Samstag, 19. August 2017

Zum 800. Jubiläum der Partnerstadt Lwówek Slaski/Löwenberg in Schlesien


Einblicke in die schlesische Kirchengeschichte
Als im 13. Jahrhundert auf Einladung des slawischen Herzogs Henryk I. und seiner später heiliggesprochenen Gemahlin Hedwig ungezählte Siedler friedvoll auf der via regia gen Osten zogen, nahmen sie ihre Lebensweise mit: Sitten und Lieder, Feld- und Viehwirtschaft, Handwerkskunst und Baustile, Maße, tiefe Religiosität.
Damals entstanden etwa 200 Städte und mehr als 1000 Dörfer. Zugleich wurden massive Kirchenbauten errichtet, denn die Neuschlesier waren aufrichtige Christen, die das Bibelwort aus dem Munde des Predigers würdevoll hören wollten.
Bald - Schlesien war inzwischen böhmisches Kronland geworden - brachten fahrende Händler die Kunde aus Prag mit, dass dortiger Kirchenmann und Rektor Jan Hus tiefgreifende Veränderungen des geistlichen Lebens forderte und, weil er seine Reformgedanken nicht zurücknahm, am 6. Juli 1415 auf dem Konzil in Konstanz als Ketzer verbrannt wurde. Schlesische Bürgermeister, Ratsleute, Schulmeister, auch Bischöfe und Fürsten billigten dies nicht, denn das Papsttum war auch ihnen zuwider.
Erst Recht wandten sie sich nun der Lehre des tschechischen Märtyrers zu. 102 Jahre nach Hus‘ schmachvollem Tod löste der kühne Theologie-Professor Martin Luther mit 99 Thesen gegen den Ablasshandel eine verstärkte Reformbewegung aus, die nahezu jeden Lebensbereich erfasste. Seinerzeit studierten schlesische Männer, darunter einige Löwenberger, denen Jan Hus‘ Bestreben bereits zugänglich war, an der Universität zu Wittenberg und nahmen das Aufbegehren Martin Luthers, Philipp Melanchthons, Johannes Bugenhagens und anderer Reformatoren unmittelbar auf.
Von Breslau ausgehend, wo die Humanisten Johann Hess und Ambrosius Moibanus bereits 1520 das Gotteswort im lutherschen Sinn predigten, wurde Schlesien alsbald ein evangelisches Land. Kaum anderswo vollzog sich dieser Prozess so rasant wie dort - jedoch nur bis zum Jahr 1526, da Schlesien nun den Habsburgern gehörte! Sofort wurden die auch das Schulwesen betreffenden Wandlungen nicht nur unterbunden, sondern es setzte Gegenreformation mit drastischen Unterdrückungen ein: 650 evangelische Kirchen wurden beschlagnahmt und katholisch umgewidmet, in Löwenberg die Kirche Mariä Himmelfahrt; Pfarrer wurden verjagt oder getötet; tausende evangelische Christen flohen, weil sie sich nicht bekehren ließen. Somit war es den Protestanten verwehrt, ihren Glauben im eigenen Land zu leben.
Darum gingen viele sonntags über den Grenzfluss Queis oder zu anderen Stellen, um dort ihre Gottesdienste in sogenannten Grenz- oder Zufluchtskirchen zu feiern; entlassene Pfarrer predigten im Löwenberger Hag (Wald) und anderswo („Buschprediger“).
Mit dem Westfälischen Frieden 1648 nach dem Dreißigjährigen Krieg - ein abscheulicher Glaubenskrieg - wurden drei schlesischen Erbfürstentümern neue Gotteshäuser zugestanden, dennoch diskriminierend, denn es war außerhalb der Stadtmauern binnen eines Jahres und ohne Steine zu bauen, Sitzplätze und Glockenturm waren nicht erlaubt. 61 Jahre später rang der Schwedenkönig den Österreichern die „Gnade“ für den Bau sechs massiver Kirchenbauten ab, Gnadenkirchen genannt.
Als 1742 der tolerante Preußenkönig Friedrich II., kaum den Thron bestiegen, Schlesien der Erzherzogin Maria Theresia entrissen hatte, war für ihn vorrangig, den Schlesiern die Glaubensfreiheit zurückzugeben und weit über 200 „Conceßionen“ zum Errichten einfacher Bethäuser (siehe Kupferstich des Friedrich Bernhard Werner um 1751) zu erteilen, die bald stabilen Gotteshäusern wichen. Nur in Schlesien hat es dieses widersprüchliche Thema gegeben - für das Schlesische Museum Görlitz Grund genug, jenes einzigartige evangelische Leben mittels einer Wanderausstellung zu dokumentieren, die am 23. November 2017 im Sächsischen Landtag Dresden eröffnet wird.
Werner Guder, Vorstandsmitglied des Städtepartnerschaftsvereins Heidenau e. V.
Tel. 0351 2815616; E-Mail: werner.guder@gmx.de

Artikel veröffentlicht am 18.08.2017 von Heidenauer Journal - Amtsblatt und Stadtzeitung der Stadt Heidenau 33/17

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