Produktionsmittel und die
Produktionsbedingungen sich in privaten Händen befinden und in denen es
nicht Ziel der Produktion ist, die Bedürfnisse des Volkes zu
befriedigen, sondern die Profite der Kapitalisten, also derjenigen, die
die Produktionsmittel in ihren Händen halten, zu sichern.
Während der Reichtum in der UdSSR der Wohlfahrt des Volkes diente,
das waren die Industrialisierung, Dienstleistungen, Gesundheitsfürsorge,
Verkehr, Bildung, Erziehung, Sicherheit und Frieden, dient heute der
Reichtum der ehemaligen Sowjetrepubliken dazu, die Brieftaschen der
Manager, Spekulanten, Banken wie Sberbank, VTB-Bank, Alfa Bank,
Raffeinse-Bank oder der Blagosostoyanie, und großen
Kapitalgesellschaften wie Gazprom, Rosneft, Lukoil, Rusal usw. zu
füllen. Sie alle sind verbunden mit den politischen Institutionen, wie
wir bei den nächsten Details sehen werden.
Wir werden auf Zahlen und Statistiken zurückgreifen, um die
Argumentation zu stützen: Die Statistik über den Kapitalexport Russlands
ist sehr interessant. In den ersten Jahren des „neuen Russland“, den
90er Jahren, war der Anteil russischen Kapitals, das in den Rest der
Welt exportiert wurde, sowohl statistisch als auch ökonomisch
verschwindend gering. Es gab eine Kapitalflucht aus Russland (was nicht
das Gleiche ist wie ein Kapitalexport) und die westlichen
Neokapitalisten zogen jährlich rund 15 – 20 Milliarden Dollar aus
Russland ab. Das Land war im Prozess auszubluten. Mit dem Ende der
Jelzin-Regierung änderte sich die Situation, der russische Kapitalismus
entwickelte sich in eine neue Phase, in welcher sowohl das industrielle
als auch das Bankkapital schnell wuchsen und der Kapitalexport eine
zunehmend größere und inzwischen die wichtigste Rolle einnimmt. Das ist
die Entwicklung, die, sich von Jahr zu Jahr verstärkend und
konsolidierend (nur die Krise 2007/8 verlangsamte den Prozess
vorübergehend etwas), Russland zu einem komplett imperialistischen Land
macht.
Hier die gerundeten Zahlen, Kapitalexport Russlands in Mrd. Dollar
2 (2)
2000: 37
2001: 44
2002: 70
2003: 153
2004: 152
2005: 368
2006: 562
2007: 747
2008: 371
2009: 443
2010: 558
2011: 534
2012: 794
Seit 2000 sind die ausländischen Direktinvestitionen des russischen Monopolkapitals außerordentlich stark gestiegen.
Russland und die Wesensmerkmale des Imperialismus
Nach den Angaben der Forbes-Liste gibt es heute 110
Dollar-Milliardäre in Russland, deren Privatvermögen rund 320 Milliarden
Dollar beträgt, damit liegt Russland, was diese Größenordnung angeht,
auf Platz drei nach den USA und China. Der so genannte Gini-Koeffizient
3 der
statistischen Analyse der sozialen Ungleichheit liegt in Russland bei
etwa 41,7. (Zum Vergleich: Deutschland liegt beim GINI-Koeffienten
zwischen 25 und 30, Italien zwischen 30 und 35, die USA zwischen 40 und
45, Südafrika bei 65.)
Indem wir die charakteristischen Merkmale des Imperialismus, wie sie
Lenin herausgearbeitet hat, analysieren – wir fokussieren uns auf die
ersten drei – können wir feststellen, dass die hohe Konzentration der
Produktion in Russland schon durch die UdSSR und deren sozialistische
Industrie geschaffen worden ist, weshalb die Herausbildung von
kapitalistischen Monopolen nicht mehrere Jahrzehnte in Anspruch nahm,
sondern wesentlich schnell ablief, indem die führenden Großbetriebe in
Privateigentum übergingen.
