„Diese Arbeit wurde nicht nur von Kurden erledigt, sondern meistens von Gendarmen die die Trupps der Deportierten begleiteten, oder von bewaffeneten Kompanien der sogenannten Tchetes. Das sind ehemalige Sträflinge die aus keinem anderen Grund freigelassen wurden, ausser um Armenier zu ermorden”
Armenischer Augenzeuge:
„Kurden und Banditen griffen uns an, plünderten uns aus und entführten Mädchen und junge Frauen”
Tacy Atkinson, amerikanische Missionsschwester in Harput, 1902 – 1917
„Tatsache ist, die Männer wurden umgebracht, die Mädchen in Harems und in Haushalten geschleppt, die Frauen wurden ausgeraubt und hilflos zurückgelassen. Sie wussten nicht was noch kommt”
Martin Niepage, Lehrer an der deutschen Schule in Aleppo, 1913-1916
„Viel entsetzlichere Dinge erzählten die Ingenieure der Baghdad-Bahn nachdem sie nach Hause zurückgekehrten. Sie berichteten dass am Bahndam bei Tel Abbait und Rasulain, geschändete Frauenleichen massenhaft herumlagen. Viele von ihnen hatte man Knüppel in den After hinein getrieben”
„Der deutsche Konsul aus Mosul, Herr Holstein berichtete, er habe auf manchen Stücken des Weges, von Mosul nach Allepo, soviele abgehackte Kinderhände liegen sehen, dass man hätte damit den ganze Weg pflastern können”
Henry Morgenthau Amerikanischer Botschafter in Konstantinopel, 1913-1916
„Eines Tages trat Talat Pascha (Großwesir des osmanischen Reiches, gehörte zu den Jungtürken/Red. K-online) mit einem Anliegen an mich heran, der vielleicht das erstaunlichste war was ich jemals gehört hatte. Die Versicherungesfirmen New York Insurance und Equity Life New York hatten jahrelang gute Geschäfte mit den Armeniern gemacht. Ich wünschte mir sagte Talat Pascha, sie könnten diese Versicherungsfirmen dazu bringen uns eine komplette Liste der armenischen Versicherungsnehmer zu schicken. Sie sind jetzt praktisch alle tot und haben keine Nachkommen die das Geld bekommen könnten. Anspruchsberechtigt sind jetzt wir, die Regierung (türkische), Tun Sie das?”
Der von der Untätigkeit und Wortbrüchigkeit der westlichen Diplomatie zutiefst frustrierte F. Nansen schrieb Mitte der 1920er Jahre nach dem Scheitern seines „Marshallplans“ zur Rettung der überlebenden Armenier:
„Europas Völker und Staatsmänner sind der ewigen armenischen Frage müde. Selbstverständlich. Sie haben sich ja in dieser Frage nur Schlappen geholt. Schon der Name Armenien weckt in ihrem schlummernden Gewissen die Erinnerung an eine unheimliche Kette gebrochener oder unerfüllter Gelöbnisse, für deren Innehaltung sie niemals einen Finger gekrümmt haben. Ging es doch nur um jenes kleine, blutende, aber begabte Volk ohne Ölfelder und ohne Goldminen! Wehe dem armenischen Volk, dass es in die europäische Politik verwickelt wurde! Ihm wäre besser, wenn sein Name nie im Munde eines europäischen Diplomaten gewesen wäre. Aber das armenische Volk hat nie die Hoffnung aufgegeben. In steter, zäher Arbeit hat es gewartet lange gewartet. – Es wartet bis auf diesen Tag.“
(Quelle: (Fridtjof Nansen: Betrogenes Volk: Eine Studienreise durch Georgien und Armenien als Oberkommissar des Völkerbundes. Leipzig 1928, S. 334)
Die Zahl der Toten ist heute nur schwer zu ermitteln, die Angaben schwanken zwischen 800.000 und 1,5 Millionen.
Bei Tibini stieß er auf ein Massengrab: „Viele gebleichte Menschenknochen, namentlich Schädel, Kinderschädel, Schädel mit schwarzem Frauenhaar, Locken, ziemlich alle Brustrippen gebogen wie Spangen, Leichengeruch.“
Tatsächlich fanden die Deportationen jedoch in sämtlichen von Armeniern besiedelten Provinzen statt und nicht nur in Frontnähe. Und Kämpfe mit Armeniern wie etwa in Van im Frühjahr 1915 hatte es zwar gegeben, doch stellten diese Erhebungen bereits eine Reaktion auf die Repressionen dar – nicht umgekehrt. Auch der Vorwurf der Kollaboration entbehrte jeder Grundlage, denn das russisch-armenische Verhältnis war selbst angespannt, und es dienten wesentlich mehr Armenier in der osmanischen Armee als unter der Fahne des Zaren.
Denn anders als damals war es 1915 das Ziel der jungtürkischen Bewegung, das schrumpfende Osmanische Reich ethnisch-religiös zu homogenisieren. Ende 1908 hatten sich die Jungtürken an die Macht geputscht. Und anfangs unterstützten auch die christlichen Armenier deren konstitutionelle Modernisierungsbewegung. Doch nach und nach gewannen türkisch-nationalistische Ideen die Oberhand.
„Ich habe keinesfalls über die schlimmsten Details berichtet“, notierte etwa der amerikanische Botschafter Henry Morgenthau in sein Kriegstagebuch, „denn die ganzen Geschichten der sadistischen Orgien, deren Opfer diese armenischen Männer und Frauen wurden, können niemals in einer amerikanischen Publikation veröffentlicht werden.“
Ein Arzt bestätigte die Deportation von 20.000 Armeniern aus der Stadt und gab einen Bericht türkischer Soldaten von der Ermordung 3.000 armenischer Zivilisten wieder: „Man habe in der Schlucht einen Trupp armenischer Frauen und Kinder umstellt, und auf Befehl sei alles niedergemacht worden. Es habe ihnen leid getan, auf die hübschen, jungen Frauen zu schießen, aber es sei so befohlen gewesen. Viele Frauen hätten ihre Kinder in den Fluss geworfen, andere Kinder hätten die Türken mitgenommen, um sie im Islam zu erziehen.“ Im Berliner Prozess 1921 gaben Krankenschwestern aus der Region ihre Beobachtungen mit den Worten zu Protokoll, es sei „der reine Sklavenmarkt“ gewesen, „nur daß nichts gezahlt wurde“.
Der deutsche Theologe Johannes Lepsius, der bereits 1896 über Massaker an den Armeniern geschrieben hatte, zitierte als Sachverständiger vor Gericht in Berlin einen Erlass Talât Paschas: „Das Verschickungsziel ist das Nichts.“
Der armenische Bischof Krikor Balakian einen Hauptmann der türkischen Gendarmerie. Dieser habe ihm gesagt, „wenn wir nur Männer totschlagen und nicht auch Frauen und Mädchen, dann gibt es nach 50 Jahren wieder ein paar Millionen Armenier. Wir müssen also auch Frauen und Mädchen totschlagen, damit für immer keine inneren und äußeren Unruhen kommen können.“
Auch von deutscher Seite wurde schärfster Protest formuliert. Der Vizekonsul Walter Holstein etwa notierte fassungslos, dass in Diyarbakır die Gendarmerie alle Christen abschlachte. Konsulatsbeamte waren sich einig, dass das „Endziel“ des türkischen Vorgehens gegen die Armenier „die gänzliche Ausrottung“ sei.
http://www.zeit.de/2015/16/voelkermord-armenier-osmanisches-reich-deutsches-kaiserreich vom DIE ZEIT Nr. 16/2015, 16. April 2015
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