Dienstag, 6. Oktober 2015
Snowden über Urteil zu US-Datentransfer: »Danke, Europa!«
EuGH verkündet wegweisende Entscheidung: Save Harbour-Regelung ungültig / Facebook fordert verlässliche Regeln für Datentransfer / Piraten fordern Stopp des EU-US-Datenabkommens
Der Facebook-Kritiker Max Schrems, dessen Vorgehen gegen das weltgrößte Online-Netzwerk das Urteil auslöste, habe »die Welt zum Besseren verändert«, schrieb der Whistleblower.
Snowden hatte mit seinen seit 2013 andauernden Enthüllungen zur Internet-Überwachung letztlich die Basis für die Entscheidung des EuGH gelegt.
Update 13.40 Uhr: Von »Paukenschlag« bis »Meilenstein« - Reaktionen auf EuGH-Urteil
Von Datenschützern wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur »Safe Harbor«-Datentransferregelung mit den USA positiv aufgenommen. Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar schätzt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum »Safe-Harbor«-Abkommen als Sieg für den Datenschutz ein. »In der Wirkung ist das Urteil vergleichbar mit dem historischen Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983, mit dem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung festgelegt wurde«, sagte Schaar dem Redaktions-Netzwerk Deutschland. Der Richterspruch werde die Internetbranche nachhaltig verändern.
Die ehemalige Bundesjustizministerin (FDP) bezeichnete die Gerichtsentscheidung als »Paukenschlag für das Recht auf Datenschutz«. Der Europäische Gerichtshof zeige sich als einziger echter Hüter der Grundrechte in Europa, während die deutsche und europäische Politik in Sachen Datenschutz Däumchen drehten. »Die EU muss endlich mit Druck gegenüber den USA verhandeln, damit zumindest in Europa die lückenlose Überwachung und Ausschnüffelei durch die USA beendet wird.«
Folgen für die TTIP-Verhandlungen im Bereich des Datenschutzes sieht der Bundesverband der Verbraucherzentrale. Die Europäische Kommission dürfe nun bei den laufenden Neuverhandlungen von »Safe Harbor« nicht nur Löcher in der brüchigen Hafenmauer stopfen. Das Abkommen sei an vielen Stellen mangelhaft und müsse komplett neu aufgelegt werden. »Die Richter in Brüssel setzen mit dem Urteil auch Maßstäbe für die weiteren TTIP-Verhandlungen«, sagate vzbv-Vorstand Klaus Müller.
Update 13.15 Uhr: Piraten fordern Stopp des geplanten EU-US-Datenabkommens
Der Themenbeauftragte für Datenschutz der Piratenpartei Patrick Breyer fordert nach der Aufhebung des Safe Harbour-Abkommens, nun auch das geplante EU-US-Datenabkommen zu stoppen. »So wie der ›sichere Hafen‹ die EU-Datenschutzlüge im Interesse von Konzernlobbyisten war, ist das geplante EU-US-Datenabkommen ein Trojanisches Pferd der Überwachungsbehörden«, kommentierte Beyer das Urteil am Dienstag.
Update 12.20 Uhr: Facebook sieht nach Urteil EU und USA in der Pflicht
Das soziale Netzwerk Facebook verlangt nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Datentransfers in die USA verlässliche Regeln für solche Übermittlungen. Es sei »zwingend erforderlich«, dass die EU und die USA »weiterhin verlässliche Methoden für rechtskonforme Datentransfers zur Verfügung stellen«, erklärte eine Sprecherin von Facebook in Europa auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. Das Unternehmen stütze sich ebenso wie »viele tausend europäische Firmen« auf diverse EU-Vorschriften zu diesem Thema. Die Sprecherin erklärte, es gehe in dem Fall »nicht um Facebook«.
Update 12.15 Uhr: Justizminister will schnelle Gespräche mit USA über Datenschutz
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Übermittlung von Facebook-Nutzerdaten in die USA ist für Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ein »starkes Signal für den Grundrechtsschutz in Europa«. Die Daten europäischer Verbraucher müssten »auch in den USA effektiv geschützt werden«, erklärte Maas am Dienstag in Berlin. Über die Folgen der EuGH-Entscheidung müsse »unverzüglich« mit Washington gesprochen werden. »Das Urteil ist ein Auftrag an die europäische Kommission, auch international für unsere Datenschutzstandards zu kämpfen.«
Zugleich verlangte Maas, die Gespräche zwischen EU-Mitgliedstaaten, EU-Kommission und Europaparlament über die geplante neue Datenschutz-Grundverordnung »zügig« abzuschließen. Das Regelwerk werde dazu führen, dass viele US-Unternehmen sich künftig ans europäische Datenschutzrecht halten müssen. »Wer in der EU Waren oder Dienstleistungen anbietet, muss danach auch EU-Datenschutzrecht beachten - und zwar unabhängig davon, wo der Server steht.«
Update 11.00 Uhr: Juristen diskutieren über rechtliche Folgen des Urteils
Welche rechtlichen Folgen das Datenschutz-Urteil des Europäischen Gerichtshofs tatsächlich hat, ist unter Juristen zunächst umstritten. Jörg Heidrich, Fachanwalt für IT-Recht, legt in einem Artikel auf dem Internet-Portal heise.de rechtliche Alternativen für den Datentransfer zu US-Firmen dar. Demnach arbeiten EU-Kommission und US-Regierung bereits an einem neuen Datenschutzabkommen.