In der Forbes-Liste der 100 größten Monopole der Welt sind 28
russische aufgezählt, wie z.B. Gazprom, Lukoil, Rosneft und Sberbank.
Die russische Ökonomie ist hoch konzentriert; in vielen Sektoren ist die
Konzentration höher als in den USA oder in Deutschland. Zum Beispiel
lag der Anteil, den die 10 größten Monopole Russlands im Jahr 2006 am
Bruttoinlandprodukt hatten, bei 28,9 %, während er sich in den USA nur
auf 14,1 % belief. Die meisten Sektoren der Ökonomie in Russland sind
hoch konzentriert, z.B. der Energiesektor, der Maschinenbau, das
Transportwesen und die Lebensmittelproduktion. Wir können feststellen,
dass wir es in Russland mit einem Monopolkapitalismus zu tun haben, der
hoch konzentriert ist und eine starke staatliche Präsenz zeigt.
Was die Verschmelzung des Bankkapitals mit dem
Industriekapital angeht: dies ist längst geschehen. Die Sberbank ist
eine der größten Banken der Welt, aber die VTB-Bank, die Alfa-Bank und
die Raffeinse-Bank spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle in der
russischen Ökonomie. Die großen Banken sind eng verflochten mit dem
Industriekapital, man hält gegenseitig Aktien und sitzt gegenseitig in
den Aufsichtsräten. Manche Banken sind direkte Gründungen des
Indistriekapitals wie die Gazprom-Bank, Uralsib, Promsvjas-Bank.
Die Gazprom-Gruppe besitzt die Gazprom-Bank und den privaten
Pensionsfonds „Gazfonds“. Diese größte der russischen Industriegruppen
besitzt daneben die Versicherungsgruppe „Sogas“ und ist führend bei den
Invest-Banken und den Pensionsfonds.
Der bekannte Oligarch Vekselberg besitzt die Renova Holding (mit Sitz
auf den Bahamas), zu der die russische „Renova“-Gruppe gehört, eine
internationale Gesellschaft für Privatgeschäfte, die aus
Aktiengesellschaften besteht, die im Gesundheitswesen tätig sind und
eine rege Investitionstätigkeit zeigen, so in den Bereichen der
Erzgewinnung und des weiteren Bergbaus, der Ölgesellschaften, des
Maschinenbaus, der Energieversorgung, der Telekommunikation, der
Nanotechnologie, der Chemieindustrie und dem Finanzsektor. Die
Renova-Gruppe hält große Anteile an führenden russischen und
internationalen Aktiengesellschaften, wozu unter anderem gehören: UC
Rusal, Integrated Energie Systems, Oerlikon, Sulzer,
Schmolz&Bickenbach. Die Renova.Gruooe investiert in Russland, der
Schweiz, in Italien, in Südafrika, in der Ukraine, in Lettland, in der
Mongolei, in Kirgistan usw. Der Gruppe gehört außerdem die Metkombank,
eine der größten Banken in Russland, die inzwischen zu den 50 bei
Investoren beliebtesten Banken zählt. Gleichzeitig besitzt der Oligarch
Vekselberg einen Teil von UC Rusal, dem größten Aluminium-Hersteller der
Welt, und er ist Miteigentümer von Norilsk Nickel, einer russischen
Aktiengesellschaft, die Nickel und Palladium verhüttet.
Die Oligarchen Alisher Usmanov, Vladimir Skoch und Farhad Moshiri
besitzen die MetaUoinvest, eine der größten Gruppen im Minen und
Metallgeschäft Russlands, spezialisiert auf die Stahlproduktion.
