Dienstag, 20. Oktober 2015
Hartz IV: Verpflegung nicht anrechenbar
Wird eine Verpflegung beim Arbeitgeber gestellt, darf das Jobcenter nicht immer den Regelsatz kürzen
18.10.2015
Wer während seiner Arbeitszeit durch den Arbeitgeber eine Verpflegung gestellt bekommt, muss damit rechnen, dass diese an laufende Hartz IV-Leistungen angerechnet wird. Doch das Sozialgericht Berlin schob hier einen Riegel vor. Es kommt auf den Einzelfall an. (AZ: S 175 AS 15482/14)
"Nach dem Leistungssystem des SGB II ist eine individuelle Bedarfsermittlung bzw. abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung gesetzlich nicht vorgesehen. Dies gilt sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des Grundsicherungsempfängers. Bei der Gewährung von Essen handelt es sich um einen Grundbedarf, der von der Regelleistung des § 20 Abs 1 SGB II gedeckt werden soll." So hatte das Bundessozialgericht zum Thema Klinikaufenthalte und Arbeitslosengeld II Bezug geurteilt.
Der Gesetzgeber hatte vorgesehen, dass die Regelleistungen pauschal den Grundbedarf decken soll. Das bedeutet, dass Leistungsberechtigte die Sozialleistungen nicht wie bemessen genau für alle Bereiche ausgeben müssen, sondern die Möglichkeit haben, individuell hier mal mehr und da mal weniger Geld für Kultur, Essen oder Freizeit auszugeben. Das bedeutet, Hartz IV Beziehende haben sehr wohl die Möglichkeit, durch Minderkosten, einen anderen Bereich auszugleichen.
Eben jene Tatsache versuchen Jobcenter regelmäßig anzugreifen. Sie kürzten, wenn beispielsweise ein Leistungsbezieher im Krankenhaus verpflegt wurde. Merkwürdigerweise wurden Verpflegungsbedarfe angerechnet, aber Mehrbedarfe für Kleidung nicht. Diese rechtswidrige Praxis wurde Seitens des Bundessozialgerichts beendet. Statt dieses Grundsatzurteil ernst zu nehmen, kürzten die Jobcenter in ähnlich gelagerten Fällen einfach weiter, obwohl das BSG auch hier zu Geltung kommen könnte. Schließlich bekommen die Sachbearbeiter Druck, Kürzungsmöglichkeiten massiv auszuloten.
So erging es auch einer aufstockenden Fleischwarenverkäuferin. Diese dürfte Wurst- und Schinkenwaren im Wert zwischen 35 und 50 Euro gesponsert durch den Arbeitgeber monatlich in den Pausen verzehren. Hier schritt das Jobcenter sofort ein und kürzte den Regelsatz um jene Summe.
Hier entgegnete die Verkäuferin, dass sie die Wurstwaren nicht essen würde, weil sie abnehmen wolle. Doch das Jobcenter sah dennoch Gründe zur Kürzung, da theoretisch die Möglichkeit bestehen würde, Wurst zu essen.
Das Sozialgericht beendete diesen Blödsinn. Es komme auf den Einzelfall an, sagten die Richter. Wenn die bereitgestellten Nahrungsmittel aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen abgelehnt werden würden, darf eine Behörde nicht kürzen. Auch wenn keine Gründe dagegen sprechen würden, müsse eine Rechtskonformität überprüft werden. Die Kürzung musste zurück genommen werden.
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