Bis dahin sei auch die Verwendung der EU-Standardvertragsklauseln für US-Unternehmen möglich. Darin werde die Übermittlung von personenbezogenen Daten in Drittländer festgelegt, welche die Einhaltung eines angemessenen Datenschutzniveaus sicherstellen sollen. Für internationale Konzerne bestehe zudem die Möglichkeit der Schaffung von verbindliche Konzernregelung zum Datenschutz (»Binding Corporate Rules«). Ob eine dieser Alternativen für Facebook gangbar wäre, ist jedoch umstritten.
Update 10.35 Uhr: Kläger spricht von Meilenstein im online-Datenschutz
Der österreichische Kläger gegen Facebook, Max Schrems, begrüßte das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in einer ersten Erklärung als »Meileinstein im online-Datenschutz«. Der Europäische Gerichtshof stelle damit klar, dass Massenüberwachung die Grundrechte verletze und das Recht auf Datenschutz sowohl von Regierungen, als auch von Unternehmen eingehalten werden müsse. Diese Entscheidung sei außerdem ein »harter Gegenwind« für globale US-Überwachung, die stark auf die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen setze.
Matthias Höhn
Update 10.15 Uhr: LINKE begrüßt Urteil
Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn begrüßte das Urteil, warnte aber vor falschen Vorstellungen. »Wir sollten aber nicht so tun, als sei in Europa bzw. Deutschland alles gut mit dem Datenschutz«, erklärte er im Kurznachrichtendienst Twitter. Dort kommentierte der Grünen-Politiker Volker Beck die Entscheidung mit den Worten: »Ein guter Tag für die Sicherheit unserer Daten.«
Irland darf Datentransfer von Facebook in USA verbieten
Luxemburg. Die Daten europäischer Internet-Nutzer sind in den USA nicht ausreichend vor dem Zugriff der Behörden geschützt. Das hat der Europäische Gerichtshof am Dienstag geurteilt (hier das gesamte Urteil zum nachlesen). Deshalb wurde die Vereinbarung zur einfachen Datenübermittlung in die USA (»Safe Harbor«) für ungültig erklärt. Die Entscheidung der EU-Kommission dazu im Jahr 2000 beruhte auf der Annahme, dass die USA ein angemessenes Schutzniveau von übermittelten personenbezogenen Daten gewährleisten. Nach den Enthüllungen des Informanten Edward Snowden zur Internet-Überwachung sehen die Europäer das inzwischen anders.
Die Entscheidung des Gerichts hat weitreichende Bedeutung für amerikanische Internet-Konzerne, für die es nun schwieriger werden, Daten von Europäern in die USA zu übertragen. Nach Ansicht des Gerichts können Betroffene die nationalen Gerichte anrufen und nationale Datenschutzbehörde können prüfen, ob die Daten einer Person entsprechend geschützt sind.
Vor allem dürfte das Urteil kleinere Unternehmen treffen, die sich bisher komplett auf »Safe Harbor« verließen. Schwergewichte wie Facebook oder Google mit ihren großen Rechtsabteilungen können leichter die nötigen Verträge zur Datenübermittlung ohne »Safe Harbor« ausarbeiten.
Der Generalanwalt beim EuGH, Yves Bot, hatte bereits im September erklärt, was für Datenschutzaktivisten längst selbstverständlich ist: Gemessen an europäischen Standards kann das Speichern von Daten in den USA nicht als sicher gelten. Oder etwas kryptischer: Server in den Vereinigten Staaten sind kein »Safe Harbour« (sicherer Hafen) für die Daten von EU-Bürgern.
Der österreichische Facebook-Kritiker Max Schrems hatte das Verfahren ausgelöst. Er klagte gegen das weltgrößte Online-Netzwerk, weil seiner Ansicht nach seine Facebook-Daten in den USA nicht vor staatlicher Überwachung etwa durch die Geheimdienste geschützt sind. Das Urteil ermöglicht nun, dass der irische Datenschutzbeauftragte den Datentransfer verbieten darf. Agenturen/nd
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