MetaUoinvest wiederum besitzt die Oskol Steel Works, Ural Steel und
andere Industrien. Bis zum letztem Jahr gehörte ihnen auch die
Round-Bank (zuvor Ferrobank), die sie verkauft haben an ihren Freund
Leon Semenenko und der wiederum die Hessen Holding Ltd. und die Nenburg
Finance Ltd. gehören, ansässig auf Cypern, beide Letztgenannten halten
50 % der Anteile an der SibConsultGroup Ltd., dem einzigen Eigentümer
der Round-Bank. 2012 gründete Usmanov, einer der reichsten Männer der
Welt, die USM Holdings, womit zahlreiche Investitionen in
unterschiedliche Telekommunikationsgesellschaften zusammengeführt
wurden, solche wie Garsdale, die wiederum 50 % der MegaFon kontrolliert,
MegaFon ist der zweitgrößte Handynetz-Anbieter in Russland, und MegaFon
besitzt 100 % der Aktioen der Scartel/Yota AG, ein 4 G Provider, 50 %
von Euroset, dem größten Handy-Einzelhändler in Russland. Alle diese
Gruppen haben Interessen an und Leute in der Round-Bank.
Der Oligarch Prokhorov besitzt eine Vielzahl von Gesellschaften. Wir
wollen einige von ihnen aufzählen: Onexim Holding Ltd (Sitz auf Zypern),
die die Gruppe OptoGaN besitzt, Hersteller von lichtstarken LED-Lampen.
Prokhorov besitzt außerdem die Opin und die Quadra Power Generation,
führend in dem russischen Energiesektor, sowie die Renaissance Credit
Bank und ddie größte Investment-Bankgruppe in Russland, Renaissance
Capital. Zudem besitzt er Anteile an Rusal.
Der Oligarch Vladimir Yevtushenko, einer der reichsten Männer
Russlands, hält 64,2% an der AFK-Systems AG, die die MTS-Bank besitzt,
welche wiederum die RTI-Gruppe direkt kontrolliert, die größte
Industrie-Holding in Russland, der vor allem Konzerne der
Hochtechnologie und der Microelektronik gehören. Außerdem besitzt die
MTS-Bank 89% der Anteile von Bashneft, einer der größten russischen
Ölgesellschaften und 92 % von Bashkiria, einem Elektrizitätskonzern.
Der Oligarch Oleg Deripaska besitzt die Investment-Gruppe Basic
Element, die aufgeteilt ist in unterschiedliche Sektoren: Energie,
Industrie, Luftfahrt, Landwirtschaft, Textil, Netzwerkbetreibung und
Finanz-Service. Er besitzt eine der größten Versicherungsgruppen
Ingosstrakh, die Großbank Soyuz, den privaten Pensionsfonds Socium,
außerdem Basic Element und Element Leasing, eine der größten
Leasing-Gesellschaften in Russland. Und ihm gehört die GAZ-Group,
russischer Marktführer für Nutzfahrzeuge, Busse, elektrische Lokomotiven
und Komponenten.
Der „Wodka-König“ Roustam besitzt die Russian Standard Bank, eine der
größten russischen Banken, die Versicherungsgruppe Russian Standard
Insurance und natürlich Russian Standard Vodka, die wichtigste
Wodka-Brennerei in Russland.
Der Oligarch Agalarow besitzt die Crocus-Gruppe, eine der führenden
Immobilien-Firmen Russlands mit Dutzenden von Konstruktionsfirmen und
Logistik-Gesellschaften – und die Crocus-Bank.
Der Oligarch Dimitry Pumpyanskiy besitzt 98 % der SKB-Bank und 71,1 % von TMK Steel.
Der Oligarch Anatoly Sedykh besitzt 80 % der United Metallurgical
Company, einem der größten russischen Hersteller von Rohren, Pipelines,
Schienen und anderen Stahlprodukten für den Energiesektor, das
Transportwesen und die Industrie – außedem 60 % des Kapitals der
Metallinvest-Bank.
Der Konzern Rosneft besitzt die Russian Regional Development Bank,
die MDM-Bank, eine der größten Privatbanken Russlands, besitzt die
Siberian Coal Energy Company, den größten Kohleproduzenten Russlands
einen der größten Exporteure. Die Syberian Coal Energy Company
ihrerseits hält Anteile an der MDM-Bank und an mehreren großen
internationalen Finanzinstitutionen wie z.B. der International Finance
Corporation, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
ebenso wie an einer der größten Investment-Gesellschaften Russlands, der
Troika Capital Partners.
