Sonntag, 4. Oktober 2015

Proteste gegen Sparpolitik in Brasilien

Regierung plant massive Einsparungen. Auch Kürzungen bei Sozialprogrammen. Gewerkschaft beklagt fehlenden Dialog mit der Gesellschaft São Paulo/Brasília. Mit Demonstrationen haben Gewerkschaften und soziale Bewegungen auf die angekündigten Kürzungsmaßnahmen der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff reagiert. Am vergangenen Montag hatte die Regierung ein finanzpolitisches Maßnahmenpaket bekannt gegeben, mit dem ein Loch von 30 Milliarden Reais (etwa sieben Milliarden Euro) im kommenden Haushaltsjahr geschlossen werden soll. Vor allem im öffentlichen Dienst und bei den Sozialausgaben soll gespart werden. In den folgenden Tagen protestierten Zehntausende gegen die Kürzungen. Finanzminister Joaquim Levy hatte ankündigt, die Ausgaben im Haushalt um 26 Milliarden Reais (rund 5,8 Milliarden Euro) kürzen zu wollen, wie Nachrichtenagentur Agência Brasil berichtet. Dabei solle mächtig bei sozialen Ausgaben wie etwa im Wohnungs- und Gesundheitsbereich gekürzt werden. Etwa sieben Milliarden Reais (etwa 1,5 Milliarden Euro) sollen hierdurch eingespart werden. Zusammen mit der Sozialversicherung und weiteren Sozialprogrammen machen die Personalkosten mehr als 60 Prozent der Gesamtausgaben des Bundeshaushaltes aus. Gleichzeitig sollen 40,2 Milliarden Reais (rund neun Milliarden Euro) durch Steuererhebungen eingenommen werden. Hierzu wolle die Regierung die Abgabe auf Finanztransaktionen für einen Zeitraum von vier Jahren wiedereinführen. Die Steuer war 2007 ausgesetzt worden und könnte allein 32 Mrd. Reais (etwa 7,1 Milliarden Euro) in die Kassen bringen. Des Weiteren gab Planungsminister Nelson Barbosa bekannt, dass zehn von 39 Ministerien aufgelöst werden sollen, um auf diese Weise etwa 1.000 Stellen streichen zu können. Gleichzeitig gelte im öffentlichen Dienst ein Einsstellungsstopp. Vorgesehene Gehaltserhöhungen für Staatsbedienstete werden von Januar auf August verschoben. Gegen die Beschlüsse demonstrierten am Dienstag Gewerkschafter vor dem Sitz des Verbandes der Industrie São Paulo. Aufgerufen hatte der Gewerkschaftsdachverband CUT. Es sei das erste Mal, dass alle 18 im CUT vertretenden Gewerkschaften gemeinsam demonstrierten. Damit seien rund 1,8 Millionen Arbeiter und Angestellte aus dem Staat São Paulo vertreten gewesen, berichtet das Nachrichtenportal Rede Brasil Atual. "Das ist ein bedauerliches Paket von Kürzungen", sagte CUT-Präsident Vagner Freitas gegenüber den Demonstranten. "Es folgt der Politik der Rezession, den Einschnitten in Investitionen und in die Rechte der Arbeiter. Der fehlende Dialog mit der Gesellschaft erschreckt uns." Derart "neoliberale Verordnungen" seien bereits in anderen Ländern erfolglos angewendet worden. Man werde der Präsidentin alternative Vorschläge zum Kürzungspaket übergeben. Für den 3. Oktober ruft der CUT zu einem "landesweiten Kampftag" auf. Am Mittwoch folgten landesweit Tausende dem Aufruf der Wohnungslosenbewegung (MTST), und demonstrierten gegen die Streichungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau, die das staatliche Wohnungsprogramm beinträchtigten. Raimundo Bonfim vom Verband der sozialen Bewegungen (CMP) fürchtet um die Wirksamkeit des bisher Erreichten, sollte jetzt gespart werden. In der Woche zuvor war die Regierungsspitze zu einem Krisentreffen zusammen gekommen. Präsidentin Rousseff, Minister wichtiger finanzpolitischer Ressorts sowie die Koalitionsführer der beiden Kongresskammern trafen sich, um auf die Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch die Rating-Agentur Standard & Poor's vom Vortag zu reagieren. Diese hatte die Bonitätsrate Brasiliens herabgestuft und damit die Staatsanleihen als nicht mehr investitionswürdig definiert. Zudem korrigierte auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Erwartungen an die wirtschaftliche Entwicklung des Landes für 2015 und 2016 deutlich nach unten. Nach neuesten Rechnungen geht die OECD von einem Schrumpfen der brasilianischen Wirtschaft im laufenden Jahr in Höhe von 2,8 Prozent und von 0,7 Prozent in 2016 aus, berichtete die Zeitung Valor Econômico. Die schwache Wirtschaftslage spiegelt sich auch im Haushalt wieder. Im August fielen die Steuereinnahmen um fast zehn Prozent und sanken damit auf den geringsten Stand seit fünf Jahren. Unterstützen Sie amerika21 mit einer Spende via Flattr

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