Die Guta Group ist eine der größten Industrie- und
Investment-Gesellschaften, sie besitzt die United Confectioners Holding
Company, Marktführer und Besitzer der meisten Marken (etwa 1700) im
Textilsektor. Die Holding besitzt darüber hinaus die
Guta-Versicherungsgesellschaft und die Guta-Bank, eine der Top-20-Banken
in Russland, sowie Hotels, Krankenhäuser und Privatkliniken.
Die Don Invest Holding führt die Comercial Bank Doninvest und besitzt
Gesellschaften im den Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion,
des Maschinenbaus und der Automobilproduktion (PKW und Bus).
Die meisten Oligarchen haben Sitze in der Duma, direkte Beziehungen
zu Staatsfunktionären und zu den politischen Parteien der russischen
Bourgeoisie. Es gibt in Russland eine Finanzoligarchie, aber sie hat
nicht immer identische Interessen. Es gibt Teile der Großbourgeoisie,
die eine eigenständige Entwicklung Russlands befürworten, und es gibt
Teile derselben, die eine größere Verbundenheit mit dem „Westen“
wünschen. Diese fordern eine größere Liberalisierung und weitere
Privatisierungen von Staatsunternehmen. Diese haben über die Jahre
mehrfach versucht, eine so genannte „bunte“ Revolution in Russland
hervorzurufen.
Wir haben den Kapitalexport Russlands betrachtet. Das andauernde
Wachstum der nationalen Ökonomie und die Stärkung der nationalen
Unternehmen hat zu einer schnelle Steigerung der Investitionen geführt,
die Russland inzwischen zu einem der führenden internationalen
Investoren gemacht hat. Durch die Gründung neuer Unternehmen im Ausland
bzw. den Aufkauf dort ansässiger Unternehmen hat das russische
Großkapital Zugang gewonnen zu neuen Ressourcen, Technologien und
Märkten. Diese Expansion stärkt Russlands geopolitischen Einfluss und
seine Position in der globalen Ökonomie.
Russische Kapitalgesellschaften beschäftigen mehr als 150.000
Arbeiter im Ausland, mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2000. Im
Resultat hat die Expansion der größten russischen Konzerne sie zu so
genannten globalen Multis werden lassen.
Die Führungsposition, was die Auslandsvermögen angeht, haben die Öl-,
Gas- und Stahlkonzerne inne: Lukoil, Gazprom, Severstal und Rusal, mit
einer Gesamtsumme von mehr als 50 Milliarden Dollar an
Auslandsinvestitionen. 2012 haben russische Unternehmen insgesamt mehr
als 139 Milliarden Dollar für den Erwerb ausländischer
Aktiengesellschaften investiert (incl. der Übernahme von BP durch
Rosneft für 56 Milliarden Dollar). Viele dieser Investitionen bezogen
sich auf die Haupttätigkeit der russischen Konzerne, so dass man sagen
kann, dass die russische ökonomische Expansion sich eher auf die
Kerngeschäfte bezieht denn auf eine mögliche Diversifikation.
Die Zunahme der finanziellen Kapazitäten der führenden russischen
Banken machte es möglich, dass sie in ihre eigene internationale Präsenz
in der Weise investiert haben, dass sie ein einerseits existierende
ausländische Bankgesellschaften übernommen und andererseits eigene
Tochtergesellschaften im Ausland gegründet haben. So hat die VTB-Bank
Zweigstellen in der Ukraine, in Weißrussland, in Armenien und Georgien
eröffnet und dafür 400 Millionen Dollar investiert, während sie ihre
Beteiligungen an westeuropäischen Banken weiter konsolidierte und
zusätzlich Zweigstellen in Indien, China, Vietnam und Angola eröffnete.
Die VTB-Bank ist inzwischen in der Lage, russische Konzerne in über 15
Ländern der GUS, Westeuropas, Asiens und Afrikas zu unterstützen, und
sie plant, bis 2020 die größte und einzige globale Finanzinstitution der
Nach-Sowjet-Ära in Russland zu werden.
Dieser – unvollständige – Blick auf die ökonomischen Verflechtungen
in der russischen Ökonomie zeigt eindeutig, dass die Verschmelzung des
Bankkapitals mit dem Industriekapital ist nicht zu leugnen ist. In
Russland hat sich der Kapitalismus mit der Übernahme der Großbetriebe,
wie sie in der Sowjetunion entstanden sind, unmittelbar zum
Monopolkapitalismus entwickelt. Und der Kapitalexport steigt rapide an.
Wir können an dieser Stelle feststellen, dass der Kapitalismus in
Russland fest etabliert ist, dass das Bankkapital mit dem industriellen
Kapital verschmolzen ist, dass die großen Monopole eine fundamentale
Rolle in der Wirtschaft spielen, dass Russland also ein
imperialistisches Land ist, wenn auch nicht an der Spitze der
imperialistischen Pyramide stehend.
Es geht nicht darum, für oder gegen Russland, für oder gegen Putin zu
sein, sondern um eine wissenschaftliche Analyse des tatsächlichen
Charakters eines jeden Landes, ohne Mystifizierungen und
Idealisierungen, die danach streben, die Analyse des einen oder anderen
Landes von seiner ökonomischen Basis zu trennen.
Wichtig ist aber, dass das heutige Russland – in völliger Abkehr vom
Sozialismus und weit davon entfernt, irgendein „Modell“ zu sein, welches
man übernehmen könnte – interessante Szenarien auf der internationalen
Ebene eröffnet: die Konfrontation mit den USA, dem zur Zeit stärksten
Imperialismus auf globalem Niveau, und die Annäherung an andere,
aufstrebende Kräfte wie China, Brasilien, Indien und Südafrika (die so
genannten BRICS-Staaten). Das führt zu großen Verwerfungen in der
bisherigen politischen und ökonomischen Weltsituation. Deshalb kann man
heute sagen, dass Russland, genauso wie China, die Hauptfeinde der
unipolaren Weltvorstellung der Yankees ist, die sich seit 1989
manifestiert hat in den barbarischen Kriegen im früheren Jugoslawien, im
Irak, in Afghanistan, in Libyen, in Syrien usw.
Wie ist diese Situation entstanden? Sie resultiert zunächst einmal
aus der ungleichen Entwicklung des Kapitalismus, zudem aus der Krise
2008, die schwere Auswirkungen auf die imperialistischen Zentren, also
die USA, EU und Japan hatte, während die neu gruppierten BRICS-Staaten
ein rapides Wachstum erlebten, auch wenn es da große Unterschiede
zwischen ihnen gab. Das hat dazu geführt, dass sie jetzt eine neue
internationale Bank gegründet haben, eine Alternative zum
Internationalen Währungsfonds und zur Weltbank, wodurch Bretton Woods
nach 70 Jahren gekippt wurde.
Wir Kommunisten können die mit den BRIS-Staaten in den letzten Jahren
entstandene neue Situation mit einer neuen internationalen
Arbeitsteilung, mit internationalen Konzernen, die in einigen dieser
Ländern entstanden sind, mit den Abhängigkeiten und manchmal auch
Unabhängigkeiten dieser Länder von anderen nicht beschreiben als eine
Situation von „zwei Welten“, die sich nun gegenüber ständen, sondern wir
müssen sie beschreiben als eine Situation, in der alte und neue
monopolkapitalistische Mächte sich den Platz an der Spitze der
imperialistischen Pyramide streitig machen.
Um zu wiederholen, was wir oben schon ausgeführt haben: die ungleiche
Entwicklung des Kapitalismus und damit auch der imperialistischen
Zentren, die interne Dynamik des Kapitalismus führt zur Zeit zu einer
Verlangsamung der Entwicklung in denjenigen imperialistischen Ländern,
die unter der Krise von 2008 und der allgemeinen Krise des Kapitalismus
besonders leiden. Die Geburt der BRICS-Bank kann nur verstanden werden
im Zusammenhang mit den dynamischen Veränderungen im weltweiten
Rohstoffhandel, dem Preisverfall der Rohstoffe, der Erosion der
Großinvestitionen der imperialistischen Zentren in diesen Ländern und in
deren Entwicklung, was für die schwächeren Länder unmittelbar bedeutet,
in Schulden unterzugehen oder sich zu emanzipieren von der wirtschafts-
und finanzpolitischen Kontrolle durch die USA mittels Internationalem
Währungsfonds und Weltbank. Stattdessen versuchen sie, neue politische
und ökonomische Strategien zu entwickeln, um die Verluste, die sie u.a.
auf dem europäischen Markt hinnehmen müssen, auszugleichen und die
gegenseitige Zusammenarbeit zu stärken, ihre jeweiligen Märkte zu
entwickeln und ein größeres Gewicht im internationalen Rahmen zu
erreichen.
Die UNCTAD
4-Daten für die Jahre von 2000 bis 2012 zeigen, dass der Zustrom von FDI
5 (ein
sehr wichtiges Kriterium für die Internationalisierung der Produktion)
in die BRICS-Staaten sich mehr als verdreifacht hat und nach der Krise
2008 im Jahr 2012 knapp 20 % der weltweiten Auslands-Investitionen
ausmachte – verglichen mit 6 % im Jahr 2000. Gleichzeitig sind die
BRICS-Staaten auch wichtige Investoren geworden, ihre direkten
Auslandsinvestitionen entwickelten sich von 7 Milliarden Dollar im Jahr
2000 zu 126 Milliarden Dollar im Jahr 2012, das sind 9 % des weltweiten
Volumens. Vor zehn Jahren waren es nur 1,1 % gewesen.
China ist der größte Auslands-Investor der BRICS-Staaten und der
drittgrößte weltweit, und 46 % der Auslandsinvestitionen, die in den
BRICS-Staaten getätigt wurden, gingen nach China, gefolgt von Brasilien
(25 %), Russland (17 %) und Indien (10 %). Der größte Teil der
Auslandsinvestitionen der BRICS-Staaten ging in entwickelte Ökonomien,
vor allem in die EU (34 %). Ein weiterer wichtiger Empfänger der
Auslandsinvestitionen der BRICS-Staaten ist Afrika.
Die Expansion der russischen multinationalen Konzerne nach Afrika
steigt rapide. Russland ist der größte Produzent von Aluminium weltweit
und ist wegen der Rohstoffe präsent in Angola, Guinea, Nigeria und
Südafrika, ebenso expandieren Banken nach Afrika wir die Vneshtorgbank,
die in Angola, Namibia und der Elfenbeinküste Stützpunkte eröffnete,
während Renaissance Capital 25 % der Eco-Bank hält, der größten Bank
Nigerias.
Diese Entwicklung wird charakteristisch sein für die nächsten Jahre (mit der BRICS-Bank).
Diese Ereignisse sind in der Hinsicht positiv zu bewerten, als sie
die weltpolitisch dominierende Stellung der USA schwächen und damit neue
Möglichkeiten der Diplomatie und auch der diplomatischen Konfrontation
schaffen, die sehr nützlich sein können. Zum Beispiel verhinderte die
russische und chinesische Opposition gehen eine UN-„Friedensmission“ in
Syrien die Wiederholung eines Szenarios, wie es ein paar Jahre vorher in
Libyen stattfand. Das ermöglichte der syrischen Regierung, gegen die
islamistischen Söldnern, die von den USA und anderen imperialistischen
Mächten unterstützt wurden, wichtige Erfolge zu erzielen.
Das sind Indikatoren für einen Wandel im internationalen
Kräfteverhältnis. Aber es sind keine Indikatoren für Hoffnungen auf
einen neuen Anlauf zum Sozialismus.